MedNIS: Kohortenstudie ist keine Kausalitätsstudie (Elektrosensibilität)

H. Lamarr @, München, Montag, 08.04.2024, 23:09 (vor 90 Tagen) @ H. Lamarr

An der Kohortenstudie haben bis 31. Dezember 181 Personen Interesse an einer Teilnahme bekundet.

Da die Anmeldung zu der Kohortenstudie lediglich das Ausfüllen eines Fragebogens (66 Fragen) erfordert, können sich beliebig viele "unechte" EHS anmelden. Die Anzahl 181 ist deshalb nicht belastbar mit "Elektrosensiblen" gleichzusetzen. Zwar kann die Teilnahme an der Studie nach Konsultation eines der sieben MedNis-Vertrauensärzte erfolgen, alternativ und ohne jede ärztliche Mitwirkung ist jedoch auch die Teilnahme allein durch Ausfüllen des Fragebogens gewährleistet.

Darum keine Kausalitätsstudie

Die alte Problematik, dass "Elektrosensibilität" nur durch Selbstdiagnosen der Betroffenen festzustellen ist und kein (seriöser) Arzt die Selbstdiagnose mit anerkannten evidenzbasierten Diagnosekriterien bestätigen kann, weil es solche nicht gibt, hat für die Kohortenstudie von MedNis eine Auswirkung, die man kennen sollte: Auch diese Erhebung kann nicht die Frage beantworten, ob es einen kausalen Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern und den Symptomen gibt oder nicht. Dies räumt MedNis im Jahresbericht 2024 selbst ein und schreibt über die tatsächlichen Ziele der Studie:

Diese Studie zielt auf das Verständnis dieser Bevölkerungsgruppe ["Elektrosensible"; Anm. Postingautor], ihre Erfahrungen und ihr Leiden ab [...]. Die Antworten in den Fragebögen werden dazu dienen, die elektromagnetisch überempfindliche Bevölkerung zu beschreiben, die Assoziationen zwischen elektromagnetischer Hypersensibilität und anderen Gesundheitsproblemen zu erforschen, die Nutzung des Gesundheitssystems durch diese Bevölkerung zu beschreiben und die Entwicklung dieses Zustands im Laufe der Zeit zu dokumentieren. Darüber hinaus wird die Studie die Bedürfnisse von Personen mit elektromagnetischer Hypersensibilität erforschen.

Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen

Die vom MedNis gemeldeten Zahlen zum Jahresende 2023 geben weitere Anhaltspunkte, wie viele EHS "Gelegenheitselektrosensible" sind und wie viele unter den Symptomen so schwer leiden, dass sie ihre Lebensumstände daran anpassen und z.B. in Kellerräumen schlafen. Da es nur um Anhaltspunkte (Größenordnungen) geht und nicht um maximale Genauigkeit, setzen wir die gemeldeten 19 "Untersuchungen" an EHS mit 19 Personen gleich. Es könnten auch weniger sein, wenn einige EHS mehr als 1-mal einen MedNis-Vertrauensarzt aufgesucht haben. Diese 19 Personen haben immerhin die Unbequemlichkeiten und Kosten eines Arztbesuchs in kauf genommen, so dass anzunehmen ist, dass sie ernsthafte Symptome entwickeln, sobald sie sich befeldet sehen.

Die 181 Personen, die sich nur für die Studienteilnahme interessieren, werten wir als "Gelegenheitselektrosensible" ohne schwere Symptome, weil sie allem Anschein nach den Besuch bei einem MedNis-Vertrauensarzt für entbehrlich halten. Über den Daumen gepeilt ergibt das für insgesamt 200 Personen (100 Prozent) die Verteilung:

► 90,5 Prozent der Schweizer "Elektrosensiblen" sind Gelegenheitselektrosensible
09,5 Prozent der Schweizer "Elektrosensiblen" leiden ernsthaft

Wie gesagt, allzu ernst darf man diese Werte nicht nehmen, sie sind lediglich Orientierung und trotz aller Schwächen besser als nichts. Gefühlt sind die Größenordnungen plausibel, ein Zusammenführen mit hier im Forum angestellten ähnlichen Berechnungen dieser Art habe ich mir auf meine entmutigend lange To-do-Liste gesetzt.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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