Minianalyse einer Maxianalyse: Das BfS und die Baumschäden (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Samstag, 13.04.2013, 13:19 (vor 4224 Tagen)

Helmut Breunig ist Forstwirt. Doch wer glaubt, der Mann würde sachkundig über seine im Beruf ausgeübten Beobachtungen von Baumschäden im Immissionsbereich von Mobilfunksendern berichten, der täuscht sich. In der April-Ausgabe des Elektrosmog-Report versucht Breunig sich stattdessen als Analyst in der Frage: Das BfS und die Baumschäden.

Die Breunig-Analyse ist frei verfügbar (PDF, 4 Seiten) und erinnert stark an die Werke des Studienkritikers W.K. Das heißt: Auf den ersten Blick wirkt der Text für die Verhältnisse der Szene ungewohnt sachlich, von ernstem Willen nach Aufklärung getragen. Man muss schon genau hinsehen, um die filigran in den Text eingewebten Stimmungsmacher zu erkennen, die über die Gesinnung des Autors Auskunft geben. Üblicherweise sind solche Artikel, die eine unterschwellige Beeinflussung des Lesers zum Ziel haben, eine Domäne der Anti-Mobilfunk-Vereine Diagnose-Funk und "Kompetenzinitiative".

Hier ein Beispiel, wie Breunig die Vorgehensweise von W.K. kopiert. Er schreibt:

Als Grundlage für eine Einschätzung des Risikos durch elektromagnetische Felder auf Pflanzen und Tiere dient dem BfS eine Literatursichtung (Zeitrahmen 1988–2011). Keine der Studien zu Pflanzen hat die hier im Fokus stehende Frage einer möglichen Beeinträchtigung von Bäumen durch Mobilfunksender zum unmittelbaren Gegenstand.

Liest sich ganz vernünftig. Der Trick ist: Das BfS hat - wegen fehlendem begründeten Anfangsverdacht - überhaupt keine "Einschätzung des Risikos" vorgenommen, sondern berichtet lediglich über den Stand des Wissens. Das Wort "Risiko" kommt auf der zugehörigen BfS-Seite nicht einmal vor.

Es stünde mMn dem Amt auch gar nicht gut zu Gesicht, wenn es wegen ulkiger "Baumkasuistiken" einer handvoll organisierter Mobilfunkgegner Steuergelder in die Erforschung eines absurden Projekts stecken würde. Wenn Breunig und Co. ernst genommen werden möchten, müssen Sie mMn in Vorleistung gehen und alberne Baumkasuistiken, wie sie Frau Dr. med. Waldmann-Selsam mit selektivem Blick in Bildersammlungen zusammenbastelt, gegen belastbare und qualitativ kritische Analysen ersetzen (die Bamberger Vollzeit-Mobilfunkgegnerin versuchte sich zuvor mit ebenso dilettantischen Kasuistiken an Menschen). Doch was macht Breunig? Er zeigt lieber mit dem Finger öffentlich aufs BfS, statt dem Amt objektive Daten aus sorgfältigen unvoreingenommenen Beobachtungen zur Verfügung zu stellen. Darin erkenne ich einen weiteren beliebten Trick der organisierten Mobilfunkgegnerei: Es wird der zweite Schritt vor dem ersten gemacht. Hier: Das BfS wird kritisiert noch bevor überhaupt ein halbwegs ernst zu nehmender Anfangsverdacht vorgetragen wurde, schwache EMF könnte in kausalem Zusammenhang mit Baumschäden stehen. Ebenso gut könnten z.B. wildpinkelnde Fussballfans oder andere Hirsche für Baumschäden verantwortlich gemacht werden, auch Treffer durch vereiste "Urinbomben" aus der Luft (Toiletten-Entleerung von Passagierflugzeugen) sind dringendst zu untersuchen. Alles dies blendet Breunig einfach aus. Für ihn und die seinen ist es so sonnenklar, dass Funk Bäume fällt, wie es für für viele tausende mehr klar war, dass am 21. Dezember 2012 die Welt untergeht. Wahnvorstellungen haben viele Gesichter.

Die Stil-Verwandschaft von W.K. und Breunig möge folgendes Zitat aus Breunigs Werk exemplarisch belegen:

Als Ansatz für eine solide hypothetische Modellierung der strahlungsökologischen Verhältnisse bei Bäumen um Mobilfunksender sind die vom BfS referierten Ergebnisse ungeeignet. Denn die Art der Emissionen generiert in Wechselwirkung mit den ökologischen Gegebenheiten die realen Expositionscharakteristika an den Untersuchungsobjekten.

Tja.

Was immer jemanden zu solchen Formulierungen treibt, es könnte daran liegen, dass der Autor zu oft kryptische Ausführungen eines inzwischen pensionierten Mitarbeiters der Universität des Saarlandes bewundert hat.

Die begeisterte Auseinandersetzung mit Breunigs lähmender Analyse überlasse ich gerne Großexperten wie "Hesse".

Nur eines noch, weil es im Elektrosmog-Report und auch sonst in den Szeneberichten typischerweise mit keinem Wort erwähnt wird.

Autor Helmut Breunig ist nicht nur Diplom-Forstwirt, sondern eigenen Auskünften zufolge auch extrem elektrosensibel. Er hat demnach ein vitales Interesse, "Das BfS und die Baumschäden" so zu verfassen, wie er es gemacht hat. Unbestätigten Gerüchten zufolge soll dies Dr. Karl Richter jedoch nicht davon abgehalten haben, seinem neuen wissenschaftlichen Mitarbeiter aus dem Wald die Auswalzung des Themas auf 32 - nein 33 Seiten - angeboten zu haben. Für Heft 9 der berüchtigten Broschürenreihe aus Sankt Ingbert.

Hintergrund Baumschäden durch Funkimmission
Wie irrwitzig die Vermutung ist, Funkwellen mit einer Leistungsflussdichte von wenigen Mikro- oder Milliwatt pro Quadratmeter können Bäume schädigen, mag die Arbeit eines Wissenschaftlers zeigen, der Bäume mit maximal 440 W/m² traktierte - was diese dennoch völlig unbeeindruckt ließ. 440 W/m² sind ungefähr 1 Million mal stärker, als die Felder, bei denen Bäume nach Darstellung von Mobilfunkgegnern angeblich schlapp machen sollen. Pikant: Der besagte Wissenschaftler stand der Mobilfunkgegnerei nahe, konnte der wirren These von Baumschäden dennoch nichts abgewinnen.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
EHS, BfS, Befangen, These, Amateur, Baumschäden, Wirr, Trick, Breunig, Studienbewertung, Steuergeld


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