Pseudomedizin: Warum dürfen Ärzte Unsinn behaupten? (Esoterik)

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 11.03.2015, 23:54 (vor 3539 Tagen) @ Gast

Darf ein Arzt so etwas? Darf ein studierter Mediziner, der die Lizenz besitzt, den physischen Zustand von Menschen erheblich zu beeinflussen, Ansichten äußern, die der Naturwissenschaft krass widersprechen?

Schlüsselpassagen aus diesem lesenswerten Artikel:

Natürlich und zum Glück reden wir von einer Minderheit an Medizinern, die Impfungen für Vergiftung halten, die Existenz von HIV leugnen oder Krebs als Ausfluss von Seelenpein bezeichnen (weshalb die üblichen Pro-und-Kontra-Sendungen untaugliche Plattformen sind, die Ausgewogenheit suggierieren, indem zwei Diskutanten konträre Positionen vertreten; ein tatsächliches Abbild des realen Meinungsspektrums entstünde nur, wenn ein paar tausend Befürworter der etablierten Medizin ein oder zwei Schrulls gegenübersäßen).
[...]
Man staunt gewaltig, auf wie vielen Sites etablierte Medizin und pseudowissenschaftlicher Quatsch ganz selbstverständlich nebeneinandergestellt werden – was bei Patienten den Eindruck erzeugen muss, all die Strömungen seien gleichberechtigt. Doch es leitet in die Irre, der „angewandten Allgemeinmedizin“ Angebote wie „Orthomolekularmedizin“ als adäquate Partner zur Seite zu stellen. Erstere fußt – bei aller Unzulänglichkeit, die man ihr fallweise unterstellen mag – auf systematischer Forschung, die zweiteren sind, höflich ausgedrückt, wissenschaftlich nicht bewiesen.
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Das wirklich Problematische bei all den Verquickungen von anerkannter Heilkunde mit halbesoterischem Geschwurbel ist, dass die Grenzen zusehends verschwimmen, dass Patienten – zumal, wenn von schwerem Leid und Verzweiflung geplagt – annehmen müssen, eins sei so akzeptiert wie das andere. Schließlich tragen die Erörterungen das Gütesiegel der Doctores der Medizin.
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Es wäre ein gewichtiger Beitrag zur Vermeidung furchtbarer Schicksale, wenn Ärzte schärfer dazu angehalten würden, ihrem Berufsethos und dem Stand der Wissenschaft treu zu bleiben. Leider geschieht eher das Gegenteil. Fragwürdige Lehren sickern in den universitären Betrieb ein und erwecken dadurch den Anschein, akademisch akzeptiert zu sein.
[...]
Dann folgte der Appell an die Ärztekammern, der „Forderung nach Wissenschaftlichkeit in der ärztlichen Tätigkeit und Fortbildung zu entsprechen“. Man plädiere für einen „Verzicht auf Kurse und Vergabe von Diplomen in irrationalen und oftmals esoterischen Diagnose- und Therapieverfahren, allen voran Homöopathie, Antroposophische Medizin, Kinesiologie, Chinesische Diagnostik und Orthomolekulare Medizin“.

Sogleich unterzeichneten die Initiative (www.initiative-wissenschaftliche-medizin.at) rund 60 Wissenschafter, darunter viele Professoren und Primarärzte.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Esoterik, Homöopathie, Pseudowissenschaft, Anthroposophie, Aerztekammer, Kompetenzgefälle


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