Das Programm der 3-tägigen Veranstaltung zeigt, was Teilnehmer erwarten durften. Am zweiten Tag habe ich mir aus offensichtlichen Gründen den Vortrag über "oxidativen Stress" online im Livestream angeschaut, am dritten Tag, da ging es um Mobilfunk, alle Vorträge. Wer sich für die Online-Teilnahme angemeldet hat, bekam rechtzeitig einen Link und ein Passwort zugeschickt, um am Tag X einen Livestream des Fachgesprächs mitverfolgen zu können. Einen AV-Rückkanal von den Teilnehmern in den Veranstaltungsraum gab es nicht, ich konnte mich deshalb heute zu unchristlich früher Zeit um 9:00 Uhr im Schlafanzug vor meinen PC setzen und unbekümmert teilnehmen. Gänzlich abgeschnitten waren Online-Teilnehmer jedoch nicht. Mit einer Chat-Box konnte man zu beliebigen Zeitpunkten eine Frage stellen, die am Ende eines Vortrags von den Moderatoren in Cottbus dem Referenten zur Beantwortung vorgelesen wurde. Für mich ein guter weil stressfreier Weg, denn so ließ sich eine Frage zeitnah gemütlich dann tippen, wenn ein Referent sagte oder zeigte, was die Frage aufwarf.
Zeit gut investiert
Alle Vorträge brachten für mich einen Mehrwert, da ich entweder Innovatives hörte, etwa von S. Schießl, RWTH Aachen, über die Chancen und Grenzen eines Mobilfunk-Immissionsmonitorings mit handelsüblichen Smartphones, oder neue Details zu Themen, von denen ich dachte, darüber eigentlich ganz gut Bescheid zu wissen. Das Anspruchsniveau der Vorträge kam meinem Kenntnisstand als Nachrichtentechniker weitgehend entgegen, deutliche Grenzen zeigt mir nur Alexander Lerchls Vortrag über die Ergebnisse seines Forschungsprojekts "Einfluss von 5G-2R-Frequenzen (27 und 40.5 GHz) auf das Transkriptom und Epigenom menschlicher Hautzellen" auf. Würde ich behaupten, trotz aller Bemühungen des Bremers nur Bahnhof verstanden zu haben, wäre selbst das noch übertrieben. Was ich mitgenommen habe ist lediglich: Bei der Befeldung der Zellen von zwei Zelllinien (HaCaT und HDF) mit 1 mW/cm² (= 10 W/m² = Grenzwert) konnte Lerchls Arbeitsgruppe keine besorgniserregenden Zellantworten beobachten. Die Ergebnisse mit 10-fach höherer Leistungsflussdichte stehen noch aus. Doch sollten die Zellen unter 100 W/m² anfangen zu rumoren, wäre dies wohl nur akademisch von Bedeutung, da hierzulande kein Mensch einer derart starken Ganzkörperexposition ausgesetzt werden darf.
Mobilfunkgegner: Wir wollen lieber draußen bleiben
Da man als Zaungast zur Wissenschaft der Bioelektromagnetik nicht allzu häufig Gelegenheit hat, anerkannten Experten auf diesem Gebiet live zuzuhören und Fragen zu stellen, Joachim Schüz leitet z.B. nicht weniger als die Epidemiologieabteilung Umwelt/Lebensweise der Iarc, habe ich erwartet, auch einige Mobilfunkgegner auf der Veranstaltung anzutreffen. Das aber war offensichtlich ein Irrtum. Denn unter den etwa 30 in Cottbus präsenten Teilnehmern konnte ich kein bekanntes Gesicht ausmachen. Eine Online-Teilnahme ist zwar nicht ausgeschlossen, doch gab es diese, vermieden die Lauscher jede Wortmeldung. Über mögliche Ursachen für das bedauerliche Fremdeln mit der "Gegenseite" haben wir hier im Forum schon mehrfach spekuliert, ich will das jetzt nicht wiederholen.
Nachschauen ungewiss
Ob das BfS die Vorträge seiner Mediathek einverleiben oder auf YouTube einstellen wird, weiß ich nicht, fände dies aber wertschöpfend. Wegen der gebotenen hohen Informationsdichte, die meine Gedächtnisleistungen mühelos in den roten Bereich brachte, habe ich den Livestream mitgeschnitten und beabsichtige, die eine oder andere Perle aus den Vorträgen in kommenden Postings zu verwursten.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
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