Ferguson vs. Obereggersberg (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 26.11.2014, 13:21 (vor 3591 Tagen)

Ferguson, USA: Ein weißer Polizist erschießt angeblich in Notwehr einen schwarzen Jugendlichen. Ob in USA ein solcher Fall vor Gericht kommt, entscheidet eine sogenannte Grand Jury, bestehend aus zwölf Geschworenen (nicht zu verwechseln mit der Jury, die bei Schwurgerichten über die Schuld eines Angeklagten zu befinden haben). Der Grand Jury in Ferguson gehörten neun Weiße und drei Schwarze an. Monatelang beschäftigte sie sich in 25 Sitzungen mit dem fall, vernahm 60 Zeugen (Quelle).

Gestern nun entschied die Grand Jury, der weiße Polizist werde nicht angeklagt. Es sei keine Frage, dass Darren Wilson den Tod von Michael Brown verursacht habe, indem er ihn erschoss. Die Pflicht der Grand Jury aber sei es, die Fakten von Erfundenem zu trennen. Es existiere kein hinreichender Verdacht für irgendwelche Anklagepunkte.

Wer die Nachrichten verfolgt hat weiß, die Entscheidung hat schwere Krawalle in Ferguson und in 170 US-Städten nach sich gezogen.

Die Randalierer wollen sich mit der Entscheidung der Grand Jury nicht abfinden.

Dabei hat ZDF-heute-Mann Claus Kleber gestern Kluges gesagt, als er zu bedenken gab, die Grand Jury hätte gewissenhaft geprüft und es sich leicht machen können, indem sie für eine Anklage gestimmt hätte.

Und was hat das mit Obereggersberg zu tun?

Ich meine, verwandte Verhaltensweisen zu erkennen: Wutbürger lehnen sich gegen Entscheidungen auf, die ihren Interessen/Erwartungen zuwiderlaufen. Und plötzlich sind sich ungewöhnlich viele einig, sich empören zu müssen. Worüber genau weiß man nicht so recht, da diese Haltung jedoch opportun ist, entfällt die Frage nach Rechtfertigung, man macht mit, weil auch andere mitmachen. Auf unerklärliche Weise spielt die tatsächliche Expertise einer Grand Jury oder eines Bundesamtes für Strahlenschutz schlagartig keine Rolle mehr, brave Hausfrauen, rüstige Rentener und andere "Experten" beanspruchen jetzt die Deutungshoheit für sich.

Doch ist das wirklich so unerklärlich, was da passiert? Ich meine, nein. Aus meinen Erlebnissen mit der Anti-Mobilfunk-Szene weiß ich, solche Entwicklungen passieren nicht "einfach so", dahinter stehen Leute, die von allem – Zeit, Geld, Profilneurose oder Machtstreben genug haben, um aus kleinen Flämmchen große Brände zu machen. Will heißen: So etwas sind mMn organisierte oder zumindest verabredete Aktionen, wobei das Aufspüren der Strippenzieher zuweilen alles andere als leicht ist. Im überschaubaren Obereggersberg stellte sich ziemlich schnell die ödp als treibende Kraft der Unruhen heraus. Sie pflügt seit langem den Populismus-Acker Mobilfunkprotest und hofft auf Wählerstimmen. Eine Partei wie die ödp hat es schwer, in die Presse zu kommen. Mit irgendwelchen Anti-Mobilfunk-Aktionen als Trojanisches Pferd gelingt der werbewirksame Medienauftritt dagegen fast immer. Wäre es nicht so, krähte auch bei der ödp kein Hahn nach Grenzwertsenkung und dem anderen Schmarrn. Unglücklicherweise gibt es bei der ödp jedoch keine professionelle Auswertung, ob das Anti-Mobilfunk-Getrommel sich überhaupt je gelohnt und Wähler mobilisiert hat. Dass der "Grüne" Dr. Runge 2013 aus dem bayrischen Landtag abgewählt wurde, obwohl er sich wie kein anderer Politiker für die Belange von Mobilfunkgegnern einsetzte, lässt ernsthafte Zweifel an der These zu, mit Anti-Mobilfunk-Politik wäre Staat zu machen.

In USA ist es aus meiner Sicht ähnlich. Auch dort gibt es Treiber und Antreiber der Proteste, die den Entscheid der Grand Jury nur dazu nutzen, den Staat zu destabilisieren. Ob die Motive edel sind oder nicht, dürfte, was wunder, auf den Standpunkt des Betrachters ankommen.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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