Ionisierende Strahlung von Mobilfunkbasisstationen gemessen (Allgemein)
In Nigeria wurde anlässlich einer Studie in oder an zehn Mobilfunkbasisstationen die freigesetzte ionisierende Strahlung gemessen. Ja, richtig gelesen, ionisierende Strahlung und nicht Funkstrahlung. Die Messwerte überstiegen die von der internationalen Strahlenschutzkommission (ICRP) empfohlenen Grenzwerte für Hintergrundstrahlung. Aus Sicht der Autoren könnte dies langfristig ein Gesundheitsrisiko für Wartungspersonal und unmittelbare Anwohner sein. Haben wir jetzt den Salat oder ist in der Studie der Wurm drin?
Der Studie (Volltext) zufolge wurde die Hintergrundstrahlung von zehn ausgewählten Mobilfunkbasisstationen im Bundesstaat Ebonyi überwacht, um deren radiologisches Risiko für Menschen zu ermitteln. Diese Überwachung sei erforderlich, weil die Strahlung dort nachweislich zur Hintergrundstrahlung beitrage und nur mit Messungen festzustellen sei, ob die Strahlungswerte gegen Sicherheitsnormen verstoßen. Durchgeführt wurden die Messungen mit dem Strahlungsmessgerät "Radalert 100" und einem geografischen Positionierungssystem (Garmin GPSMAP 765). An jedem Standort wurden zehn Messungen 1 Meter über dem Erdboden im Abstand von je vier Minuten erhoben und aus den Messwerten der arithmetische Mittelwert gebildet. Wo genau gemessen wurde, im Technikcontainer oder davor unter freiem Himmel geht aus der Beschreibung nicht hervor.
Die gemessene mittlere Hintergrundstrahlung lag zwischen 0,0133 mR/h und 0,0200 mR/h und damit über dem von ICRP empfohlenen Grenzwert (0,013 mR/h). Die berechnete Energiedosis für die einzelnen Basisstationen reichte von 115,71 nGy/h bis 174,00 nGy/h. Diese Werte lägen weit über dem weltweit zulässigen Wert von 89 nGy/h. Aber: Die jährliche effektive Äquivalentdosis (AEDE) für die Expositionswerte reiche von 0,142 mSv/y bis 0,213 mSv/y, was weit unter den zulässigen ICRP-Grenzwerten von 1,00 mSv/y für die Bevölkerung liege, was bedeutet, dass von den Basisstationen keine unmittelbaren radiologischen Risiken ausgehen. Das Lebenszeit-Krebsrisiko für Wartungspersonal der Stationen läge allerdings durchweg über dem von UNSCEAR weltweit empfohlenen Wert 0,29 × 10^-3. Dies deute auf die Möglichkeit hin, dass das Wartungspersonal der Basisstationen über einen längeren Zeitraum hinweg strahlenbedingte Krankheiten entwickeln. Dies könne bedeuten, dass Techniker, die die Basisstationen täglich besuchen, und Bürger, die nur wenige Meter von den Stationen entfernt wohnen (weniger als 10 Meter) oder arbeiten und so der Strahlung lange ausgesetzt sind, im Alter von 65 bis 70 Jahren oder später an Krebs erkrankten. Die Autoren empfehlen daher, die Strahlungswerte der Masten (!?) und ihrer Umgebung zu überwachen, um einen weiteren Anstieg zu verhindern.
Kommentar: Obwohl ich von ionisierender Strahlung nicht viel Ahnung habe, kommt mir diese Studie, die im "Arab Journal of Nuclear Sciences and Applications" veröffentlicht wurde, reichlich spanisch vor. Denn die Autoren wissen selber nicht, woher die gefundene ionisierende Strahlung denn nun kommt. Sie vermuten, sie käme erstrangig von der HF-Emission der Funkmasten, was ohne Frage Blödsinn ist. Zweifel an ihrer Behauptung müssen auch die Autoren gehabt haben, denn ersatzweise nennen sie als weitere infrage kommende Strahlungsquellen das Vorhandensein von Dieselaggregaten, die geologischen Formationen und die geografischen Gegebenheiten des Gebiets, in dem die untersuchten Stationen stehen.
Unter diesen Umständen erscheint die kühn gezogene Verbindung zwischen Mobilfunkbasisstationen und ionisierender Strahlung unprofessionell, weil willkürlich, denn wahrscheinlich dringt die Strahlung aufgrund geologischer Gesteinsformationen (Uranerz) aus dem Erdboden und hat mit den Mobilfunkbasisstationen nicht das Geringste zu tun. Uranerz gibt es in Nigeria vor allem in den nördlichen Bundesstaaten, zu denen auch Ebonyi zählt. Mit Referenzmessungen abseits der Stationen hätten die Autoren ihre EMF-Schuldhypothese mühelos prüfen und verwerfen können. Haben sie jedoch nicht gemacht , stattdessen spekulieren sie lieber.
Finanziert wurde die Studie von der AVR Green Albatross Solutions Ltd, einem Beratungsunternehmen in Umweltangelegenheiten, über das das www nicht allzuviel weiß. Also spekuliere jetzt auch ich: Möglicherweise hat die Firma ein Interesse daran, dass in Nigeria massenhaft IR-Messungen an Mobilfunkbasisstationen stattfinden. Immerhin sind in Nigeria, dem bevölkerungsreichsten Land Afrikas, etwa 220 Mio. SIM-Karten im Umlauf, was auf eine sehr große Anzahl von Mobilfunkbasisstationen und entsprechendem Beratungsbedarf schließen lässt.
--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –