Unterrichtung des Europaparlaments: unpräzise & tendenziös (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 08.03.2020, 20:45 (vor 1624 Tagen) @ H. Lamarr

Wer wissen möchte, welchen Kenntnisstand Mitglieder des EU-Parlaments zu 5G & Gesundheitsrisiken haben können, der kommt ums Lesen der Unterrichtung nicht umhin.

Ach du meine Güte, aus meiner Sicht ist die Unterrichtung durch Miroslava Karaboytcheva unpräzise und tendenziös zugunsten von Mobilfunkgegnern. Kein Wunder, dass Diagnose-Funk so entzückt ist und sich zu der weit übertriebenen Interpretation versteigt, der eindeutige Tenor des Papiers sei, aufgrund des Forschungsstandes dürfe 5G nicht eingeführt werden. Das ist natürlich Blödsinn, ein Körnchen Wahrheit aber steckt durchaus in dieser Wertung.

Beispiel für unpräzise: Das Papier erweckt mit schwammigen Formulierungen den Eindruck, 5G arbeite, auch in der gegenwärtig eingeführten Form, mit Millimeterwellen. Stimmt so aber nicht, auch 5G verwendet derzeit allein Mikrowellen, Millimeterwellen kommen erst später. Und ob Parlamentarier das Gerede von Millimeterwellen verstehen, die perplexerweise kurzwelliger sind als Mikrowellen (technisch gesehen ist es genau andersherum), wage ich zu bezweifeln.

Beispiel für tendenziös: Der gesamte Abschnitt "Forschung zu den Auswirkungen von EMF und 5G auf die menschliche Gesundheit" ist für mich stark unausgewogen und liest sich so, als hätte diesen die BioInitiative der Autorin in die Maschine diktiert.

Wie konnte das passieren?

Über die Autorin und deren Qualifikation gibt das www nichts her. Das ist nachvollziehbar, denn wer für den Wissenschaftlichen Dienst des Europaparlaments arbeitet sollte faktisch unsichtbar und unerreichbar sein, um eine Einflussnahme von außen auszuschließen. Deshalb ist auch denkbar, der Name der Autorin ist lediglich ein Pseudonym. Eigenartig ist jedoch, dass eine Unterrichtung des Europaparlaments von der Tragweite der 5G-Unterrichtung offenbar von einer einzelnen Person vorgenommen wurde und nicht, wie es sonst üblich ist, von einer Gruppe. Persönliche Präferenzen können auf diese Weise ungebremst in das Informationspaket einfließen. Bei einer Gruppe von Autoren, die sich dem Konsensprinzip verpflichtet hat, ist dieses Risiko weitaus kleiner. Das weiß aller Voraussicht nach auch der Wissenschaftliche Dienst des Europaparlaments. Doch sollte hinter "Miroslava Karaboytcheva" keine Person stecken, sondern eine Gruppe von Autoren, dann macht das die Sache nicht besser, sondern schlimmer.

Diese Unterrichtung der Europaparlamentarier halte ich für einen Fehltritt, insbesondere wegen einer deutlichen Überbewertung von Risiken, die wissenschaftlich lange bekannt sind, von der überwiegenden Mehrheit der Bioelektromagnetiker jedoch nicht als dramatisch eingestuft werden. Auf Zigarettenpackungen ist zu lesen "Rauchen ist tödlich", davon ist das Risiko "EMF" Lichtjahre entfernt. Zigaretten dürfen in der EU dennoch verkauft werden.

Für Panikmacher wie Diagnose-Funk ist das Papier ein gefundenes Fressen, das sie der Bevölkerung jetzt jahrelang mehr oder weniger verzerrt auftischen werden, so wie es bei der Resolution 1815 des Europarats passiert ist und bei der 2B-Krebswertung der IARC. Das hätte der Wissenschaftliche Dienst des Europaparlaments absehen und mit sorgfältigeren Formulierungen und mehr inhaltlicher Ausgewogenheit dem böswilligen Missbrauch der Unterrichtung weit über das EU-Parlament hinaus einen Riegel vorschieben können. Wir leben schließlich nicht mehr in der Welt von Adenauer und de Gaulle, heute dringen Fake-News-Produzenten, die jede Lücke nutzen, drahtlos oder drahtgebunden bis in die Wohnzimmer von rd. 450 Mio. EU-Bürgern vor.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Missbrauch, Europaparlament, Einflussnahme, Fachkompetenz, Resolution 1815, Karaboytcheva, Ausgewogenheit, Konsens


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