Berg-Beckhoff: Gut lesbarer Übersichtsartikel im Ärzteblatt (Forschung)

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 15.04.2015, 11:43 (vor 3500 Tagen) @ H. Lamarr

Die Untersuchung von Berg-Beckhoff und Kollegen fand im Rahmen des Deutschen Mobilfunk-Forschungsprogramms statt.

2010 brachte die Arbeitsgruppe Berg-Beckhoff einen gut lesbaren zusammenfassenden Artikel über ihre Untersuchung in Deutsches Ärzteblatt. Hier ein Auszug:

In knapp der Hälfte der Konsultationen wegen EMF wurde eine Schutzmaßnahme oder Therapie angesprochen. Als zweithäufigste Maßnahme rieten die Ärzte zu einem Umzug. Dieses in der Konsequenz einschneidende Ergebnis deckt sich mit den Resultaten der beiden Studien aus Österreich und der Schweiz (16, 17). Es ist nicht möglich, die genauen Beweggründe eines Arztes für die Empfehlung der jeweiligen Schutzmaßnahme zu beurteilen, da hierzu Informationen fehlen. Schwer nachvollziehbar ist allerdings, warum ein Umzug in sechs Konsultationen empfohlen wurde, in denen lediglich der Patient einen Zusammenhang zwischen EMF und gesundheitlichem Risiko vermutete und der Arzt diesen Zusammenhang sogar als unplausibel einschätzte.

Es liegt der Schluss nahe, dass die ärztliche Beratung über EMF zum Teil die Patientenkarrieren stark beeinflussen kann – und sei die Empfehlung zum Umzug auch nur gegeben worden, weil der Patient nicht von der Idee der krankmachenden EMF abzubringen war. Wenn man einerseits berücksichtigt, mit wie viel Aufwand ein Umzug verbunden ist, und andererseits, wie unsicher das Wissen über das gesundheitliche Risiko durch EMF ist, zeigt sich ein immenser Bedarf für die Entwicklung und Verbreitung von Kommunikations- und Behandlungsstrategien für solche Patienten.

Leichtfertig zu einem Umzug riet auch ein Mobilfunkgegner und überzeugter "Elektrosensibler" einer Sozialhilfeempfängerin in München (Fall Semmelweis).

[image] Wie die an der Untersuchung teilnehmenden Ärzte bei Wissensfragen abschnitten zeigt die Tabelle (zum Vergrößern anklicken). Die letzten beiden Fragen wurden mehrheitlich falsch beantwortet. Der Artikel schließt deshalb mit einem Aufruf zur beruflichen Fortbildung:

Die Resultate dieser Studie zeigen, dass die Arzt-Patienten-Interaktion zum Thema EMF im Einzelfall gravierende Konsequenzen für die Patienten nach sich ziehen kann, vor allem, wenn die Patienten manchen Ratschlägen der Ärzte folgen. Dabei stimmen die Beratungen über EMF oft nicht mit dem Stand der Forschung überein. Ärzte sind für ihre Patienten eine wichtige und vertrauenswürdige Instanz, gerade auch bei dem Thema EMF und Gesundheit. Daher ist es für beide Seiten von Interesse, dass die von den Ärzten ausgesprochenen Empfehlungen beziehungsweise Therapien dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand entsprechen. Ärztliche Fortbildungen zu Studien über gesundheitlichen Risiken von EMF sind wünschenswert.

Ohne Risiko ist Fortbildung für Mediziner in EMF-Fragen allerdings nicht. Denn nicht immer bieten die Fortbildungsangebote seriöse Informationen. Fragwürdig ist z.B. in Bayern der sogenannte "Ärztliche Qualitätszirkel elektromagnetische Felder". Von der LÄK zwar anerkannt, versammeln sich in diesem Zirkel ausschließlich überzeugte Mobilfunkgegner, die gegen den wissenschaftlichen Trend argumentieren und den Eindruck erwecken, EMF sei eine existentielle Bedrohung für den Fortbestand der Menschheit. Mindestens ein Arzt und Mobilfunkgegner bietet auch regelmäßig Fortbildung mit kommerziellem Hintergrund an.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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