Adaptive 5G-Antennen: Abschätzung der Maximalimmission (Technik)

rallb, Samstag, 20.03.2021, 17:03 (vor 1200 Tagen)

[Admin: Strang wegen Themenwechsel abgetrennt und Titel geändert am 21.03.2021, 15:00; Absprung hier]

Welche Immission die derzeit zehn Messsonden in Paris messen kann man sich <hier> ansehen. Die gemittelten Messwerte sind samt und sonders belanglos niedrig (< 2 V/m) und keine der Sonden zeigte nach dem 19. März eine nennenswerte Immissionsveränderung gegenüber älteren Messungen. Unklar ist allerdins, ob die Sonden bereits im Nahfeld eines 5G-Breitband-Standorts messen und unter welchen Bedingen sie dies tun (z.B. Montagehöhe einer Sonde). Alles deutet momentan jedoch darauf hin, dass die von Mobilfunkgegnern angekündigte extrem starke Exposition der Bevölkerung durch 5G nur eines der szenetypischen Schauermärchen ist. Mobilfunkgegner orientieren sich gerne an dramatischen Spitzenwerten einer Immission, auch wenn diese nur Sekundenbruchteile andauern. Maßgebend für die Immission sind jedoch wegen der Thermoregulation von Menschen seit eh und je zeitlich gemittelte Messwerte. Die Messsonden erfassen ständig die Immission, mitteln die Messwerte über 6 Minuten hinweg und geben daher pro Stunde zehn Ergebnisse aus.

Verständnisfrage hierzu: Wie viele Messungen innerhalb des 6-Minuten-Intervalls werden denn vorgenommen? Jede Sekunde eine und dann werden 360 Werte gemittelt ? Oder wie kann ich mir das praktisch vorstellen ?

Laut den ersten ANFR-Messreihen entstanden die hohen Expositionen ja nur kurzzeitig für wenige Sekunden während der aktiven Datenanforderung durch den Nutzer. Ist sichergestellt, dass man diese kurzen Phasen mit Traffic nicht „verpasst“ ?

Danke vorab für die Erläuterung.

Tags:
Adaptive Antennen

Adaptive 5G-Antennen: Abschätzung der Maximalimmission

H. Lamarr @, München, Samstag, 20.03.2021, 19:12 (vor 1200 Tagen) @ rallb

Verständnisfrage hierzu: Wie viele Messungen innerhalb des 6-Minuten-Intervalls werden denn vorgenommen? Jede Sekunde eine und dann werden 360 Werte gemittelt ? Oder wie kann ich mir das praktisch vorstellen ?

Ja, genau so. Nur, dass es mutmaßlich weit mehr als 360 Werte sein werden, wenn die Messwerte, wie bei Persondosimetern, im Millisekundentakt hereinkommen. Da aber von den Sonden nicht bloß das Signal auf einer Frequenz beobachtet wird, sondern die Signale in einem großen Frequenzbereich von rd. 6 GHz, was etwas Zeit benötigt, werden es pro Sekunde pro Signal nicht tausend Messwerte sein, sondern deutlich weniger (vielleicht 5 oder 10). Genauere Angaben kann ich Ihnen nicht geben, da mir die technischen Daten der von ANFR verwendeten Sonden nicht bekannt sind. Die Website des Herstellers Exem ist leider nur auf französisch, was mir spanisch vorkommt :-).

Laut den ersten ANFR-Messreihen entstanden die hohen Expositionen ja nur kurzzeitig für wenige Sekunden während der aktiven Datenanforderung durch den Nutzer. Ist sichergestellt, dass man diese kurzen Phasen mit Traffic nicht „verpasst“ ?

Meinen Sie mir erster ANFR-Messreihe diese hier? Da gab es aber keine "hohen" Expositionen im Sinne von Icnirp-grenzwertnah.

Da die Messsonden kontinuierlich messen, nach je 6 Minuten über sämtliche Messwerte eines Intervalls den quadratischen Mittelwert bilden und dann sofort das nächste Messintervall starten, sehe ich nicht, dass Immissionsspitzen verpasst werden. Aber: Durch die Mittelwertbildung werden kurze Immissionsspitzen "eingeebnet". Als Spitzen sind sie im Mittelwert nicht mehr sichtbar, sie heben diesen Mittelwert nur mehr (länger andauernde Spitzen) oder weniger (kürzere Spitzen) minimal an. Manche Mobilfunkgegner erkennen darin Betrug, nach wissenschaftlicher Mehrheitsmeinung, die allein von träge einsetzender thermischer HF-EMF-Wirkung ausgeht, ist das Verfahren jedoch korrekt.

Beliebig hoch dürfen Immissionsspitzen hierzulande dennoch nicht sein. Gemäß 26. BImSchV dürfen sie das 32-Fache des (frequenzabhängigen) Grenzwerts nicht überschreiten. Beispielsweise im 3,5-GHz-Band (Grenzwert 61 V/m) sind somit Immissionsspitzen von bis zu 1'952 V/m dann zulässig, wenn dadurch die über 6 Minuten gemittelte Immission den Grenzwert nicht überschreitet. Wie ich soeben an einem fehlgeschlagenen Rechenexempel ausprobieren konnte, ist es gar nicht so einfach auszurechnen, welche schwache Immission nötig wäre, um so eine Immissionsspitze zu kompensieren. Ein Immissionseinbruch auf 1/32 des Grenzwerts (1,91 V/m) ist es jedenfalls nicht ...

Statt Grenzwert müsste ich eigentlich von abgeleiteten Referenzwerten reden, da die tatsächlichen (Basis-)Grenzwerte anders definiert sind, doch das würde hier und jetzt zu weit führen.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Adaptive 5G-Antennen: Abschätzung der Maximalimmission

rallb, Samstag, 20.03.2021, 19:47 (vor 1200 Tagen) @ H. Lamarr

Vielen Dank, das macht es für mich nachvollziehbarer. Die Immissionsspitzen können also durchaus ein Stück über dem veröffentlichten Effektivwert liegen. Daraus ergeben sich für mich zwei Anschluss-Fragen:

1. Gibt es bei 5G einen definierten Faktor, mit dem man vom gemessenen Effektivwert auf die maximalen Immisionspitzen schließen kann ? Bzgl. LTE findet man ja im Netz Angaben von 10-13dB Crest-Faktor, also dem 10-20 fachen des Effektivwertes. Liegen wir hier in einer ähnlichen Größenordnung?

2. Die üblichen Sendeleistungen der 5G-Anlagen werden im ANFR-Bericht bei 160 bzw. 200 Watt angesetzt. Sind dies die maximal möglichen Spitzen in der Sendeleistung oder ist auch dies als gemittelter Wert zu verstehen ? Oder anders gefragt: Können diese Antennen an einem Messpunkt physikalisch gesehen überhaupt (kurzzeitig) höhere Leistungsflussdichten als 200W/m2 erzeugen ?

Adaptive 5G-Antennen: Abschätzung der Maximalimmission

H. Lamarr @, München, Samstag, 20.03.2021, 21:43 (vor 1200 Tagen) @ rallb

Vielen Dank, das macht es für mich nachvollziehbarer. Die Immissionsspitzen können also durchaus ein Stück über dem veröffentlichten Effektivwert liegen.

Sie können nicht nur, sie dürfen auch.

Daraus ergeben sich für mich zwei Anschluss-Fragen:

1. Gibt es bei 5G einen definierten Faktor, mit dem man vom gemessenen Effektivwert auf die maximalen Immisionspitzen schließen kann ? Bzgl. LTE findet man ja im Netz Angaben von 10-13dB Crest-Faktor, also dem 10-20 fachen des Effektivwertes. Liegen wir hier in einer ähnlichen Größenordnung?

Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, ob der Crest-Faktor von LTE auch für 5G gilt. Da bei adaptiven Antennen, ich gehe davon aus Sie wissen was das ist, zusätzlich zur zeitlichen Schwankung der Immission noch wegen Beamforming die räumliche in deutlichem Ausmaß hinzukommt, vermute ich bei 5G einen noch höheren Crest-Faktor als bei 4G oder eine stärkere Schwankung des Crest-Faktors. Konkret berechnen wird sich das nicht lassen, da die Immission wegen Beamforming zufallsbedingt ist. Schlaue Köpfe in der Schweiz haben aber mit Wahrscheinlichkeitsberechnungen Faktoren ermittelt, um die Mobilfunknetzbetreiber die Sendeleistung ihrer adaptiven Antennen (in Bezug auf nicht-adaptive Antennen) anheben dürfen, ohne dass über die Zeit gemittelt Grenzwerte (in der Schweiz die Anlagegrenzwerte) überschritten werden. Diese Faktoren hängen von der Bauart adaptiver Antennen ab (Stärke des Beamformings) und reichen von 0 dB (herkömmliche Antennen mit 1 bis 7 Elementarantennen) bis 10 dB für adaptive Antennen mit 64 oder mehr Elementarantennen.

2. Die üblichen Sendeleistungen der 5G-Anlagen werden im ANFR-Bericht bei 160 bzw. 200 Watt angesetzt. Sind dies die maximal möglichen Spitzen in der Sendeleistung oder ist auch dies als gemittelter Wert zu verstehen?

Darüber habe ich nie nachgedacht, Leistungsangaben sind üblicherweise aber Effektivwerte. Allerdings wird zuweilen nicht zwischen Sendeleistung und Strahlungsleistung differenziert, beide Begriffe sind nicht synonym.

Oder anders gefragt: Können diese Antennen an einem Messpunkt physikalisch gesehen überhaupt (kurzzeitig) höhere Leistungsflussdichten als 200W/m2 erzeugen?

Sie machen doch nicht etwa aus 200 W Sendeleistung 200 W/m² Leistungsflussdichte?! Oder wie kommen Sie ausgerechnet auf 200 W/m²? Um auf die Strahlungsleistung einer Antenne zu kommen, müssen Sie einerseits Kabeldämpfungen berücksichtigen und andererseits den Gewinn einer Richtantenne z.B. Faktor 50 (17 dB) mit der eingespeisten Sendeleistung multiplizieren. Bei konstanter Sendeleistung steigt die Leistungsflußdichte im Freifeld quadratisch mit der Annäherung an die Antenne, also z.B. Halbieren des Abstands führt zu 4-facher Leistungsflußdichte. Mehr als 200 W/m² sollten also aus meiner Sicht durchaus drin sein, nicht nur kurzfristig, Sie müssen sich dazu einer Antenne nur genug nähern und nicht davor zurückschrecken, den Sicherheitsabstand zu unterschreiten :-).

