Wiedergeburt der UMTS-Studie als ATHEM-Projekt (Allgemein)
Es fängt ganz harmlos an ...
Ein Teilnehmer "Gerhard" schreibt im hese-Forum mit Blick auf das ATHEM-Projekt der AUVA:
"DNA Strangbrüche bei 50mW/kg SAR sind nicht beruhigend. Dieser SAR-Wert wird von den besten Handys (auf niedrige SAR Werte bezogen 200mW/kg) leicht überschritten. Nachdem mit Sicherheit 95% der Deutschen mobil telefonieren, entweder mit Handy oder mit DECT Telefonen, die zum Teil noch höhere SAR Werte haben, sollte diese Gruppe beunruhigt sein. Aber nichts passiert."
Klingt ziemlich dramatisch, was "Gerhard" da schreibt, man könnte es als unerfahrerer Mobilfunkkritiker leicht mit der Angst kriegen. Texte wie die von "Gerhard" machen mich jedoch schon seit langen misstrauisch, und so habe ich den Endbericht des ATHEM-Projekts nach "Gerhards" Angaben durchsucht. Das Ergebnis ist erwartungsgemäß ernüchternd:
- Von 50 mW/kg ist dort keine Spur zu finden.
- Die im Abschnitt 5 beschriebenen DNA-Experimente (Proteinsynthese) zeigen vielmehr erst bei 2000 mW/kg (Grenzwert) eine signifikant erhöhte Aktivierung der Proteinsynthese und auch diese erst nach acht Stunden Exposition.
- In wenigen Experimenten wurde mit niedriger SAR (0,1, und 0,5 W/kg) exponiert, und die erhöhte Proteinsyntheserate bei den sensiblen Zellen ebenfalls beobachtet. Über die Expositionsdauer bei dieser niedrigen SAR, die vermutlich über acht Stunden lag, sagen die Autoren leider nichts.
- Zwei Stunden nach Ende der Exposition war der beobachtete Effekt von alleine wieder abgeklungen.
- Zur gesundheitlichen Wirkung sagen die Autoren: Die aufgrund der Ergebnisse möglichen Gesundheitsrisiken können derzeit noch nicht befriedigend abgeschätzt werden. Nach den vorliegenden Daten handelt es sich um einen vorübergehenden Effekt, der zwei Stunden nach der Bestrahlung nicht mehr nachweisbar ist.
"Gerhard" hat also offenkundig einen ziemlichen Stuss ins hese-Forum eingetragen, einen dieser pseudowissenschaftlich angehauchten Fehlalarme, mit denen sich BIs beeindrucken lassen. Die Angaben von "Gerhard" werden von den Teil-Berichten der vier Forschergruppen, die im ATHEM-Endbericht vertreten sind, nicht gestützt.
Aber, da gibt es noch eine unveröffentlichte Zusammenfassung über das ATHEM-Projekt aus der Zeit, als die AUVA diese Studie am 26. Juni 2007 erstmals in Wien öffentlich präsentierte. Dort taucht der Teil-Bericht einer im ATHEM-Endbericht nicht genannten fünften Forschergruppe auf, die über "Zytogenetische Effekte von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern" berichten. Unter den Autoren ist eine gewisse Elisabeth K. Und damit ist klar, wohin der Hase läuft: Die fünfte Forschergruppe kümmerte sich in Wien um das, was später als "UMTS-Studie" zweifelhaften Ruhm erlangte und darüber berichtete, dass es bei 24-stündiger Befeldung mit UMTS bei einer Immission von nur 50 mW/kg zu DNA-Schäden kommen soll.
Was also ist dort drüben im hese-Forum jetzt eigentlich passiert? Teilnehmer "Gerhard" hat sich eines schlauen Tricks bedient, indem er dem unumstrittenen ATHEM-Projekt die Ergebnisse der umstrittenen UMTS-Studie zuschiebt, ohne die UMTS-Studie auch nur ansatzweise zu erwähnen. Formell ist dies nicht zu beanstanden, da die Datenerhebung der UMTS-Studie tatsächlich Teil des ATHEM-Projekts war, was jedoch die wenigsten wissen. "Gerhard" gelingt es auf diese Weise ähnlich wie bei einer Geldwäsche die Herkunft der 50 mW/kg geschickt zu verschleiern und das alarmierendste Resultat einer Studie neu in Umlauf zu bringen, die momentan auf Eis liegt und Gegenstand einer Untersuchung durch die OeAWI ist. Ein findiger Laie ist "Gerhard" mMn nicht, es muss jemand sein, der die öffentlich weitgehend unbekannte Verbindung zwischen ATHEM und der UMTS-Studie kennt und dies bei hese trickreich genutzt hat. Wahrscheinlich weiß "Gerhard", dass das Internet nichts vergisst und ab sofort "Suchende" von Suchmaschinen zu seinem Posting gelotst werden, wenn denn die Suchbegriffe stimmen. Nicht so ganz ins Bild des pfiffigen "Gerhard" passt freilich die absurde Idee, ATHEM zu verfilmen - ein so ungewöhnlicher Faible für ein längst abgeschlossenes Studien-Projekt ist eher befremdlich. Womöglich denkt unser "Gerhard" wehmütig an die Reflex-Verfilmung "Bei Anruf Smog".
Eigentümlich finde ich im nachhinein die "undokumentierte" Verbindung zwischen der UMTS-Studie und ATHEM. Eigentümlich deshalb, weil vier Forschergruppen gleich behandelt werden und im ATHEM-Endbericht als Kollektiv abgehandelt werden, nur die fünfte Gruppe, die mit dem spektakulärsten Ergebnis, erfährt eine Sonderbehandlung. Leider kann ich ATHEM-Projektkoordinator Prof. Mosgöller nicht mehr dazu befragen, er gibt mir ebenso wie Reflex-Projektkoordinator Prof. Adlkofer auf Anfragen keine Auskünfte mehr.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –