Die geheimen Gespräche der Pflanzen (II) (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 19.02.2023, 11:14 (vor 570 Tagen) @ H. Lamarr

„Es ist wirklich so, dass Pflanzen miteinander kommunizieren können und dies häufig auch tun“, beginnt Pertot. „Und Pflanzen können mit allen anderen Pflanzen sprechen, sie sind nicht nur auf Gespräche mit ihrer eigenen Art beschränkt.“

Übersetzt in die Sprache unbeirrbarer Mobilfunkgegner bedeutet die Kommunikation von Pflanzen, eine vermeintlich wegen EMF-Einwirkung schwer in Mitleidenschaft gezogene hypochondrisch veranlagte Tanne könnte über hunderte Meter hinweg eine noch gesunde Pappel vor den zerstörerischen Funkwellen warnen und zu Schutzmaßnahmen überreden. Andererseits widerlegt die grüne Kommunikation die Behauptung von Mobilfunkgegnern, Pflanzen wären perfekte Indikatoren für die Schadwirkung von Funkwellen, denn Bäume könnten sich im Gegensatz zu Menschen nicht einbilden, von Funkwellen angegriffen zu werden. Die Kommunikationsfähigkeit von Pflanzen kann in der Mobilfunkdebatte also je nach Überzeugung so oder so interpretiert werden. Doch was stimmt denn nun?

Wahrscheinlich stimmt keine der beiden Interpretationen. Denn so verlockend der Gedanke gesprächiger Bäume auch sein mag, tatsächlich sind die wissenschaftlichen Belege für derartige Behauptungen dürftig und sie werden in der Öffentlichkeit auch noch falsch dargestellt. Dies schreiben drei Expertinnen in dem Fachblatt „Nature Ecology & Evolution“. Sie beobachten zum einen eine Voreingenommenheit der Forschungsgemeinschaft, wenn es um die Nennung positiver Effekte geht – obwohl die funktionelle Rolle von CMNs (Common Mykorrhiza Networks) in Ökosystemen schon seit Jahrzehnten umstritten sei. Hinzu komme eine Welle populärwissenschaftlicher Darstellungen, welche derartige Ungewissheiten zugunsten eines spektakulären Narrativs ignorieren, einzelne Forschungsergebnisse überinterpretieren oder ungenau zitieren.

Wer hätte das gedacht: Die Wood-Wide-Web- und die Mobilfunkdebatte leiden unter denselben Störgrößen und gewaltige Mengen an Spreu versperren der einst gerühmten "Informationsgesellschaft" den Blick auf wenige Weizenkörner. Die World-Wide-Wirrnis hat Konjunktur und nicht wenige Schlauberger, im Schwabenland "Cleverle" genannt, nutzen dies zu ihrem Vorteil.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Wood Wide Web, Pflanzenkommunikation


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