"Phonegate-Skandal": erschreckend hohe SAR-Werte (Technik)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 28.02.2019, 16:56 (vor 2022 Tagen) @ H. Lamarr

Dr. Arazi genügen die acht Modelle der ANFR-SAR-Tabelle nicht, die bei 5 Millimeter Messdistanz zum Körper durchgefallen sind, er will mehr. Dies schafft er einfach dadurch, indem die Messdistanz weiter auf 0 Millimeter reduziert wird, ein Smartphone mit seiner strahlenden Rückseite also direkten Hautkontakt hat. Bei Frauen, die ihr Smartphone im BH mit sich führen, kann so ein Fall eintreten. Die ANFR-SAR-Tabelle nennt in der Spalte "DAS tronc (au contact)" auch diese Werte, dort greift Arazi beherzt zu, und kommt so auf erschreckend hohe SAR-Werte.

Die erschreckend hohen SAR-Werte bei 0 Millimeter Messdistanz bedürfen der Erklärung. Denn es stellt sich die Frage, wieso die ANFR überhaupt diese Werte nennt, ist doch die gegenwärtig gültige Messdistanz zum Körper (nicht zum Ohr!) in Europa auf 5 Millimeter festgesetzt. Die Erklärung ist simpel: Da auf Erden auch Smartphones der Gravitation unterliegen, müssen sie irgendwie festgehalten werden. Üblicherweise hält man ein Smartphone dazu in der Hand, ohne 5 Millimeter Abstand zum Gehäuse einzuhalten, sondern man packt zu und hält es mit 0 Millimeter Abstand. Dies dürfte unstreitig sein. Doch für diese Gebrauchssituation gilt ein anderer Grenzwert, als der allseits bekannte Grenzwerte für Kopf und Rumpf von maximal 2 W/kg. Bei Direktkontakt mit den Gliedmaßen sind maximal 4 W/kg zulässig (aber 20 W/kg bei beruflicher Nutzung!). Aus diesem Grund stuft die SAR-Wert-Tabelle der ANFR Mobiltelefone auch dann als regelkonform ein (conforme), wenn in der Spalte "DAS tronc au contact" Werte deutlich über 2 W/kg erkennbar sind. Wegen des doppelt so hohen zulässigen SAR-Werts für Gliedmaßen sind die von Dr. Arazi gemeldeten erschreckend hohen SAR-Werte bei 0 Millimeter Messdistanz allerdings auch nur halb so erschreckend wie er es gerne hätte.

Dummerweise ist die Spalte "DAS tronc au contact" in der Online-Darstellung der ANFR-Tabelle nicht zu finden. Zu lesen ist dort wegen der zu geringen Spaltenbreite nur "DAS tronc". Zur Orientierung: Die Spalte befindet sich unmittelbar rechts von der Spalte "DAS tronc (à 5mm)".

Exportiert man die SAR-Wert-Tabelle in eine Tabellenkalkulation und sortiert sie neu nach dem höchsten SAR-Werten bei 0 Millimeter Messdistanz, wird deutlich: 46 meist ältere Mobiltelefonmodelle überschreiten den zulässigen SAR-Wert von 4 W/kg. Spitzenreiter ist das 2013 geprüfte Modell POLAROID PRO 881A, das im GSM1800-Modus betrieben auf 7,42 W/kg kam, wogegen es im GSM900-Modus den zulässigen Grenzwert mühelos einhielt. Warum sogar dieses Modell, wie auch die 45 anderen Grenzwertsünder, in der ANFR-Tabelle als regelkonform eingestuft wird, kann ich momentan nicht erklären. Meines Wissens durfte auch 2013 schon der Grenzwert für Gliedmaßen nicht überschritten werden. Eine Messdistanz > Null (siehe Testprotokoll) würde zwar zur Einhaltung des Grenzwerts führen, wäre für Gliedmaßen aber reichlich realitätsfremd gewesen.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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