Diagnose-Funk: Was ich nicht weiß, macht dich nicht heiß (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Montag, 01.04.2024, 02:21 (vor 133 Tagen) @ H. Lamarr

Geklagt hatte die Kinderschutzorganisation Children's Health Defense (CHD) mit Robert F. Kennedy Jr. an der Spitze gemeinsam mit Devra Davis' Environmental Health Trust. Und schon einen Tag nach der Urteilsverkündung titelte Diagnose-Funk gewohnt großspurig, semantisch jedoch pflegeanfällig ...

Der großspurige Beitrag von Diagnose-Funk feierte das Urteil vom 13. August 2021 im Fall 20-1025 über alle Maßen. Seither köchelt der Vorgang in der Sache ergebnislos vor sich hin, von den Folgen des Urteils für die FCC ist weit und breit nichts zu sehen. Doch CHD und vier Privatpersonen, darunter zwei "Elektrosensible", hatten am selben Gericht noch ein zweites Eisen im Feuer (Fall 21-1075). Darüber lässt Diagnose-Funk kein Sterbenswörtchen verlauten. Warum nicht?

Fall 20-1025

Der opulente Beitrag von Diagnose-Funk anlässlich des Urteils 20-1025 datiert vom 13. oder 14. August 2021. Welches Datum stimmt ist nicht auszumachen, denn der Beitrag nennt beide. Schaut man ein bisschen genauer hin wird schnell deutlich, der ellenlange Beitrag ist nicht auf dem Mist von Diagnose-Funk gewachsen, sondern lediglich die Automaten-Übersetzung eines Beitrags des EHT vom 16. August 2021. Damit ist wenigstens die im Startposting monierte dämliche Übersetzung von "wireless radiation" mit "drahtloser Strahlung" plausibel erklärt. Die Frage, wie der Stuttgarter Verein es geschafft haben will, die Übersetzung zwei oder drei Tage früher anzubieten, noch bevor EHT das Original auf seiner Website einstellte, bitte ich nicht mir, sondern Diagnose-Funk zu stellen.

Randnotiz: Im US-Gerichtswesen sind auch Zeugenaussagen zulässig von Personen/Organisationen, die mit dem verhandelten Fall nicht direkt befasst sind (Stichwort "amici curiae"). So geschehen im Fall 20-1025 in Gestalt des "Building Biology Institute". Den Schriftsatz, den das "Institut" einreichte, muss man sich nicht antun, wer es partout nicht lassen kann, bitteschön.

Obwohl das Urteil im Fall 20-1025 zulasten der FCC nun schon rd. 960 Tage auf dem Buckel hat, konnte ich trotz gründlicher Suche nichts finden, was zeigt, ob und wenn ja wie die FCC die Auflagen des Gerichts in ihrem Regelwerk umgesetzt hat. In dieser Sache ist also weiterhin Warten angesagt und wer aus erster Hand informiert werden möchte, ist beim EHT mit Sicherheit besser aufgehoben als bei Diagnose-Funk.

Fall 21-1075

Völlig ereignislos blieb der Vorgang im weiteren Sinne jedoch nicht. Ermuntert vom "historischen" Sieg im Fall 20-1025 reichten CHD (vertreten durch Robert F. Kennedy Jr.) und vier Privatpersonen noch 2021 am Court of Appeals for the District of Columbia Circuit abermals Klage gegen die FCC ein. Der neue Fall, der sich wie der alte an den FCC-Richtlinien von 1996 stößt, erhielt die Nummer 21-1075.

Zwei der vier Privatkläger (Erica E. und Ginger K., beides CHD-Mitglieder) reagieren gemäß Selbstdarstellung "elektrosensibel" auf HF-EMF. Sie haben deshalb Häuser in Gemeinden erworben, die mit restriktiven Vorschriften die Errichtung von Antennen beschränken. Die Gemeinde in der E. wohnt hat eine Satzung, welche die Genehmigung neuer Antennen vorschreibt und die Nutzung von Wohneigentum für kommerzielle Zwecke einschränkt. K. wohnt in einem Gebiet mit einer Hausbesitzervereinigung; die Statuten der Gemeinde und die Eigentumsbeschränkungen verbieten ebenfalls kommerzielle Tätigkeiten in dem Gebiet und lassen keine Antennen zu, deren Baulänge zwei Fuß überschreitet. Frau K. hat ihr Haus unter anderem wegen dieser Beschränkungen gekauft.

