IZgMF - Bericht von der Anhörung (Medien)

H. Lamarr @, München, Samstag, 07.07.2012, 00:45 (vor 4509 Tagen) @ H. Lamarr

Diesmal war alles anders. Die traditionelle Elektrosmog-Anhörung im Bayerischen Landtag 2012 hat mit den früheren Anhörungen unter der Regie des "Grünen"-Politikers Dr. Martin Runge nicht mehr viel zu tun.

Anhörung statt Diskussionsrunde
2012 gab es eine "echte" Anhörung. Der Vorsitzende des Umweltausschusses stellte eine Frage (aus dem Fragenkatalog) und die in der ersten Reihe sitzenden Sachverständigen konnten sich mit Handzeichen melden, um zur gestellten Frage etwas zu sagen. Hinter den Sachverständigen gab es zwei Tischreihen reserviert für Abgeordnete des Landtags, dahinter durfte dann das gemeine Volk auf Stühlen Platz nehmen. Anhand von Fotos haben wir die Teilnehmerzahl ziemlich genau feststellen können:

Rund 90 Teilnehmer
76 Besucher, überwiegend Mobilfunkgegner und einige Elektrosensible mit Begleitpersonen.
12 Abgeordnete

Zeitweise waren noch etwa zehn weitere Abgeordnete für ca. 90 Minuten im Saal, ebenso eine Schulklasse.

[image]

Die Veranstaltung dauerte mit 4 Stunden rund 30 Minuten länger als geplant, von den angekündigten Referenten waren bis auf Prof. Mosgöller (Uni Wien) alle erschienen, eine Erholungspause zur Halbzeit - und seien es nur 5 Minuten - gab es nicht.

Zum Schweigen verurteilt
Im Gegensatz zu früher hatten die Besucher im Verlauf der Anhörung keinerlei Gelegenheit, sich zu Wort zu melden, sie waren ausnahmslos zum Zuhören verdammt. Einzig die Abgeordneten durften Zwischenfragen stellen, was sporadisch auch geschah, im wesentlichen aber wurde der Fragenkatalog abgearbeitet. Bei Runge war dies noch ganz anders gewesen, da hielten Sachverständige Referate und nach jedem Referat durfte das Publikum Fragen an den Referenten stellen.

Der Unterschied dürfte daran liegen, dass die Anhörungen früher Veranstaltungen der "Grünen" waren und auch aus der Parteikasse bezahlt wurden. 2012 war es eine Veranstaltung des Umweltausschusses, auf Antrag der "Grünen" und der "Freien Wähler", die Kosten trägt aller Voraussicht nach der Steuerzahler.

Über den Inhalt der Anhörung möchte ich hier und jetzt nicht viel sagen, die in der Presse verbreitete dpa-Meldung gibt einen kleinen Einblick in die behandelten Themen. Der Sachverständige der BNetzA, Josef Opitz, berichtete von der diesjährigen BEMS-Tagung in Australien. Die dort versammelten Wissenschaftler aus aller Welt hätten über die Notwendigkeit einer Grenzwertsenkung diskutiert, und seien dann einhellig zu dem Ergebnis gekommen, dafür gäbe es keine objektiven Gründe. Dr. Gunde Ziegelberger (BfS) ergänzte: Wenn es zu einer Grenzwertsenkung kommt, dann sei dies politisch begründet.

Spatenpaulis Kritiker-Ranking
Gut gefallen hat mir von den Kritikern Dr.-Ing. Martin Virnich, er war sachlich, unaufgeregt und frei von Polemik ein Gewinn für die Veranstaltung. Das einzige Manko des Mannes ist mMn sein Beruf: Baubiologe. Dies bringt ihn in einen Interessenkonflikt, den er in München allerdings souverän gemeistert hat. Mir ist an seinen Ausführungen kein Fehler aufgefallen.

Dagegen gab Dr. Mutter aus meiner Sicht eine indiskutable Vorstellung ab, er drängte sich mit unqualifizierten schlecht recherchierten Antworten nach vorne. So behauptete er, Interphone habe den Nachweis für Hirntumore erbracht, was ihm die Behördenvertreter natürlich nicht durchgehen ließen. Für meinen Geschmack hatte Dr. Mutter jedoch viel zu viel Spielraum, seine Desinformation an den Mann zu bringen. Es ist mir unbegreiflich, dass der Ausschuss ihn als Ersatz für Dr. Neitzke eingeladen hat.

Noch schwächer als Dr. Mutter ist in meinem Ranking nur der Ex-Verwaltungsrichter. Der nicht unsympathisch wirkende ältere Herr machte auf mich einen überforderten Eindruck, erkennbar an Stellungnahmen zu Fragen, zu denen er wegen Inkompetenz besser geschwiegen hätte. Herr Budzinski weiß noch immer nicht, wie Mobilfunk technisch funktioniert. Deshalb löst er regelmäßig Befremden aus, wenn er zu Sachfragen mit technischem Hintergrund Stellung nimmt. Aus meiner Sicht sollte sich ein Ex-Verwaltungsrichter auch nicht als Sachverständiger in Fertilitätsfragen geben, wie er es anlässlich der Anhörung versucht hat. Quell des Wissens auch hier: die unendlichen Tiefen des Internets und mit Sicherheit: Diagnose-Funk, der Anti-Mobilfunk-Verein, der so gerne Ansprechpartner für die Großen dieser Welt wäre.

