EMF-Expertengruppe: Evidenzbetrachtungen zu "Elektrosmog" (Forschung)
Im Rahmen der Erarbeitung des Berichts über eine mögliche Anhebung der Grenzwerte in der Schweiz wurde eine interdisziplinäre Expertengruppe beauftragt, Hinweisen auf biologische Risiken infolge EMF-Einwirkung nachzugehen und sie zu bewerten.
Hier die Findungen der Expertengruppe (Stand: Mitte 2014) noch einmal etwas ausführlicher:
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Forschung eine Reihe von neuen Erkenntnissen zu den Auswirkungen von hochfrequenter Strahlung geliefert hat. Im Folgenden sind die wichtigsten Erkenntnisse aufgelistet, welche relevant für die Festlegung der Grenzwerte sind:
- Verbesserte dosimetrische Analysen zeigen, dass bei Fernfeldexposition auch unter Einhaltung der ICNIRP-Referenzwerte die Basisgrenzwerte überschritten werden können (z.B. bei Kindern) (siehe Kapitel 3.2). Damit ist im ungünstigsten Fall der Sicherheitsfaktor bei der Grenzwertfestsetzung kleiner als angenommen.
- Die Studienlage zu langfristigen Auswirkungen von Expositionen, wie sie durch ortsfeste Sendeanlagen auftreten, ist immer noch sehr dünn, so dass gesundheitliche Auswirkungen wie ein erhöhtes Krebsrisiko und Beeinträchtigungen des Wohlbefindens nicht mit genügender Sicherheit ausgeschlossen werden können (siehe Kapitel 5).
- Evidenz für eine Beeinflussung von Hirnströmen bei jungen Probanden bei bzw. nach einer kurzfristigen Exposition in der Höhe von 1 bis 2 W/kg ist vorhanden (siehe Kapitel 6.1). Diese physiologischen Effekte wirken sich nicht auf die kognitive Leistungsfähigkeit oder die Schlafqualität aus und es ist unklar, ob die Veränderungen eine Bedeutung für die Gesundheit haben.
- Es wurden Hinweise gefunden (begrenzte Evidenz), dass Hochfrequenzexpositionen im Bereich von 1 bis 2 W/kg die Durchblutung und den Stoffwechsel des Gehirns von Probanden beeinflussen (siehe Kapitel 6.2). Auch diesbezüglich gilt wie bei den Hirnströmen, dass es unklar ist, ob die beobachteten Veränderungen eine Bedeutung für die Gesundheit haben. Es wurden auch Hinweise gefunden, dass Hochfrequenzexpositionen im Bereich von 1 bis 2 W/kg die Spermienqualität beeinträchtigen (Kapitel 5.4). In zell- und tierexperimentellen Studien wurden teilweise indirekte Auswirkungen auf die Stabilität der Erbinformation, die Expression von Genen, den Zelltod und die daran beteiligten Kontrollmechanismen sowie auf den oxidativen Zellstress beobachtet (siehe Kapitel 7.2.).
- Für weitere Auswirkungen wurde die Evidenz als unzureichend beurteilt (siehe Tabelle 5). Diese Auswirkungen können beim jetzigen Kenntnisstand jedoch nicht ausgeschlossen werden.
- Es wurden mehrfach modulationsspezifische Effekte gefunden, die zeigen, dass nicht nur der Energieeintrag, sondern auch die Charakteristik des Expositionssignals eine Rolle spielt. Dies ist nicht mit dem thermischen Wirkungsmodell kompatibel. Die plausibelsten biophysikalischen Wirkungsmechanismen im Niedrigdosisbereich sind der Radikalpaar-Mechanismus und physiologische Prozesse, die sehr temperatursensitiv sind (siehe Kapitel 8).
- Nur für wenige untersuchte Endpunkte kann beim heutigen Kenntnisstand Entwarnung gegeben werden (siehe Tabelle 5). Allerdings bleibt hier anzumerken, dass der wissenschaftliche Nachweis der Abwesenheit einer gesundheitsschädlichen Wirkung formal nicht möglich ist, da man nie sicher sein kann, ob wirklich alle relevanten Prozesse angeschaut wurden. In der Praxis wird man jedoch durchaus Entwarnung geben, wenn für eine bestimmte gesundheitliche Auswirkung genügend konsistente empirische Daten vorliegen, wie dies beispielsweise heute für die kurzfristigen Auswirkungen der Mobilfunknutzung auf Hirntumore der Fall ist.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Sicherheitsfaktoren bei der Grenzwertsetzung in bestimmten ungünstigen Situationen überschätzt werden (z.B. bei MRI). Weiter gibt es Hinweise für das Auftreten von modulationsspezifischen Wirkungen, die nicht mit dem thermischen Wirkungsmodell erklärbar sind. Hier braucht es ein besseres Verständnis der biophysikalischen und biologischen Mechanismen, die den beobachteten biologischen Effekten von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern zugrunde liegen. Erst dieses Wissen reduziert die bestehenden Unsicherheiten der hochfrequenten EMF Belastung bezüglich möglicher Auswirkungen auf die Gesundheit, insbesondere auch im Niedrigdosisbereich und bei langfristigen Expositionen.
Hintergrund
Schweiz: Angriff auf Anlagegrenzwert hat am 1.2.2016 begonnen
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
gesamter Thread:
- EMF-Expertengruppe hat gute Argumente für Mobilfunkgegner -
H. Lamarr,
01.03.2015, 14:19
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