Mehr als 10 W/m² (gemittelt über 6 Minuten) sind bei Frequenzen >2 GHz für Privatpersonen nicht zulässig, wer im Beruf befeldet wird muss 50 W/m² aushalten. Kurzfristig darf in Deutschland gemäß 26. BImSchV die Leistungsflussdichte auf 320 W/m² ansteigen, solange gewährleistet ist, dass im selben 6-Minuten-Intervall der Grenzwert 10 W/m² nicht überschritten wird.

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Adaptive 5G-Antennen: Abschätzung der Maximalimmission

rallb, Sonntag, 21.03.2021, 09:38 (vor 1199 Tagen) @ H. Lamarr

Ich versuche mein Anliegen noch mal an einem Beispiel zu verdeutlichen. Es gab von einem Ihrer Forumsmitglieder mal einen sehr schönen und anschaulichen Beitrag über den Spitzenwert bei DECT-Telefonen (https://izgmf.de/scripts/forum/index.php?id=55626).Aufgrund der "Äquivalent-Isotropen Strahlungsleistung während des Sende-Pulses" konnte relativ simpel die maximale Immission in einem bestimmten Abstand berechnet werden. Die Strahlungsleistungdichte in 1,5Meter Abstand betrug 18mW/m²(2,6V/m).

Meine Frage ist nun: Ist so eine Rechnung bei 5G-Anlagen auch möglich? Die Sendeleistung EIRP lässt sich ja aus Sendeleistung, Kabeldämpfung, Antennengewinn etc. berechnen bzw. steht ohnehin in den technischen Datenblättern der Bundesnetzagentur. Nach meinem bisherigen Verständnis fehlt als letztes Puzzleteil eigentlich nur noch der Crest-Faktor und schon könnte ich für jeden beliebigen Abstand zur 5G-Anlage das "worst-case"-Szenario berechnen und ggf. mit anderen Feld-Quellen vergleichen.

Der andere Weg wäre ja sich bei den Messwerten aus Frankreich den höchsten Effektivwert in einem bestimmten Zeitraum herauszupicken und diesen mit dem Crest-Faktor zu multiplizieren - auch dann müsste ich ja eine ungefähre Aussage machen können, was am Messpunkt überhaupt maximal ankommen kann -wenn auch nur für einige Sekunden. Was laut den Grenzwerten ankommen darf haben Sie ja bereits beschrieben. Wenn der höchste Effektivwert am Messpunkt also z.B 10mW/m² beträgt und ich einfach mal die 13db Crest-Faktor von LTE ansetze, komme ich auf 200mW/m²(8,7V/m) Spitzenwert.

Freue mich über Korrekturen meiner Berechnungs-Ansätze.:-)

Adaptive 5G-Antennen: Abschätzung der Maximalimmission

H. Lamarr @, München, Sonntag, 21.03.2021, 15:02 (vor 1199 Tagen) @ rallb

Ich versuche mein Anliegen noch mal an einem Beispiel zu verdeutlichen. Es gab von einem Ihrer Forumsmitglieder mal einen sehr schönen und anschaulichen Beitrag über den Spitzenwert bei DECT-Telefonen (https://izgmf.de/scripts/forum/index.php?id=55626).Aufgrund der "Äquivalent-Isotropen Strahlungsleistung während des Sende-Pulses" konnte relativ simpel die maximale Immission in einem bestimmten Abstand berechnet werden. Die Strahlungsleistungdichte in 1,5Meter Abstand betrug 18mW/m²(2,6V/m).

Der Link ist hilfreich gewesen, jetzt habe sogar ich kapiert, worauf Sie hinaus wollen. Ich traue mir jedoch nicht zu, die Immissionsabschätzung, die "Kuddel" für DECT gemacht hat, mal eben schnell auf 5G zu adaptieren. Das Risiko ist mir zu groß, dass ich Ihnen Quatsch erzähle, denn ich kann nicht auf praktische Erfahrung zurückgreifen, sondern müsste mir die Zusammenhänge selbst herleiten und zusammenreimen. Ein riskantes Unterfangen. Zudem habe ich starke Zweifel, welchen Wert ein abgeschätzter "Worst-Case"-Immissionswert bei 5G überhaupt hat. In Deutschland ist eine kurzzeitige grenzwertnahe Befeldung, wenn überhaupt, nur in unmittelbarer Nähe (< 1 Meter) einer Kleinzelle zu erwarten. In der Schweiz isses anders, da könnte so eine Abschätzung die kurzzeitig zulässigen Überschreitungen der niedrigen Anlagegrenzwerte quantifizieren. Aber wozu, wenn diese Überschreitungen die auch in der Schweiz gültigen Immissionsgrenzwerte nicht überschreiten dürfen?

Wegen Beamforming, Strahllenkung und der Sendeleistungsanpassung an die momentanen Bedürfnisse eines Nutzers ist die reale (mittlere) 5G-Befeldung eines Unbeteiligen mit Sicherheit erheblich kleiner als der abgeschätzte theoretisch erreichbare Maximalwert. Diesen Maximalwert in die Diskussion einzubringen birgt mMn das große Risiko einer realitätsfernen Überbewertung der tatsächlich wirksamen Immission. Panikmacher werden mit dem Maximalwert versuchen, irrationale Ängste in der Bevölkerung zu wecken, so wie dies die Schweizer Drama-Queen aus Schwarzenburg schon seit ein paar Jahren mit 5G praktiziert. Auch "Elektrosensible" werden sich an solche Maximalwerte klammern und völlig außer 8 lassen, dass diese situationsbezogen auch nur selten und zudem nur für Sekundenbruchteile vorkommen können. Es ist wie beim Wetterbericht: Wenn es dort heißt, dass das Thermometer nachts in Alpentälern auf bis zu -20 °C fällt, dann nehmen das viele bis hinauf nach Hamburg so wahr, als stünde ihnen allen eine klirrend kalte Nacht bevor.

