Omnibus-Erhebung 2019: Mobilfunkgegner mit Zugewinnen (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Freitag, 11.09.2020, 00:32 (vor 1480 Tagen) @ Gustav

Aktuell ist Jakob ja recht aktiv, jeden Tag ein neuer Beitrag. Sein neustes Werk ist 5G: Die technische Revolution ohne Revolutionäre

Jakob weigert sich ja bekanntlich und konsequent die Quellen für seine Behauptungen zu liefern. Ich dachte mir, bei der Grafik muss es doch einen Haken geben.

Die Medienmitteilung findet sich hier: Omnibus-Erhebung 2019: Umweltqualität und Umweltverhalten.
Die eigentlichen Daten kann man hier ansehen: Einschätzung der Gefahr von Umweltveränderungen und Technologien

Oh ja, Gigaherz-Jakob liebt diese alle vier Jahre aktualisierte Erhebung und schlachtet sie liebevoll auf seiner Website aus. Die Umfrage 2015 nahm er zum Anlass, fortan mit dem Schlachtruf "4,3 Mio. Schweizer können nicht irren!" seine Truppen über länger als 1 Jahr hinweg bei Laune zu halten. Wir haben zu dieser Erhebung mehrere Stränge im Forum:

Schweiz: Omnibusumfrage 2015 (2016)
960'000 Elektrosmog-Betroffene in einem VW-Bus (2016)
Jakob: 4,3 Millionen Schweizer können nicht irren (2017)

Nun zum Haken - man sehe sich diese Grafik aus der Medienmitteilung an:
[...]
Das sieht doch schon anders aus. Von allen befragten Risiken und Gefahren werden Mobilfunkantennen als am wenigsten gefährlich eingeschätzt. Einzig die Gentechnik in Medizin und Forschung kann einigermassen mithalten.

Ja, unter dieser Wahrheitsillusion litt Jakob auch 2015 schon. Er skandalisiert was bei Drei nicht auf die Bäume geklettert ist.

Laut Medienmitteilung hat der Störfaktor (Grafik G2) von Mobilfunkantennen und Hochspannungsmasten allerdings tatsächlich zugenommen:

Bei der Strahlung, wie sie von Mobilfunkantennen oder Hochspannungsleitungen ausgeht, hat sich der Anteil derjenigen Personen, die sich davon sehr gestört oder eher gestört fühlen, gar mehr als verdoppelt: nämlich von 10% in den Jahren 2015 und 2011 auf 23% im Jahr 2019.

Hört sich schlimm an, mit diesem Wert liegen Antennen und HV-Leitungen aber von den genannten drei Störfaktoren auf dem letzten Platz. Merklich mehr stören sich Schweizer an Luftverschmutzung und Verkehrslärm.

Zeit, die bösen Geister zu verscheuchen
Den Zuwachs bei der Risikowahrnehmung (Mobilfunkantennen, Grafik G4) erkläre ich mir durch den unglücklichen Befragungszeitraum von Anfang Mai bis Anfang Juli 2019. Da war der erste 5G-Netzausbau in der Schweiz schon voll im Gang, ergo auch das zugehörige Gezeter auf allen Kanälen inklusive vieler Online-Petitionen. Hätte die Befragung zwischen zwei Generationswechseln des Mobilfunks stattgefunden, wäre die Risikowahrnehmung wahrscheinlich schwächer ausgefallen.

Insgesamt zeigt der Anstieg beim Mobilfunk gegenüber 2015 aber ziemlich klar, dass in der Schweiz mMn zu wenig getan wurde, um die alteingesessenen Mobilfunkgegner an der ungestörten Verbreitung ihrer Desinformation über angebliche Risiken der Funktechnik zu hindern. Hinzu kommt der weltweite Aufschwung alternativer Medien, die mit alternativen Fakten irrationale Ängste zusätzlich befeuern und so Mobilfunkgegnern in die Karten spielen. Und die ängstlich-zögerliche Haltung des Bundesrates ist auch nicht gerade deeskalierend.

Dabei zeigen hunderte von Beispielen: Wird ein neuer Mobilfunkstandort gegen den wütenden Protest von Anwohnern dann doch realisiert, kollabiert der Protest schnell auf Null und der Vorhang fällt. Denn die Leute registrieren nach der Inbetriebnahme des Standorts intuitiv, dass die Schauergeschichten der Mobilfunkgegner heiße Luft waren und eben nichts passiert, gar nichts. Die Milch im Kühlschrank wird unter Funkeinwirkung nicht früher sauer, der Hund schläft weiter am gewohnten Platz und die Bäume im Garten behalten ihre Nadeln oder Blätter.

Aus meiner Sicht hätte der Anlagegrenzwert trotz oder gerade wegen aller Proteste moderat angehoben werden sollen, nur um der Bevölkerung Gelegenheit zu geben, die Erfahrung sammeln zu dürfen, dass sich – von ein paar unvermeidbaren Nocebo-Opfern abgesehen – absolut keine negativen Gesundheitsfolgen für sie einstellen. Diese Erfahrung würde auch der Anti-Mobilfunk-Szene in der Schweiz den Dämpfer verpassen, den sie schon lange verdient hat, indem ihr Rückhalt in der Bevölkerung schwindet. Der weltweit gefühlt einmalige Spuk, den sich die Schweiz mit ihren Mobilfunkgegnern leistet, dauert schon viel zu lange. Es ist an der Zeit, diese bösen Geister zu vertreiben, bevor sie die Deutungshoheit erringen :-).

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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