5G-Kleinzellen: schlechte Karten für Mobilfunkgegner (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Montag, 08.06.2020, 14:07 (vor 1534 Tagen)

Wo sich viele Menschen ansammeln werden 5G-Kleinzellen künftig die Versorgung mit Mobilfunkdiensten übernehmen. 5G-Kleinzellen haben nur geringe Reichweite, sind baulich unauffällig klein und werden in großer Zahl montiert. Mobilfunkgegner werden ihre liebe Not damit haben.

Bislang konnten Mobilfunkgegner neue Funkmasten mühelos ausmachen und sich selbst sowie ihre behördlichen Gegenspieler daran abarbeiten, den ungeliebten Neuling wieder los zu werden und weiter weg anderen aufs Auge zu drücken. Dieser Vorgang ist der Nährboden, auf dem die etablierte Anti-Mobilfunk-Szene Jahr für Jahr sowie Funknetz für Funknetz stets dieselben bizarre Ängste anbaut und verstörte Wutbürger erntet. Auf Null wird diese Ernte künftig nicht schrumpfen, aber sie wird voraussichtlich deutlich kleiner ausfallen. Denn 5G-Kleinzellen werden demnächst das Land in einer beispiellosen Dichte überziehen – ohne dass die Bevölkerung davon groß Notiz nehmen wird.

Die regulatorischen Hintergründe für 5G-Kleinzellen sind <hier> beschrieben. Doch wie soll das in der Praxis funktionieren, wenn 5G-Kleinzellen in die vorhandenen Infrastruktureinrichtungen einer Stadt (Lichtmasten, Trafohäuschen, digitale Bushalteanzeigen, Wartehäuschen ...) eingebaut werden sollten. Bislang war es jedesmal ein umständlicher Verwaltungsakt, wollte ein Netzbetreiber auf einer städtischen Liegenschaft einen Funkmasten errichten. Angesichts der zu erwartenden Menge an Kleinzellen würde dieses Verfahren ausufern. Einen Ausweg aus dieser Misere zeigen die Stadtwerke Münster. Diese haben mit der Deutsche Funkturm GmbH (Telekom-Tochter) einen Pakt ausgehandelt, der es dem Netzbetreiber pauschal erlaubt, die Liegenschaften und Infrastruktureinrichtungen der Stadtwerke Münster (nicht zu verwechseln mit denen der Stadt Münster) für die Versorgung der Stadt mit Mobilfunkdiensten zu nutzen. Damit entfällt die umständliche Standortsuche für jeden einzelnen Standort.

Wie aber kann sich ein Netzbetreiber im Wirrwarr städtischer Infrastruktureinrichtungen zurechtfinden, also z.B. herausfinden, ob dort, wo er eine 5G-Kleinzelle installieren möchte, auch ein Wartehäuschen des städtischen öffentlichen Nahverkehrs steht? Hierfür richtet die BNetzA den "Infrastrukturatlas" ein. Dieser ist das zentrale Informations- und Planungstool für den Breitbandausbau in Deutschland. Er enthält die Daten von etwa 1900 Netzbetreibern und stellt diese Daten Unternehmen, aber auch Bund, Ländern, Kreisen und Kommunen im Rahmen des Breitbandausbaus zur Verfügung. Privatpersonen haben auf diese Planungshilfe keinen Zugriff. Ein Mobilfunknetzbetreiber erkennt in dem Atlas Grundstücke und Gebäude, die als Standorte für neue Makrozellen in Betracht kommen, genauso wie Ampeln und Straßenlaternen, die für den kleinzelligen 5G-Ausbau genutzt werden können.

Salopp gesagt wird die Platzierung von Funkzellen, die bislang im Stil exklusiv gefertigter Maßanzüge vonstatten ging, künftig im industriellen Maßstab einer Massenkonfektion stattfinden. Sendemastengegner werden es schwer haben, dieser Entwicklung auch nur ansatzweise folgen zu können. Denn noch während sie eine neue Makrozelle ins Visier nehmen und versuchen eine Bürgerinitiative auf die Beine zu stellen, können ringsum 5G-Kleinzellen unbeachtet aus dem Boden schießen. Die normative Kraft des Faktischen wird sich von Stopp-5G-Aposteln nicht aufhalten lassen. Da diese in Städten ohnehin dünn gesät sind und auf dem flachen Land 5G-Kleinzellen vergleichsweise selten vorkommen werden, zeigt das Modell von Münster mMn einen vielversprechenden Weg, 5G in Deutschland einzuführen, ohne sich mehr als gewohnt mit aufgebrachten Wutbürgern herumschlagen zu müssen.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Kleinzellen, Münster, 5G-Netzausbau


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