„Streitfall Mobilfunk“. Die groben Fehler des BUND (Allgemein)

Ikarus, Samstag, 25.09.2010, 17:47 (vor 5159 Tagen)

Im Mai 2010 veröffentlichte der Landesverband Rheinland-Pfalz e.V. des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) eine Broschüre mit dem Titel „Streitfall Mobilfunk – Leitfaden für Initiativen“ in der 3., aktualisierten (!) Auflage. Als Autorin wird Helga Günther vom „Arbeitskreis Elektrosmog der BUND-Landesverbände Rheinland-Pfalz und Hessen“ genannt. Quelle:
http://www.bund-rlp.de/fileadmin/bundgruppen/bundrlp/Elektrosmog/Streitfall_Mobilfunk_3Auflage_2010_01.pdf

Die Broschüre enthält derart viele grobe Fehler und Falschbehauptungen, dass man den Eindruck haben muss, die Zeit sei für die Autorin stehen geblieben. Da der BUND nicht irgend ein x-beliebiger Verein ist, sondern in weiten Kreisen der Bevölkerung parteiübergreifend hohes Ansinnen genießt, blickt man verwundert auf das Geschriebene und reibt sich die Augen. Warum so viele derartig grobe Schnitzer den Weg in die Broschüre fanden, ist mir nicht klar, es gibt doch ganz viel Material zu dem Thema. Die Liste ist nicht vollständig und nicht nach „Schwere“-grad sortiert, die schweren Brummer sind zwischendrin einsortiert.

1.
Seite 4 Mitte: „Die 26. Bundesimmissionsschutzverordnung stellt ausdrücklich nur auf die thermischen Wirkungen des Mobilfunks (z.B. Gewebeerwärmung) und die damit verbundenen Effekte ab“. Das ist grob falsch. In der 26. BImSchV kommt das Wort „thermisch“ überhaupt nicht vor.

2.
Seite 4 unten: „Wo Mediziner Prävention verlangen, besteht aus verfassungsrechtlichen Gründen die rechtliche Verpflichtung der zuständigen staatlichen Organe, Vorsorgemaßnahmen gegen mögliche Schädigungen zu treffen.“
Woher die Autorin ihre Weisheit nimmt, ist mir vollkommen schleierhaft. Man stelle sich vor: Dr.med. X und Dr.med. Y (also „Mediziner“ im o.a. Sinn) verlangen Prävention gegenüber Amalgam und das Bundesgesundheitsministerium wäre verpflichtet, ein Gesetz zu erlassen, um den Einsatz von Amalgam zu vermindern bzw. zu verbieten. Absurd.

3.
Seite 6 Ende oberes Drittel: „Die amtlichen Grenzwerte beziehen sich nur auf Mobilfunksender im Außenbereich.“ Das ist falsch. Die Grenzwerte in der EU-Ratsempfehlung von 1999 beziehen sich auch auf die Teilkörperexposition. Quelle:
http://www.berlin.de/sen/umwelt/umweltratgeber/de/emf/pdf2004/ratsempf_1999-519-eg.pdf

4.
Seite 6, Mitte: „Für den Handy-Empfang wäre eine Leistungsflussdichte von nur 0,01 µW/m² ausreichend.“
Das kann nur dann überhaupt funktionieren (wenn ich das richtig verstehe), wenn entweder alle paar Meter eine Basisstation steht oder die Basisstation so weit weg ist, dass das Telefonieren gerade eben noch möglich ist. Das aber hat zur Folge, dass die „Belastung“ (eigentlich: Immission) der Nutzer maximal wird, weil die Handys mit maximaler Leistung senden müssen (Leistungsnachführung)! Was möchte der BUND denn? Die klare Antwort geben sie selbst:

5.
Seite 6, unteres Drittel: „Grundsätzlich muss die Konzentration von Sendern an einem Ort und die Nähe von Sendern zu Wohngebieten, Schulen und anderen sensiblen Bereichen vermieden werden. Gegebenenfalls ist deren Verlagerung aus Wohngebieten dringend geboten.“
Aha, nun wissen wir das. Der BUND verlangt also, so ist die klare Schlussfolgerung, dass die Masten möglichst weit weg sind und nimmt in Kauf, dass die „Belastung“ der Handynutzer hierdurch maximiert wird. Interessant. Auch interessant ist, dass als Folge die Akkus schneller leer sind und der Stromverbrauch durch häufiges Laden steigt. Wir reden hier nicht über ein paar Watt hier und da, sondern über viele zig MWh pro Jahr in Deutschland, sollte dieses Szenario Wirklichkeit werden (grob überschlagen). Ist das nicht eine für den BUND etwas seltsame Folge seiner Forderung? Oder – vermutlich eher zutreffend – hat da jemand nicht zu Ende gedacht?

(Ich setzte das wohl fort, da kommen noch manche andere komische Sachen).

Tags:
Fehler, Handy, Vetternwirtschaft, Wohngebiet, Flyer, Einflussnahme, Broschüren, Bund-Naturschutz, Sendeleistung, Kommerz, Basisstation, Wohnung, Arbeitskreis, Leitfaden, Hessen, Rheinland-Pfalz, Akku


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