Worum es in dem neuen Fall geht, fasst das Portal Justia wie folgt zusammen (Originaltext):

Die FCC erließ eine Verordnung, die ursprünglich die Installation von "Over-the-Air-Empfangsgeräten" auf Privatgrundstücken mit Zustimmung des Eigentümers erlaubte, ungeachtet staatlicher und lokaler Beschränkungen, "einschließlich Bebauungs-, Flächennutzungs- oder Bauvorschriften oder privater Vereinbarungen, Hausbesitzervereinigungen oder ähnlicher Eigentumsbeschränkungen". Später erweiterte die FCC den Geltungsbereich auf Antennen, die als "Knotenpunkte" fungieren oder Dienste an andere Standorte weiterleiten. Die Petenten [Kläger; Anm. Postingautor] brachten ihre Besorgnis über mögliche gesundheitliche Auswirkungen einer erhöhten Hochfrequenzbelastung zum Ausdruck und argumentierten, dass die Verbreitung kommerzieller Antennen den Leidensdruck von Personen mit Hochfrequenzempfindlichkeit erhöhen würde - und damit ihre Rechte gemäß dem Americans with Disabilities Act (ADA), dem Fair Housing Act (FHA) und dem in der US-Verfassung verankerten Schutz von Privateigentum und persönlicher Autonomie verletzen würde. Die Petenten machen außerdem geltend, dass die Änderungen den betroffenen Personen eine faire Bekanntmachung und eine Gelegenheit zur Anhörung verwehren würden.

Der DC Circuit kam zunächst zu dem Schluss, dass zwei der Interessen der Petenten direkt von der FCC-Verfügung betroffen sind und dass CHD eine Klagebefugnis hat. Das Gericht kam auch zu dem Schluss, dass die Berufung der Kommission [FCC; Anm. Postingautor] auf die Continental-Airlines-Entscheidung eine ausreichende Erklärung für ihre Befugnis zur Ausweitung der Verordnung auf Hub-and-Relay-Antennen [das sind Antennen für "Fixed Wireless Access", besser bekannt als Funk-DSL; Anm. Postingautor], die Breitband-Internet übertragen, darstellt und dass sie sich darauf stützt. Das Gericht wies die gegenteilige Behauptung der Petenten zurück, dass die Anordnung nicht durch Abschnitt 303 des Kommunikationsgesetzes gestützt werde. Schließlich wies das Gericht die Behauptung der Petenten zurück, die Anordnung entbehre einer begründeten Grundlage, weil die Kommission die Folgen ihrer Maßnahme für die menschliche Gesundheit außer Acht gelassen habe. Das Gericht kam vielmehr zu dem Schluss, dass die Kommission hinreichend dargelegt hat, dass ihre Anordnung die Anwendbarkeit der Anforderungen der Kommission an die Hochfrequenzexposition nicht ändert und dass derartige Bedenken eher auf das Hochfrequenzregelwerk der Kommission zu beziehen sind. Darüber hinaus kann die Kommission auch Beschränkungen für die Aufstellung der neuen Antennenkategorie, die jetzt in die Verordnung aufgenommen wurde, ausschließen.

Die Zusammenfassung lässt bereits die Antwort auf die Eingangsfrage erahnen, warum der Fall 21-1075 dem Verein Diagnose-Funk kein Wort wert ist:

Stimmt, am 11. Januar 2022 wies das Gericht die Klage ab.

Das Urteil im Fall 21-1075 zugunsten der FCC gibt es hier (PDF, 12 Seiten, englisch).

So einäugig wie Diagnose-Funk ist der unterlegene Kläger CHD nicht. Der Verein schweigt seine Niederlage nicht tot, sondern er bedauert sie öffentlich. Das sehe ich als Lichtstrahl in der desinformativen Finsternis der Anti-Mobilfunk-Szene. Allerdings nur als kleinen Lichtstrahl, denn CHD hat sich zuvor mit einer großspurigen Kampagne, ohne die es bei Mobilfunkgegnern anscheinend nicht mehr geht, selbst in Zugzwang gebracht. Bis zu Devra Davis' EHT ist der kleine Lichtstrahl nicht durchgedrungen, schlechte Nachrichten sind dort ebenso verpönt wie bei Diagnose-Funk.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Game over, Davis, Diagnose-Funk, Täuschung, Niederlage, Kennedy, Children's Health Defense


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