Meine Einschätzung könnten Sie jetzt missverstehen, dass ich Ihnen absichtlich eine Abschätzung der Maximalimmission durch adaptive 5G-Antennen verweigere. Doch so ist es nicht, es sind allein meine Kompetenzdefizite, die mich daran hindern. Wenn wir Glück haben, finden "Kuddel" oder z.B. "Wellenreiter" diesen Strang und helfen uns beiden aus der Klemme. Denn an einer qualifizierten Abschätzung, so diese überhaupt möglich ist, wäre auch ich schon aus technischer Neugierde interessiert. Schaunmermal.

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Adaptive 5G-Antennen: Abschätzung der Maximalimmission

rallb, Sonntag, 21.03.2021, 16:08 (vor 1199 Tagen) @ H. Lamarr

Kein Problem, dann warten wir einfach ab, bis die Kollegen ihren Weg in den Strang finden. Mich interessierte auch tatsächlich weniger die konkrete Grenzwert-Relevanz als die Grenzen des physikalisch Möglichen aufgrund der technischen Eigenschaften der adaptiven Antennen. Insbesondere auch im Vergleich zu üblichen Feldquellen im Haushalt (WLAN. DECT).

Eine Rückfrage hätte ich aber noch zu ihrem letzten Post:

Der Link ist hilfreich gewesen, jetzt habe sogar ich kapiert, worauf Sie hinaus wollen. Ich traue mir jedoch nicht zu, die Immissionsabschätzung, die "Kuddel" für DECT gemacht hat, mal eben schnell auf 5G zu adaptieren. Das Risiko ist mir zu groß, dass ich Ihnen Quatsch erzähle, denn ich kann nicht auf praktische Erfahrung zurückgreifen, sondern müsste mir die Zusammenhänge selbst herleiten und zusammenreimen. Ein riskantes Unterfangen. Zudem habe ich starke Zweifel, welchen Wert ein abgeschätzter "Worst-Case"-Immissionswert bei 5G überhaupt hat. In Deutschland ist eine kurzzeitige grenzwertnahe Befeldung, wenn überhaupt, nur in unmittelbarer Nähe (< 1 Meter) einer Kleinzelle zu erwarten. In der Schweiz isses anders, da könnte so eine Abschätzung die kurzzeitig zulässigen Überschreitungen der niedrigen Anlagegrenzwerte quantifizieren. Aber wozu, wenn diese Überschreitungen die auch in der Schweiz gültigen Immissionsgrenzwerte nicht überschreiten dürfen?

Inwiefern ist die grenzwertnahe Befeldung nur bei Kleinzellen zu erwarten? Wenn ich jetzt an Dachgeschoss-Wohnungen mit Balkon denke, die direkt gegenüber Basisstationen auf der anderen Straßenseite liegen, so können sich diese ja durchaus am Rande der Sicherheitszone der Antennen befinden und dürften ja bezogen auf den Effektivwert nahe des Grenzwertes befeldet werden, oder ?

Adaptive 5G-Antennen: Abschätzung der Maximalimmission

H. Lamarr @, München, Sonntag, 21.03.2021, 23:52 (vor 1199 Tagen) @ rallb

Inwiefern ist die grenzwertnahe Befeldung nur bei Kleinzellen zu erwarten? Wenn ich jetzt an Dachgeschoss-Wohnungen mit Balkon denke, die direkt gegenüber Basisstationen auf der anderen Straßenseite liegen, so können sich diese ja durchaus am Rande der Sicherheitszone der Antennen befinden und dürften ja bezogen auf den Effektivwert nahe des Grenzwertes befeldet werden, oder ?

Die Antwort auf Ihre Frage finden Sie hier.

Den Grund für die dort geäußerte Sorge steckt im Abstandsgesetz, dem zufolge die Leistungsdichte quadratisch mit sinkendem Abstand zunimmt. Das wird bei Abständen unter 1 Meter dann schnell brenzlig und so nah kann jemand nur Kleinzellen kommen, die bodennah z.B. in Wartehäuschen für öffentliche Verkehrsmittel installiert werden.

Theoretisch ist auch Ihr Beispiel zutreffend, praktisch jedoch nicht. Ich z.B. wohne schräg gegenüber von einem Mobilfunkstandort auf gleicher Höhe der Antennen und wir haben hier bei geöffnetem Fenster Werte im einstelligen mW/m²-Bereich, also etwa Faktor 1000 unter Grenzwert. Nur ein Einzelfall, werden Sie vielleicht einwenden. Stimmt, aber 2012 gab es eine gesammelte Auswertung von Messkampagnen, in der 173'000 Messungen aus 23 Ländern weltweit zusammengetragen wurden (Comparative international analysis of radiofrequency exposure surveys of mobile communication radio base stations). Der höchste Wert wurde seinerzeit (ausgerechnet) in Belgien mit 1,03 W/m² gemessen. Platz zwei war ein Messwert von 0,886 W/m² in Südkorea, Platz 3 ging mit 0,715 W/m² an Deutschland (Messkampagne 2002 bis 2008, GSM900/GSM1800). Insgesamt zeigten rd. 45 Messungen Werte über 0,100 W/m², alle anderen Werte lagen darunter.

