Falschinformationen widerlegen, aber richtig (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 18.03.2025, 23:00 (vor 23 Stunden, 13 Minuten)

Falschinformationen sickern leicht und schnell in unser Hirn. Und sind sie erst einmal dort, wehren sie sich mit Händen und Füßen, wenn wir sie wieder loswerden wollen. Welche Mechanismen hier am Werk sind und auf welche Weise man Falschinformationen am besten beikommt, darüber geben knapp zwei Dutzend Wissenschaftler gratis Auskunft, die sich dem erfolgreichen Widerlegen von Falschinformationen verschrieben haben.

Teilnehmer "e=mc2" hat uns mit dem Bullshit-Asymmetrie-Prinzip des italienischen Informatikers Brandolini bekannt gemacht. Vom dortigen Wikipediabeitrag machen wir einen Abstecher zur Infomüll-Abfuhr von Marion Stagars und landen schließlich bei dem 19-seitigen Heftchen (PDF) "Widerlegen, aber richtig (Ausgabe 2020)".

Kostprobe aus dem Inhalt

Da Falschinformationen nur schwer wieder loszuwerden sind, ist eine erfolgreiche Strategie, sie gar nicht erst Fuß fassen zu lassen. Es gibt mehrere Präventionsstrategien, die sich als wirksam erwiesen haben.
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Wenn Sie nicht verhindern können, dass Falschinformationen hängen bleiben, dann haben Sie einen weiteren Pfeil in Ihrem Köcher: das Widerlegen! Sie sollten jedoch zuerst über einige Dinge nachdenken, bevor Sie mit dem Widerlegen beginnen.

Jeder Mensch verfügt nur über begrenzte Zeit und Ressourcen, also müssen Sie sich Ihre Kämpfe aussuchen. Wenn ein Irrglaube nicht weit verbreitet ist oder nicht das Potenzial hat, jetzt oder in Zukunft Schaden anzurichten, hat es vielleicht keinen Sinn, ihn zu widerlegen. Möglicherweise sind Ihre Bemühungen anderswo besser investiert, und je weniger über einen unbekannten Irrglauben gesprochen wird, desto besser.

Richtigstellungen müssen die Falschinformation erwähnen, so dass sie zwangsläufig deren Bekanntheitsgrad erhöhen. Allerdings schadet es wenig, in einer Richtigstellung von Falschinformationen zu hören, auch wenn die Richtigstellung einen Irrglauben einführt, von dem vorher noch niemand etwas gehört hat. Nichtsdestotrotz sollte man darauf achten, dass man durch eine Richtigstellung Minderheitsmeinungen und Verschwörungsmythen keine unnötige Aufmerksamkeit schenkt. Wenn niemand von dem Irrglauben gehört hat, dass Ohrenschmalz Beton auflösen kann, warum sollte man dies dann öffentlich korrigieren?

Außerdem sollte man beim Widerlegen daran denken, dass jede Richtigstellung notwendigerweise einen rhetorischen Rahmen (d. h. eine Reihe von “Talking Points”) verstärkt, der von jemand anderem errichtet wurde. Man kann nicht den Irrglauben eines anderen korrigieren, ohne darüber zu sprechen. In diesem Sinne kann jede Richtigstellung – selbst wenn sie erfolgreich ist – unbeabsichtigte Folgen haben, und die Wahl des eigenen Rahmens kann vorteilhafter sein. Wenn man zum Beispiel den enormen Erfolg und die Sicherheit eines Impfstoffs hervorhebt, könnte das zu einer positiveren Diskussion führen als die Widerlegung eines mit dem Impfstoff verbundenen Irrglaubens. Und es sind dann Ihre Diskussionspunkte, nicht die eines anderen. [...]

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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