Pharmafirma geht juristisch gegen Homöopathie-Kritiker vor (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 05.06.2019, 11:38 (vor 1903 Tagen)

Gehen einem die überzeugenden Sachargumente aus, lässt sich ein Meinungsstreit auf der Ebene der Justiz fortsetzen. Ex-Tabaklobbyist Franz Adlkofer ist diesen Weg im Streit um den Fälschungsverdacht gegenüber seinen Mobilfunkstudien ("Reflex"-Projekt) schon mehrfach gegangen, jetzt folgt ihm ein Hersteller von teuren Zuckerkügelchen.

Spiegel-Online berichtete kürzlich (Auszug):

670 Millionen Euro setzen Pharmahersteller in Deutschland pro Jahr mit Homöopathie um. Doch Kritiker drohen, das Geschäft zu vermiesen. Ein bekannter Hersteller überzieht sie nun mit Abmahnungen.
[...]
Konkret geht es um ein Interview mit der "Rheinpfalz", in dem [die Homöopathie-Kritikerin Natalie] Grams auf die Frage: "Machen wir es kurz: Wirken Homöopathika?" antwortete: "Nicht über den Placebo-Effekt hinaus."

Hevert weist dies als falsche Tatsachenbehauptung zurück, wie der Hersteller gegenüber dem SPIEGEL mitteilte. "Die von Frau Dr. Grams in der Rheinpfalz geäußerte Behauptung - Homöopathika wirkten nicht über den Placebo-Effekt hinaus - ignoriert sowohl wissenschaftliche Erkenntnisse aus Studien als auch staatliche Zulassungsverfahren, wie beispielsweise die Nachweispflicht der Wirksamkeit von homöopathischen Arzneimitteln in verschiedenen Indikationen beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Bfarm)."

Tatsächlich müssen Homöopathika zugelassen werden, wenn sie mit einer Indikation verbunden sind, also auf der Verpackung beispielsweise steht: "Die Anwendungsgebiete leiten sich von den homöopathischen Arzneimittelbildern ab. Dazu gehören: Akute Entzündungen des Hals-, Nasen- und Rachenraums". Anders als bei anderen Arzneien reicht für den Wirksamkeitsnachweis aber ein sogenannter Binnenkonsens. Das heißt, es ist ausreichend, wenn Homöopathen die Wirksamkeit bezeugen und sich die Hersteller beispielsweise auf das Homöopathische Arzneibuch berufen.

Nur wenn es um die Behandlung schwerer Erkrankungen geht, wären Studien Voraussetzung für eine Zulassung. Bisher ist aber noch kein homöopathisches Arzneimittel zugelassen worden, bei dem sich der Antragssteller auf eine "zum Beleg der Wirksamkeit geeignete Studie berufen hätte", schreibt das Bfarm im Jahresbericht 2017/2018.
[...]
Dennoch: Juristisch gesehen ist der Wirksamkeitsnachweis erfüllt, selbst wenn sich Homöopathen diesen quasi selbst attestieren können. Der ebenfalls von Hevert abgemahnte Apotheker und Gesundheitswissenschaftler Gerd Glaeske hat die Unterlassungsabmahnung deshalb unterschrieben.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Homöopathie, Abmahnung, Placebo, Gams, Glaeske


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