Die Wahrscheinlichkeit, dass irgendjemand auf dieser Welt über Grenzwert oder sehr nahe am Grenzwert befeldet wird ist also ziemlich klein. Hinzu kommt, mit der Netzverdichtung sollten die hohen Sendeleistungen aus den Kindertagen des Mobilfunks, die mutmaßlich den Wert in Belgien auf dem Gewissen haben, inzwischen der Vergangenheit angehören, wobei allerdings das Streben nach größerer Bandbreite diesem Trend entgegen läuft.

Der Sicherheitsabstand wird von der BNetzA großzügig berechnet, wie man mir einmal sagte auch unter Randbedingungen, die praktisch nie eintreffen können, z.B. (mit meinen Worten), dass locker befestigte Antennen bei Sturm alle in eine Richtung gedreht werden. Ich behaupte deshalb, Sie können sich Silvester das Feuerwerk auch von einem Balkon gegenüber einem Funkmasten ansehen, ohne allzu grenzwertnah befeldet zu werden :-).

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
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Adaptive 5G-Antennen: Abschätzung der Maximalimmission

Wellenreiter, Sonntag, 21.03.2021, 23:47 (vor 1199 Tagen) @ rallb

1. Gibt es bei 5G einen definierten Faktor, mit dem man vom gemessenen Effektivwert auf die maximalen Immisionspitzen schließen kann ? Bzgl. LTE findet man ja im Netz Angaben von 10-13dB Crest-Faktor, also dem 10-20 fachen des Effektivwertes. Liegen wir hier in einer ähnlichen Größenordnung?

So einfach ist das Ganze nicht. Der Crest-Faktor hat hier nicht notwendigerweise mit der Anlagenauslastung oder irgendwelchen Pausen zwischen Übermittlungsphasen zu tun zu tun. Hier ist einfach gemeint, wieweit ein fluktuierendes Informationsübertragendes Signal aufgrund der Modulierung (z.B. QAM + OFDM) von seinem Leistungs-bewerteten Mittelwert nach oben abweicht. Im Falle eines Crest-Faktors von 10dB liegt der kurzzeitige Spitzenwert der Leistung 10fach über dem Mittelwert, (die Feldstärke nur einen Faktor 3,3). Dieser Mittelwert muss dabei nicht notwendigerweise über sechs Minuten gemittelt sein, das hat mit der Grenzwertgeschichte nicht viel zu tun. Man kann sich das wie ein Rauschen vorstellen. Hier gibt es eben kurzzeitige Signale oberhalb und unterhalb des Mittelwertes.

Wenn Sie jetzt an irgendeiner Stelle eine Effektivleistungsdichte messen, dann fehlt Ihnen die Information, wie stark die Sendeanlage ausgelastet ist. Für 2G-4G gibt es Verfahren zur Extraktion dieser unbekannten Größe. Damit kann dann auf maximale Anlagenauslastung hochgerechnet werden. Hierfür sind aber häufig Code-selektive Messverfahren notwendig. Für 5G befinden sich solche Verfahren in der Entwicklung.

Übrigens: die Grenzwerte der 26. BImSchV sind bei maximaler Anlagenauslastung einzuhalten (Dies ergibt sich aus den Eigenschaften der verbauten Anlage). Unter anderem aus diesem Grund liegen die tasächlichen Immissionen in der Realität deutlich unterhalb der Grenzwerte.

2. Die üblichen Sendeleistungen der 5G-Anlagen werden im ANFR-Bericht bei 160 bzw. 200 Watt angesetzt. Sind dies die maximal möglichen Spitzen in der Sendeleistung oder ist auch dies als gemittelter Wert zu verstehen ? Oder anders gefragt: Können diese Antennen an einem Messpunkt physikalisch gesehen überhaupt (kurzzeitig) höhere Leistungsflussdichten als 200W/m2 erzeugen ?

Hier muss die Richtwirkung berücksichtigt werden. Die in den Datenblättern der BNetzA angegebenen EIRP-Werte sind nach meinem Verständnis Effektivwerte der isotropäquivalenten Strahlungsleistung unter maximaler Anlagenauslastung. Kurzzeitige Modulations-bedingte Überhöhungen sollten damit theoretisch möglich sein.

Adaptive 5G-Antennen: Abschätzung der Maximalimmission

Wellenreiter, Sonntag, 21.03.2021, 22:58 (vor 1199 Tagen) @ H. Lamarr

Beliebig hoch dürfen Immissionsspitzen hierzulande dennoch nicht sein. Gemäß 26. BImSchV dürfen sie das 32-Fache des (frequenzabhängigen) Grenzwerts nicht überschreiten. Beispielsweise im 3,5-GHz-Band (Grenzwert 61 V/m) sind somit Immissionsspitzen von bis zu 1'952 V/m dann zulässig, wenn dadurch die über 6 Minuten gemittelte Immission den Grenzwert nicht überschreitet. Wie ich soeben an einem fehlgeschlagenen Rechenexempel ausprobieren konnte, ist es gar nicht so einfach auszurechnen, welche schwache Immission nötig wäre, um so eine Immissionsspitze zu kompensieren. Ein Immissionseinbruch auf 1/32 des Grenzwerts (1,91 V/m) ist es jedenfalls nicht ...

