SZ: Rüge für BGH-Richter (Allgemein)

RH, Sonntag, 15.02.2004, 11:29 (vor 7558 Tagen) @ Estragon

Aus dem Meldungstext der HZ-online: "Die Erkenntnisse der Wissenschaft sind spärlich, und so geht es letztlich um die Frage, wer das Risiko einer Fehleinschätzung zu tragen hat, sollte sich der Mobilfunk eines Tages als gesundheitsschädlich erweisen."

Na, wenn's so kommt, ob dann diese Richter, die jetzt das Urteil gefällt haben, mit in die Haftung genommen werden? So wie Ärzte, die ein Leben lang Schadenersatz an die Opfer ihrer Kunstfehler zahlen müssen? Haften eigentlich Richter für ihre Urteil und deren Folgen?


Hallo Estragon,

es gibt aktuell das Urteil zu Schrottimmobilien-Finanzierung, und da wurden die BGH-Richter von der EU-Kommission gerügt!

Hier der Artikel aus der SZ vom 12.02.2004, Börse und Finanzen

Und dann noch Glückwunsch zu der geglückten "Landung"! RH :-)


Rüge für BGH-Richter

EU-Kommission moniert Urteil zur Schrottimmobilien-Finanzierung
Von Thomas Hammer

München – Es kommt selten vor, dass der Bundesgerichtshof (BGH) öffentlich angegriffen wird. Doch nun hat der BGH für seine bankenfreundliche Rechtssprechung zum Kreditwiderruf bei der Finanzierung von Schrottimmobilien eine verbale Ohrfeige aus Brüssel erhalten: „Der BGH wendet die deutschen Vorschriften über das Rücktrittsrecht und die Rückabwicklung des Kreditvertrags formal und mechanisch an, ohne sich auch nur im Mindesten an den Gründen des Verbraucherschutzes auszurichten“, schreibt die EU-Kommission in einer Eingabe an den Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Zankapfel ist ein BGH-Urteil vom April 2002 zur Rückabwicklung von Finanzierungsverträgen bei Schrottimmobilien, die in Form eines Haustürgeschäfts als Steuersparmodelle verkauft worden sind. Zwar stellten die BGH-Richter fest, dass bei fehlender Widerrufsbelehrung die Kreditkunden ihre Finanzierungsverträge noch Jahre nach dem Abschluss rückgängig machen können. Doch bei den Vorschriften zur Rückabwicklung der Kreditverträge legte der BGH das Gesetz großzügig zu Gunsten der Banken aus. Zwar können die Kreditnehmer den Vertrag widerrufen – doch dann wird die Rückzahlung des Kredites sofort fällig, und der Schuldner bleibt auf seiner Immobilie sitzen und muss diese womöglich noch zu schlechteren Konditionen als bisher weiterfinanzieren.

Damit habe der BGH die Vorschrift der EU, nach der ein Widerruf auch bei Immobilienkrediten möglich sei, „ihres Sinnes entleert“, moniert die EU-Kommission. Der Verbraucher sei bei Ausübung seines Rechts schlechter gestellt, als wenn er darauf verzichten würde. „Die Kritik der Kommission an der einseitigen Sichtweise des BGH halte ich für völlig berechtigt“, sagt Stefan Frisch, Anwalt für Kapitalanlagerecht in Kirchentellinsfurt bei Tübingen. Der BGH habe mit dem Präzedenzurteil aus dem Widerrufsgesetz geradezu ein Wiederrufs-Verhinderungsgesetzt gemacht.

Das Landgericht Bochum will nun beim EuGH prüfen lassen, ob die BGH-Auffassung dem europäischen Verbraucherschutzes entspricht. Für Banken und Eigentümer von Steuerspar-Immobilien geht es dabei um viel Geld. Verbraucherverbände gehen von rund 300 000 betroffenen Kreditnehmern aus.

Trotz der deutlichen Worte von der EU-Kommission warnen Juristen vor falschen Hoffnung. Als nächstes muss der EuGH darüber entscheiden, ob der BGH die Interessen der Verbraucher ausreichend berücksichtigt hat. Selbst wenn die Richter zu einem für die Geschädigten positiven Urteil kommen, gehen viele mit großer Wahrscheinlichkeit leer aus. Denn bei bereits rechtskräftigen Urteilen kann der Prozess nur in Ausnahmefällen neu aufgerollt werden, und für Haftungsansprüche gegenüber dem deutschen Staat müsste den BGH-Richtern ein gravierendes Fehlurteil nachgewiesen werden. Bessere Chancen haben diejenigen, deren Prozess noch läuft. „In diesem Fall sollte die Aussetzung des Prozesses bis zum Vorliegen des EuGH-Urteils beantragt werden“, empfiehlt Frisch.

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Tags:
SZ, Landgericht


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