Baumschäden durch Mobilfunk, mal wieder ... (Allgemein)
Im Gigaherz-Forum machen sich zwei "Baumexperten" daran, das alberne und eigentlich abgefrühstückte Thema "Baumschäden durch Mobilfunk-Basisstationen" mit ernster Attitüde in den Vordergrund zu turnen. Mal wieder.
Den Anfang machte Teilnehmer "GöttingerSieben" mit darbendem Wein an den Fassaden der Uni Göttingen, ihm beispringen tut Teilnehmer "HKB" mit üblichen Bildern kranker Bäume, wie sie von einigen Mobilfunkgegnern wie YuGiOh-Karten gesammelt werden. Das Ganze teils dargereicht mit wissenschaftlich klingenden Begrifflichkeiten wie "radialer Transparenzgradient sehr gering", die anscheinend geballte Kompetenz vermitteln sollen.
Die beiden Teilnehmer geben sich alle Mühe seriös zu wirken. Zum Beispiel "GöttingerSieben" mit dem folgenden Hinweis, dass angeblich sogar echte Profis ratlos sind:
Für die häufig beobachtete inhomogene Schadensverteilung in den Baumkronen (s. Punkt 7 im Schreiben der Ärzteinitiative an Wissenschaftler der LMU München vom 12.02.15: http://www.gigaherz.ch/wp-content/uploa ... Selsam.pdf) hatten befragte Botaniker keine Erklärung.
Da ich weiß, dass Mobilfunkgegner liebend gerne manipulieren, indem sie z.B. Sätze aus dem Zusammenhang reißen oder Zitate verfälschen, bezweifle ich die Behauptung über die Botaniker in der dargelegten Form. Außerdem stellt sich die Frage, woher "GöttingerSieben" über den Inhalt einer Antwort der LMU an Frau W-S Bescheid wissen will. Publiziert wurde eine Antwort nicht, "Göttinger Sieben" sollte daher entweder mit Frau W-S identisch sein oder zu deren Klüngel organisierter Mobilfunkgegner gehören.
"HKB" möchte mit leisen Selbstzweifeln das Bild vom ergebnisoffenen Mobilfunkgegner zeichnen:
Ungleichmässigkeit der Kronengestalt und Immssionsrichtung entsprechen sich. Ein Ursachenbeweis ist allein hierdurch nicht gegeben. Welche Faktoren könnten eine solches Bild verursachen?
Weitere Details erspare ich mir, die grundsätzliche Vorgehensweise von "GöttingerSieben" und "HKB" ist hinlänglich von den drei bekannten "Baumexperten" der Anti-Mobilfunk-Szene überliefert, zu nennen wären Volker Schorpp (Physiker), Helmut Breunig (Kindergartenbetreiber, gelernter Forstwirt) und Cornelia Waldmann Selsam (Allgemeinärztin). Alle drei sind eigener Einschätzung zufolge "elektrosensibel".
Seit 2006 gehört die These "Mobilfunk macht Bäume krank" zum Standardrepertoire von Mobilfunkgegnern, es ist ja auch zu einfach, sich von einschlägig bekannten Webseiten diese Behauptung abzugreifen. Durchsetzen aber konnte sich die These zu keiner Zeit, auch nicht bei allen Mobilfunkgegnern. Zu groß sind die Vorbehalte, die gegen diese These sprechen. Nachfolgend in Stichpunkten die wichtigsten Vorbehalte, die mir spontan eingefallen sind:
- Die sogenannten Baumexperten der Anti-Mobilfunk-Szene sind Laien im Fachgebiet Baumpathologie.
- Die sogenannten Baumexperten der Anti-Mobilfunkszene sind ausnahmslos bekennende Mobilfunkgegner, teils sogar überzeugte "Elektrosensible" und damit alles andere als ergebnisoffen.
- Sämtliche Dokumentationen, die angebliche Baumschäden durch Mobilfunk belegen wollen, lassen völlig außer Acht, dass sich gleiche Schadensbilder überall finden, auch dort, wo keine Mobilfunksender in Betracht kommen. Es ist somit keine Kunst, mit selektiver Wahrnehmung durch die Lande zu ziehen und im Umkreis der rund 80'000 Mobilfunk-Standorte in Deutschland irgendwelche kranken Bäume aufzuspüren.
- Die Dokumentationen der Baumschäden zeigen entweder gar keine Dosimetrie oder eine mangelhafte.
- Wenn überhaupt die EMF-Immission gemessen wurde, dann am Erdboden, nicht in den Baumkronen.
- Selbst wenn es im Einzelfall einmal gelingen sollte, einen glaubwürdigen Zusammenhang zwischen EMF-Immission und kranken Bäumen zu konstruieren, ist dies noch immer kein Beweis für einen Kausalzusammenhang (ursächlicher Zusammenhang). Bislang konnten Mobilfunkgegner noch nicht einmal einen Zusammenhang glaubhaft machen.
- Die sogenannten Baumexperten der Anti-Mobilfunk-Szene sind wegen mangelnder Kompetenz nicht imstande, andere Ursachen für Baumschäden, wie sie ein Fachmann erkennen könnte, in ihre Betrachtungen einfließen zu lassen. Zu diesen anderen Ursachen gehören z.B. tierische und pflanzliche Schädlinge, klimaänderungsbedingte Langzeitschäden, Grundwasserabsenkungen usw.
- Es fehlt jegliches Wirkungsmodell, warum schwache Mobilfunkimmission Pflanzen schaden sollte.
- Das physikalische Wirkmodell (Interferenz), warum schwache Mobilfunkimmission einen Baum schädigen sollte, einen anderen, wenige Meter daneben jedoch nicht, wurde vor rund zehn Jahren von Volker Schorpp formuliert, bis heute gibt es keine einzige sauber dokumentierte Messreihe, die den Nachweis für diese Behauptung führt.
- Die seriöse Wissenschaft reagiert erst dann, wenn ernsthaft ein halbwegs vernünftig begründeter Anfangsverdacht vorgetragen wird. Dies ist eine qualitative Anforderung. Die sogenannten Baumexperten der Anti-Mobilfunk-Szene ignorieren die mangelhafte Qualität ihrer Dokumentationen und versuchen fehlende Qualität durch Quantität (immer neue Fotos kranker Bäume) wett zu machen.
Für mich sind die in regelmäßigen Abständen, gerne in der Sauregurkenzeit, hoch gekochten Baumbeobachtungen von Mobilfunkgegnern nur Mittel zum Zweck, um die Bevölkerung zu beunruhigen und Ängste gegenüber Funkwellen im Unterbewußtsein zu verankern. Ob dies geschieht, um echte Sorge zum Audruck zu bringen, um sich wichtig zu machen und Aufmerksamkeit zu bekommen, oder ob damit eine Förderung der Ertragslage diverser Branchen beabsichtigt ist, die mit der Angst gegenüber Funk gute Geschäfte machen, lässt sich pauschal nicht sagen.
Hintergrund
Langzeitexperiment: Keine Baumschäden im Umkreis von Mobilfunksendeanlagen
Angebliches Baumsterben im Arnulfpark
Das BfS und die Baumschäden
Baumschäden: Herbeigeredete EMF-Modekrankheit
Mein Freund der Baum ist tot
Prof. Karl Richter und sein Märchen vom toten Buchenwald
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –