Radar und Mobilfunk löst Krebswachstum aus (Forschung)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 21.08.2011, 16:24 (vor 4836 Tagen)

In der Szene sorgt eine Übersichtsarbeit von Yakymenko et al. (PDF des Volltextes, 9 Seiten) für freudige Aufregung. Grund: Diese Metastudie listet zahlreiche Befunde - von Frau Isabel Wilke im Elektrosmog-Report (August 2011) hingebungsvoll, jedoch leider ohne Quellenangeben, aufgezählt. So eine selektive Aufzählung ist freilich banal, denn bereits im ersten Satz des Abstracts machen die Autoren klar, sie hätten allein Alarmstudien ausgewertet. Es fehlt für eine fachkundige Meinung über die Befunde also die Gegenstimme, die keineswegs selten ist, sondern sogar erheblich häufiger als die der Alarmisten. Sich als Alarmkritiker auf die Arbeit von Yakymenko zu berufen und Grenzwertsenkungen zu fordern ist mMn so sinnfällig, wie die Wahl einer politischen Partei, nachdem man deren Wahlprogramm gelesen hat - und nur dieses eine.

Und ob es für die Glaubwürdigkeit der Arbeit sinnvoll ist, bekannt schwache Studien in die Analyse mit aufzunehmen, etwa die von Eger, Santini, Navarro und Schwarz, darüber möchte ich mich jetzt gar nicht auslassen.

Warum ich die Studie hier erwähne ist die Behauptung der Autoren, in der Schweiz gelte der extrem strenge Grenzwert von 4 μW/cm² (3,88 V/m).

Diese Behauptung macht mMn deutlich, wie die Autoren ticken. Sie versuchen - als Gegenpol zu den ICNIRP-Werten - künstlich klein gerechnete nationale Regelungen als erstrebenswerte Grenzwerte für alle zu propagieren. Dagegen wäre nun nichts einzuwenden, würde die Behauptung wenigstens der Wahrheit entsprechen. Das aber ist nicht der Fall.

In der Schweiz gelten wie fast überall in Europa die ICNIRP-Empfehlungen für EMF-Immissionen. Nur an Orten "mit empfindlicher Nutzung" gelten in der Schweiz strengere Werte, nämlich 10 % der ICNIRP-Empfehlungen (Feldstärke), je nach Situation vor Ort ist dies ein Wert zwischen 4 V/m und 6 V/m statt der normalerweise zulässigen 42 V/m bis 61 V/m. Verbindliche Details dazu nennt diese Seite des Schweizer Bafu. Nicht verbindlich, weil von einem der größten Hetzer der Mobilfunkszene, jedoch wunderschön kontraproduktiv zu Yakymenko, sind Ausführungen, die die Schweizer Vorsorgewerte als Mogelpackung hinstellen.

Die Autoren der Studie ignorieren die Einschränkungen bei der Schweizer Regelung völlig, nennen als einzigen Grenzwert allein den Wert 3,88 V/m (4 μW/cm²), der noch dazu falsch ist, weil geringfügig zu niedrig. Wie gesagt, erschütternd ist all dies nicht, es zeigt lediglich die ergebnisorientierte (statt ergebnisoffene) Herangehensweise der Autoren an Ihr Projekt "Long-term exposure to microwave radiation provokes cancer growth: evidences from radars and mobile communication systems".

Im EMF-Portal ist die Studie derzeit ohne Ausarbeitung nur verlinkt, ich könnte mir jedoch gut vorstellen, dass die Arbeit nicht ungeschoren bleibt.

Angeblich soll die Studie von der EU gefördert worden sein, im Zuge des 7. Forschungsrahmenprogramms. Diese prestigeträchtige Förderung hat jedoch nur indirekt stattgefunden, direkt gefördert wurde von der EU ein "South Moravian Programme for Distinguished Researchers" [Anm. Autor: Moravia ist in Deutschland als das Tschechische Mähren besser bekannt], das dann seinerseits Yakymenko (mit)finanzierte. Zu dieser Einschätzung brachte mich Absatz 6.4 in diesem Dokument:

"6.4. Any publishing of information about the project or its part shall contain the sentence: „The Project is funded from the SoMoPro programme. Research leading to these results has received a financial contribution from the European Community within the Seventh Framework Programme (FP/2007-2013) under Grant Agreement No. 229603. The research is also co-financed by the South Moravian Region."

In der Studie wurde die Förderklausel entgegen der Vorgabe anders (missverständlich) formuliert.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Vorsorgewert, Fehler, Radar, Elektrosmog-Report, Katalyse-Institut, Wilke, Krebswachstum, Metastudie


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