Dr. Warnke sprach wie immer über seine Stressthese, die kaum ein anderer versteht. Sympathisch: Am Ende der Anhörung wies er deutlich darauf hin, dass er, entgegen anderslautenden Darstellungen, nicht mehr bei der Universität des Saarlands beschäftigt, sondern seit 2010 im Ruhestand sei. Dass dpa ihn trotzdem zum Unimann erklärt, deutet darauf hin, dass der dpa-Journalist bei Warnkes Outing schon fort war. Warnke hatte am Ende wegen der Überziehung noch Mühe, seinen Zug zurück nach Saarbrücken zu bekommen.

Bleibt noch der Mann vom BUND, Bernd Rainer Müller. Zu ihm fällt mir jetzt nicht viel ein, er wirkte auf mich routiniert ohne besondere Höhen und Tiefen. Ich schätze ihn um die 60, dachte er sei jünger.

Meine Wertung der Sachverständigen ist natürlich subjektiv bis auf die Knochen, andere können zu ganz anderen Ergebnissen kommen. Da in vier Stunden pausenlosem Gequassel sehr viel gesagt wurde, beruht meine Wertung im wesentlichen auf den Gesprächsfetzen, die mir in Erinnerung geblieben sind. Denn die Aufzeichnung, die ich machte, sie dauert abermals 4 Stunden, die tue ich mir nur im Notfall an.

Endlich: Ein Bild von Spatenpauli
Frau Scheiner fand mich so unglaublich fotogen, dass sie mich diskret abgelichtet hat. In bestimmten Kreisen dürfte also in Kürze ein Foto von "Spatenpauli" kursieren. Meine Frau wurde weniger diskret fotografiert, da hat einer frech voll frontal mit Blitz draufgehalten, wie beim Fotoschießen auf dem Oktoberfest.

Frau mit Schleier
Unter den Besuchern waren mindestens vier EHS, eine Dame trug sogar einen dieser Abschirmschleier, der über einen Hut mit Krempe gehängt wird. Da es ziemlich heiß war, muss die Ärmste ziemlich gelitten haben. Auf ihrem Stuhl sitzend sah sie aus wie eine Mumie. Am Ende der Veranstaltung hob sie dann den Schleier, zum Vorschein kam eine Frau in den Dreißigern mit durchaus hübschen südländischen Gesichtszügen.

Elektrosensible in Angst
Wie der Teufel es wollte, saß unmittelbar vor mir eine EHS. Ich wusste dies nicht, da ich die blasse zierliche Frau nicht kannte, nur ihre Schirmmütze kam mir von Anfang an spanisch vor. Nach 2 Stunden dreht sie sich einmal kurz um und erstarrte: Nicht wegen mir, sondern wegen dem Gegenstand in meiner Hand. In Ihren Augen stand das blanke Entsetzen, ich könnte ein Handy in der Hand halten. Und ihre beiden Begleiterin links und rechts flüsterten mir beinahe im Chor beschwörend zu: "Sie ist elektrosensibel"! "Ja, aber das ist kein Handy", raunte ich zurück, "nur ein Diktiergerät - sonst nix" (es war wirklich so!). Alle drei drehten sich wieder nach vorne, meine Vorsitzende rutschte jetzt aber sichtlich voller Unbehagen auf ihrem Stuhl herum. Nach etwa 10 Minuten hielt sie es nicht länger aus, stand auf, marschierte quer durch eine benachbarte Sitzreihe möglichst weit weg und ließ sich dann auf einem Fensterbrett nieder. Mein unschuldiges Diktiergerät, es hat entfernt Ähnlichkeit mit einem Handy, lieferte mir einen Beweis für die Macht des Nocebo-Effekts über diese unbekannte EHS.

Immer schön freundlich bleiben
Nach der Veranstaltung beschwerte ich mich bei der BfS-Vertreterin, warum die Behördenvertreter den Klinikbetreiber und den Ex-Richter wegen der Vielzahl unqualifizierter Auskünfte nicht härter rangenommen haben. Die Österreicherin hatte dafür eine schlüssige Erklärung: Die Sachverständigen seien im Vorfeld gebeten worden, sich nicht gegenseitig zu beharken, sondern nur auf die Fragen zu antworten. So einfach ist das!

Nach der Anhörung machten meine Frau und ich uns auf den Weg zur Pressekonferenz von Diagnose-Funk. Dort kam es dann prompt zu einem (kleinen) Eklat, über den ich später in einem separaten Posting erzählen werde.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
, Landtag, Polemik, Anhörung, Sachverständiger, Fertilität


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