Krankengeschichte des Gitarrensepp (Elektrosensibilität)

H. Lamarr @, München, Freitag, 21.03.2008, 00:36 (vor 5943 Tagen)

Ins hese-Forum hat der 52-jährige Josef Schmitt (Gitarrensepp) seine Krankengeschichte eingestellt. In allen Details schildert er dort sein Leben und Leiden mit einem 110 Meter entfernten Mobilfunk-Sendemast. Da gibt's eine Menge zu lesen, der mMn entscheidende Satz aber steht schon am Anfang:

Ein weiter entfernt wohnender Nachbar fragte mich damals: "Dass ihr euch so etwas hier her bauen lasst?" Und ich gab ihm zur Antwort, so wie eigentlich jeder normal denkende Mensch reagiert: "Wenn es gefährlich wäre, dann dürften sie den Sendemast sicherlich nicht errichten."

Der Gitarrensepp wusste also vom ersten Tag an, dass sich andere von den unsichtbaren Funkwellen bedroht sehen und sich sogar noch wundern, dass er es sich traut, so eine Killermaschine in nur 110 Meter Abstand vor der Nase zu haben. Josef Schmitt hat es mit Sicherheit nicht bewusst wahrgenommen, aber seine Karriere als ES hat an diesem Tag in seinem Unterbewußtsein Premiere gehabt. Typisch dafür sind Sätze wie dieser: Ich war vier Wochen auf Kur, das heißt aus meinem gewohnten Umfeld weg und es ging mir besser. Nachdem ich wieder zu Hause in meinem gewohnten Umfeld war ging es mir sofort wieder schlecht. Logisch, dass es ihm zuhause wieder schlecht erging, er wusste ja, dass er von dem vermeintlich gefährlichen Masten empfangen wird. Auch diesem Fall fehlt trotz dramatischer Schilderung die Beweiskraft, weil der Gitarrensepp eben nicht ausschließen kann, dass er unbeabsichtigt einem Selbstbetrug aufgesessen ist. Klar, er selber sieht dies natürlich völlig anders, der Einwand wird dadurch aber nicht aus der Welt geräumt. Und genau deshalb ist bei wissenschaftlichen Studien eine Verblindung der Probanden erste Pflicht, weil ansonsten der Studie gravierende Anfängerfehler vorgeworfen werden und jede ernstzunehmende Fachzeitschrift eine Publikation ablehnt. Aber davon weiß Gitarrensepp nichts, oder er will es nicht wissen.

Mit 7 mW/m² kann Josef schmitt allerdings beträchtliche Messwerte vorweisen, gemessen vor seinem Haus. Freilich geht aus den Angaben nicht hervor, ob dies Spitzenwerte/Effektivwerte sind und ob die Werte auf maximale Anlagenauslastung hochgerechnet sind. Nicht plausibel sind auch die im Wohnzimmer spektral gemessenen 4,5 mW/m² - normalerweise dämpft Wärmeschutzverglasung wie sie heute üblich ist, die 7 mW/m² im Freien um 99 % auf irgendwelche Werte im unteren Mikrowattbereich.

Ebenfalls eigenartig: Immer wieder erwähnt Schmitt, dass tote Kälber aus der Scheune getragen würden, auf deren Dach der Sender montiert ist. Vermutlich will er damit sagen, die Kälber seien von den Funkfeldern dahingerafft worden, obwohl inzwischen selbst Laien klar ist, dass senkrecht unter einem Sendemasten im Vergleich zum Hauptstrahl nur sehr bescheidene Belastungen auftreten. Im Gegenzug erwähnt Schmitt in seinem langen Text jedoch mit keinem Wort, wie es den Mitbewohnern seines Hauses ergangen ist, die ebenso wie er im Hauptstrahl leben. Dies lässt den Schluss zu: Weder seine Frau noch seine Tochter sind betroffen, allein der Gitarrensepp und noch viel stärker die Kälber spüren die mörderische EMF. Warum nur sie? Plausibilität?

Aus meiner Sicht ist auch Josef Schmitt ein bedauernswertes Opfer der verzerrten Berichterstattung über die angeblich gesundheitsgefährdenden Mobilfunk-Sendemasten. Doch weil er sich dazu berufen sieht, andere zu "Beschützen", indem er sich seit 2003 in die Reihen der öffentlich wahrgenommenen Sendemastengegner stellt und seine Geschichte immer wieder mal erzählt, wird er zugleich zum Täter, der seinerseits neue Opfer nach sich zieht. Wie war das doch gleich wieder mit diesem Teufelskreis: Ein Mops kam in die Küche ...

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Selbstdarstellung, Analyse, Fallschilderung, Geschichte, Drama, Selbstbetrug, Fallgeschichten, Leidensgenosse


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