Hier kommt ja noch der Faktor Zeit ins Spiel. Es ist einfacher auf die Leistungsdichte- bzw. Energiedichteebene zu wechseln. Bei 10W/m2 und einer zulässigen Mittelungsdauer von 360s dürfen Sie sich 10W/m2 x 360s = 3600 J/m2 =3.6kJ/m2 gönnen. Abhängig davon, wie lange Ihr 10000W/m2-Puls (Faktor 32^2 =ca. 1000, in den ICNIRP-Guidelines und der EU-Ratsempfehlung ist der Leistungsbewertete Faktor 1000, daher 10W/m2 x 1000 = 10000W/m2) dauert, können Sie sich anhand der Obergrenze von 3,6kJ/m2 ausrechnen, wieviel Energiedichte Sie für den Rest der Mittelungszeit noch übrig haben. Diesen Wert durch die Mittelungszeit teilen und anschließend die Wurzel daraus ziehen, dann haben Sie Ihre erlaubte Feldstärke für den Rest der Zeit

Adaptive 5G-Antennen: Abschätzung der Maximalimmission

H. Lamarr @, München, Montag, 22.03.2021, 00:15 (vor 1199 Tagen) @ Wellenreiter

Beliebig hoch dürfen Immissionsspitzen hierzulande dennoch nicht sein. Gemäß 26. BImSchV dürfen sie das 32-Fache des (frequenzabhängigen) Grenzwerts nicht überschreiten. Beispielsweise im 3,5-GHz-Band (Grenzwert 61 V/m) sind somit Immissionsspitzen von bis zu 1'952 V/m dann zulässig, wenn dadurch die über 6 Minuten gemittelte Immission den Grenzwert nicht überschreitet. Wie ich soeben an einem fehlgeschlagenen Rechenexempel ausprobieren konnte, ist es gar nicht so einfach auszurechnen, welche schwache Immission nötig wäre, um so eine Immissionsspitze zu kompensieren. Ein Immissionseinbruch auf 1/32 des Grenzwerts (1,91 V/m) ist es jedenfalls nicht ...

Hier kommt ja noch der Faktor Zeit ins Spiel. Es ist einfacher auf die Leistungsdichte- bzw. Energiedichteebene zu wechseln. Bei 10W/m2 und einer zulässigen Mittelungsdauer von 360s dürfen Sie sich 10W/m2 x 360s = 3600 J/m2 =3.6kJ/m2 gönnen. Abhängig davon, wie lange Ihr 10000W/m2-Puls (Faktor 32^2 =ca. 1000, in den ICNIRP-Guidelines und der EU-Ratsempfehlung ist der Leistungsbewertete Faktor 1000, daher 10W/m2 x 1000 = 10000W/m2) dauert, können Sie sich anhand der Obergrenze von 3,6kJ/m2 ausrechnen, wieviel Energiedichte Sie für den Rest der Mittelungszeit noch übrig haben. Diesen Wert durch die Mittelungszeit teilen und anschließend die Wurzel daraus ziehen, dann haben Sie Ihre erlaubte Feldstärke für den Rest der Zeit

Danke für die Nachhilfe, heute für mich leider zu spät. Nach zwei Tassen Jägertee bin ich nicht mehr imstande, Ihren Ausführungen zu folgen ... :lookaround:

Mein Enkel Samu, er ist rd. 1/2 Jahr alt und kriegt noch keinen Jägertee :-), fand übrigens einen anderen "einfachen" Lösungsweg: Pro Sampel mit 1952 V/m braucht es 1023 Sampels mit 0 V/m, damit der Referenzwert von 61 V/m im Mittelungsintervall nicht überschritten wird. Das nachzurechnen schaffte ich gerade noch und, ja, es stimmt.

Jetzt wünsche ich allen: Gute Nacht und einen guten Start in die Arbeitswoche.

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Adaptive 5G-Antennen: Abschätzung der Maximalimmission

rallb, Montag, 22.03.2021, 10:32 (vor 1198 Tagen) @ H. Lamarr

Wow, das ging ja schnell mit dem Input. Wirklich sehr interessant.

Ich würde es dann einfach mal am konkreten Bespiel durchexerzieren.

Ich habe mir von der 5G-Anlage in meiner Straße das Datenblatt besorgt.

Antenne: Huawei / AAU5313

Leistung pro Kanal am Senderausgang [W]: 150

Antennengewinn: 23,8 dbi.

EIRP: 34.363 Watt


Wenn ich jetzt von einem Abstand von 50 Metern ausgehe und die Fernfeldfornel anwende, komme ich auf eine maximale Immission von 1,09 W/m2 Effektivwert bei Vollast (und die volle Sendeleistung in einem Beam in meine Richtung). Ich weiß, dass dies in der Realität nicht vorkommen kann, aber es geht ja um ein theoretisches Maximum.

Jetzt kämen ja noch die beschriebenen „Kurzzeitige Modulations-bedingte Überhöhungen“. Wenn man von den 10db Crest-Faktor ausgeht käme man auf ein absolutes Maximum beim Spitzenwert von 10,90 W/m2. Mehr wäre rein physikalisch nicht mehr möglich.

Ist das so halbwegs korrekt berechnet ?

Adaptive 5G-Antennen: Abschätzung der Maximalimmission

H. Lamarr @, München, Dienstag, 23.03.2021, 00:17 (vor 1198 Tagen) @ rallb

Wow, das ging ja schnell mit dem Input. Wirklich sehr interessant.

Ich würde es dann einfach mal am konkreten Bespiel durchexerzieren.

Ich habe mir von der 5G-Anlage in meiner Straße das Datenblatt besorgt.

Antenne: Huawei / AAU5313

Leistung pro Kanal am Senderausgang [W]: 150

Antennengewinn: 23,8 dbi.

