Millimeterwellen-5G in USA möglicherweise Investitionsruine (Technik)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 28.12.2021, 13:55 (vor 913 Tagen)

Mit dem iPhone 12 (Marktstart Oktober 2020) war es in den USA erstmals möglich, mit einem Smartphone 5G im Millimeterwellenbereich zu nutzen. Konkret handelt es sich hierbei um die drei Frequenzbänder n258 (26 GHz), n260 (39 GHz) und n261 (28 GHz) im 5G-Frequenzbereich FR2. Im Downlink sollen diese Bänder Datenraten von bis zu 2 Gbit/s zulassen. Die Lizenzen für diese Bänder wurden in den USA nach und nach mit drei Auktionen im Zeitraum zwischen November 2018 und März 2020 für insgesamt rd. 10,4 Mrd. Dollar versteigert. Außerhalb der USA bietet Apple weder das iPhone 12 noch das aktuelle iPhone 13 mit Unterstützung des Millimeterwellenbereichs an.

Einem Bericht des US-Onlinemagazins SDxCentral zufolge werden sich für den US-Mobilfunknetzbereiber Verizon dessen hohe Investitionen in sein Millimeterwellennetzwerk nicht rentieren. Das Magazin beruft sich auf einen Analysten, der sagt, die Netzabdeckung ist und wird immer das größte Problem bei mmWave sein. Im Mittel habe eine mmWave-Kleinzelle eine Reichweite von 150 Metern wenn Sichtverbindung besteht. Ohne Sichtverbindung habe er in einem Fall eine solche Funkzelle nur bis maximal 15 Meter Abstand nutzen können. Aus alledem schließt der Analyst, dass es für Netzbetreiber immer unwirtschaftlich bleiben wird, ganze Städte mit mmWave-Kleinzellen zu erschließen, einfach deshalb, weil zu viele davon benötigt würden. Das Portal WinFuture bietet eine deutschsprachige Version des SDxCentral-Artikels an.

Kommentar: Die Wertung des Analysten liest sich mMn glaubwürdig, bezieht sich jedoch exklusiv auf die Situation von Verizon in den USA und ist nicht verallgemeinerbar. In unseren Breiten gibt es derzeit keine mmWave-Kleinzellen für öffentlichen Mobilfunk und wenn es sie gäbe, könnten unsere Smartphones nichts damit anfangen. Auch hat mWn kein europäischer Netzbetreiber jemals die Absicht verkündet, ganze Städte mit mmWave-Kleinzellen versorgen zu wollen. Selbst den momentan bei uns montierten Standard-Kleinzellen im 3,5-GHz-Band ist keine flächendeckende Abdeckung zugedacht, sie sollen nur dort zum Einsatz kommen, wo mit sehr hohem Datenaufkommen wegen großer Menschenansammlungen zu rechnen ist (Einkaufszentren, Flughäfen, Bahnhöfe, kulturelle/sportliche Großveranstaltungen ...). An derartigen Hotspots werden sich künftig auch mmWave-Kleinzellen wirtschaftlich betreiben lassen, nicht nur in den USA, sondern überall. Es ist anzunehmen, dass diese simple Überlegung auch dem Management von Verizon bekannt ist und der besagte Analyst möglicherweise von falschen Annahmen ausging. Sobald auch Android-Smartphones mmWave im großen Stil unterstützen, wird sich das Blatt zugunsten von Verizon wenden.

Hintergrund
Liste aller Frequenzauktionen in den USA ab 1994
Liste kommerzieller 5G-Netzwerke in aller Welt (inkl. mmWave-Netze)
Liste der 5G-Frequenzen (FR1 und FR2)

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Netzabdeckung, Hotspot, USA, Lizenzen, 5G, Millimeterwellen, Verizon

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