Schweizer Vorsorgewerte: wie sie entstanden sind (Allgemein)
Die momentanen Überlegung einzelner Bundesländer, im Zuge der aktuell diskutierten „Verordnung zur Änderung der Vorschriften über elektromagnetische Felder und das telekommunikationsrechtliche Nachweisverfahren", die Strahlengrenzwerte deutlich nach unten an Schweizer Grenzwerte anzupassen, schafft kein höheres Schutzniveau oder eine höhere Akzeptanz der Mobilfunkinfrastruktur ...
Wie und warum kam es eigentlich zu dem Schweizer Anlagewert?
Diese Frage beantwortete vor rund neun Jahren Jürg Baumann vom Schweizer Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL), Bern, mit einem Vortrag (PDF, 7 Seiten) anlässlich der 36. Jahrestagung des Fachverbandes für Strahlenschutz, 31.8. - 2.9.2004 in Köln.
Hier ein Auszug, der ein überraschend ausgeprägtes Gefahrenbewusstsein offenbart:
Es kann nicht genug betont werden, dass ein wissenschaftlicher Nachweis eines Risikos nicht vorliegen muss, um als Behörde vorsorglich tätig zu werden. Im Gegenteil: gerade weil wissenschaftlich (noch) nicht Klarheit über alle Gesundheitsrisiken von NIS herrscht, soll das Vorsorgeprinzip angewendet werden. Es sei an dieser Stelle auch festgehalten, dass wir die ICNIRP-Grenzwerte nicht als Vorsorgewerte betrachten. Die Tatsache, dass bei ihrer Festlegung ein Sicherheitsfaktor eingebaut wurde, entspricht der üblichen Praxis in der Toxikologie und hat nichts mit Vorsorge zu tun. Der Sicherheitsfaktor soll lediglich gewährleisten, dass die zugrunde liegenden Akutwirkungen mit Sicherheit nicht auftreten werden. Daraus zu schliessen, dass damit auch andersartige Wirkungen berücksichtigt wären, ist nicht zulässig.
So einleuchtend die Ausführungen von Jürg Zimmermann auch sind, darf darüber nicht vergessen werden, dass sie rund neun Jahre alt sind und unter dem Eindruck der Wiener Reflex-Studie (HF) entstanden sind. Inzwischen ist die Anzahl der Handynutzer auf bald 7 Mrd. gestiegen und eine ganze Reihe von Forschungsprogrammen, das größte davon war das Deutsche Mobilfunk Forschungsprogramm, haben anfängliche Hinweise auf ein Risiko Mobilfunk nicht bestätigen können. Die Wiener Reflex-Studie (HF) schließlich wurde von Untersuchungskommissionen zwar nicht als Fälschung gebrandmarkt, doch es sei schludrig gearbeitet worden, entgegen den Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis.
Womit ich sagen will: Der Ruf nach Vorsorge war vor 13 Jahren, als die Schweizer Anlagewerte eingeführt wurden berechtigt, ob er heute (für Sendemasten) noch immer gerechtfertigt ist, darf mit Blick auf den heutigen wissenschaftlichen Kenntnisstand zu recht bezweifelt werden. Bei strahlend blauem Himmel noch immer mit vorsorglich aufgespanntem Regenschirm durch die Gegend zu laufen mag Zuckerpüppchen begeistern, mich nicht (mehr).
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
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