EIRP: 34.363 Watt


Wenn ich jetzt von einem Abstand von 50 Metern ausgehe und die Fernfeldfornel anwende, komme ich auf eine maximale Immission von 1,09 W/m2 Effektivwert bei Vollast (und die volle Sendeleistung in einem Beam in meine Richtung). Ich weiß, dass dies in der Realität nicht vorkommen kann, aber es geht ja um ein theoretisches Maximum.

Jetzt kämen ja noch die beschriebenen „Kurzzeitige Modulations-bedingte Überhöhungen“. Wenn man von den 10db Crest-Faktor ausgeht käme man auf ein absolutes Maximum beim Spitzenwert von 10,90 W/m2. Mehr wäre rein physikalisch nicht mehr möglich.

Ist das so halbwegs korrekt berechnet ?

Ja, mit den von Ihnen getroffenen Annahmen bin ich aufs gleiche Ergebnis gekommen.

Aber ich habe ein äußerst mulmiges Gefühl im Bauch.

► Netzbetreiber beantragen gerne höhere Sendeleistungen, als sie dann tatsächlich benötigen und verwenden. Grund: Stellt sich bei der Beantragung des berechneten benötigten Werts später im Feld heraus, dass dieser nur um 1 W zu klein beantragt wurde, würde eine neue Standortbescheinigung fällig werden. Klar, dass man das vermeiden will. Auch befristetes Hochdrehen der Sendeleistung, um eine ausgefallene Nachbarzelle notdürftig mit zu versorgen, wäre dadurch abgedeckt. Wie hoch der "Sicherheitszuschlag" ist weiß ich nicht, naheliegenderweise weit mehr als 1 W. Mit der beantragten Sendeleistung zu rechnen führt aber auf jeden Fall zu einer Überschätzung der Maximalimmission.

► Wir haben keinerlei Gewissheit, dass der Crest-Faktor 10 dB bei 5G zutrifft. Rohde & Schwarz sieht bei "digitalen" Modulationsverfahren zwar sogar 20 dB als realistisch an, auf die Schnelle konnte ich jedoch nirgendwo Angaben zum Crest-Faktor von 5G-NR-Signalen finden. Die 10 dB sind damit ziemlich aus der Luft gegriffen.

► Die Fernfeldformel geht von Voraussetzungen aus, die vielleicht in der Tundra näherungsweise gegeben sind, ganz bestimmt aber nicht in der realen Welt einer urbanen Umgebung.

► Wahrscheinlich gibt es noch weitere wichtige Einflussgrößen, die wir noch überhaupt nicht auf dem Schirm haben (das habe ich aus dieser Geschichte gelernt).

Womit ich sagen will: Die Idee einer groben Abschätzung der theoretisch möglichen Maximalimmission durch 5G-Antennen finde ich grundsätzlich gut, solange wir aber nicht einmal ansatzweise wissen, wie groß der Fehler dieser Abschätzung ist, sind unsere berechneten Werte, mit denen wir Laien zweifellos beeindrucken können, nur Hausnummern. Bei GSM hätte es wahrscheinlich noch halbwegs funktioniert, bei 5G mit OFDM plagen mich hingegen große Zweifel. Wir sollten mMn so eine Abschätzung Leuten überlassen, die mehr Peilung haben und sich beruflich mit 5G-Exposition beschäftigen. Spontan fallen mir dazu Bornkessel, Enders und Wuschek ein, die aber wohl anderes zu tun haben, als unsere Neugier zu befriedigen ... :-).

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Adaptive 5G-Antennen: Abschätzung der Maximalimmission

rallb, Dienstag, 23.03.2021, 10:28 (vor 1197 Tagen) @ H. Lamarr
bearbeitet von rallb, Dienstag, 23.03.2021, 11:32


Ja, mit den von Ihnen getroffenen Annahmen bin ich aufs gleiche Ergebnis gekommen.

Aber ich habe ein äußerst mulmiges Gefühl im Bauch.

► Netzbetreiber beantragen gerne höhere Sendeleistungen, als sie dann tatsächlich benötigen und verwenden. Grund: Stellt sich bei der Beantragung des berechneten benötigten Werts später im Feld heraus, dass dieser nur um 1 W zu klein beantragt wurde, würde eine neue Standortbescheinigung fällig werden. Klar, dass man das vermeiden will. Auch befristetes Hochdrehen der Sendeleistung, um eine ausgefallene Nachbarzelle notdürftig mit zu versorgen, wäre dadurch abgedeckt. Wie hoch der "Sicherheitszuschlag" ist weiß ich nicht, naheliegenderweise weit mehr als 1 W. Mit der beantragten Sendeleistung zu rechnen führt aber auf jeden Fall zu einer Überschätzung der Maximalimmission.

► Wir haben keinerlei Gewissheit, dass der Crest-Faktor 10 dB bei 5G zutrifft. Rohde & Schwarz sieht bei "digitalen" Modulationsverfahren zwar sogar 20 dB als realistisch an, auf die Schnelle konnte ich jedoch nirgendwo Angaben zum Crest-Faktor von 5G-NR-Signalen finden. Die 10 dB sind damit ziemlich aus der Luft gegriffen.

► Die Fernfeldformel geht von Voraussetzungen aus, die vielleicht in der Tundra näherungsweise gegeben sind, ganz bestimmt aber nicht in der realen Welt einer urbanen Umgebung.

► Wahrscheinlich gibt es noch weitere wichtige Einflussgrößen, die wir noch überhaupt nicht auf dem Schirm haben (das habe ich aus dieser Geschichte gelernt).

Womit ich sagen will: Die Idee einer groben Abschätzung der theoretisch möglichen Maximalimmission durch 5G-Antennen finde ich grundsätzlich gut, solange wir aber nicht einmal ansatzweise wissen, wie groß der Fehler dieser Abschätzung ist, sind unsere berechneten Werte, mit denen wir Laien zweifellos beeindrucken können, nur Hausnummern. Bei GSM hätte es wahrscheinlich noch halbwegs funktioniert, bei 5G mit OFDM plagen mich hingegen große Zweifel. Wir sollten mMn so eine Abschätzung Leuten überlassen, die mehr Peilung haben und sich beruflich mit 5G-Exposition beschäftigen. Spontan fallen mir dazu Bornkessel, Enders und Wuschek ein, die aber wohl anderes zu tun haben, als unsere Neugier zu befriedigen ... :-).

Sie haben Recht, wir fischen in mehrerer Hinsicht im Trüben.

Allerdings treffen ja sämtliche von Ihnen benannten Unsicherheitsfaktoren genauso auf LTE zu bzw. sogar auf GSM, mal abgesehen von der Problematik mit dem Crest-Faktor. Dies würde ja bedeuten: rechnerische Abschätzungen der Maximalimmission von Mobilfunkanlagen sind zumindest bezogen auf den Spitzenwert gar nicht möglich.

Ich frage mich dann nur, wie die Bundesnetzagentur ohne messtechnische Abnahme bei der Standortbescheinigung dann vorab sicherstellen kann, dass die vorgegebenen 1952 V/M auch kurzfristig nicht überschritten werden können.

Adaptive 5G-Antennen: Abschätzung der Maximalimmission

H. Lamarr @, München, Dienstag, 23.03.2021, 23:59 (vor 1197 Tagen) @ rallb

Allerdings treffen ja sämtliche von Ihnen benannten Unsicherheitsfaktoren genauso auf LTE zu bzw. sogar auf GSM, mal abgesehen von der Problematik mit dem Crest-Faktor. Dies würde ja bedeuten: rechnerische Abschätzungen der Maximalimmission von Mobilfunkanlagen sind zumindest bezogen auf den Spitzenwert gar nicht möglich.

Doch, wer alle relevante Größen einer Sendeanlage kennt, z.B. auch die tatsächliche Sendeleistung (und nicht nur deren beantragten Höchstwert), der kann die Immissionen ziemlich genau berechnen. Bei Größen mit Unwägbarkeiten wird einfach konservativ abgeschätzt, um auf der sicheren Seite zu sein. Diejenigen, die alle diese Größen kennen sind die Mobilfunknetzbetreiber. Anders kann es nicht sein, dass in der Schweiz künftig genau so eine Abschätzung der Immission praktiziert wird. Ziel: Gewährleisten, dass während eines Intervalls von 6 Minuten die niedrigen EMF-Anlagegrenzwerte der Schweiz (je nach Trägerfrequenz 4 V/m bis 6 V/m) nicht überschritten werden, obwohl gemäß der im Februar 2021 veröffentlichten Vollzugshilfe die Sendeleistungen adaptiver 5G-Antennen bis zu 10-Mal höher seien dürfen als die herkömmlicher Antennen. Diese Aufgabe löst ein Algorithmus in der Software, welche die Sendeleistung und damit indirekt die Immission steuert. Die Kunst des Programmierers besteht darin die Sendeleistung situationsabhängig so zu steuern, dass die zulässige Maximalimmission von knapp 20 V/m bei höchster Sendeleistung zwar befristet vorkommen darf, am Ende jedes Intervalls die gemittelte Immission den relevanten Anlagegrenzwert jedoch nicht überschreitet. Das Schweizer Bundesamt für Umwelt (Bafu) bestätigte kürzlich die ordnungsgemäße Funktion des Algorithmus' (siehe auch ""Hintergrund" und Post von "Wellenreiter").

Ich frage mich dann nur, wie die Bundesnetzagentur ohne messtechnische Abnahme bei der Standortbescheinigung dann vorab sicherstellen kann, dass die vorgegebenen 1952 V/M auch kurzfristig nicht überschritten werden können.

Die BNetzA kann das berechnen, da sie von den Daten ausgeht, die ein Netzbetreiber mit seinem Antrag auf Standortbescheinigung einreicht und sich nicht dafür interessiert, ob der Antragsteller später die bewilligte Sendeleistung nur teilweise ausschöpft. Hauptsache er überschreitet diese nicht. Die BNetzA geht bei ihren Berechnungen auch anderweitig von ungünstigsten Annahmen aus, um garantieren zu können, dass ihre Standortbescheinigungen zu keiner Befeldung über Grenzwert führen. Das führt dazu, dass bewilligte Sendeanlagen stets deutlich schwächer strahlen als sie dem Papier zufolge dürften. Probieren Sie's aus. Begeben Sie sich bei einer Sendeanlage Ihrer Wahl an den Rand des Sicherheitsabstands (am besten am 31. Dezember um Mitternacht) und messen Sie die Immission. Jede Wette, Sie werden dort nicht den Grenzwert, sondern nur einen Bruchteil davon messen, vielleicht 1/5 oder 1/10, vorausgesetzt Sie messen RMS und nicht etwa Spitzenwert.

Hintergrund
Erläuterungen zu adaptiven Antennen und deren Beurteilung ...

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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