Umweltinstitut erfindet 4,2-V/m-Vorsorgewert Österreichs (Allgemein)
In der aktuell vom Verein »Umweltinstitut München e.V.« angebotenen Broschüre Mobilfunk-Strahlung (Ausgabe vom Oktober 2014), behauptet der Verein u.a. einen in Österreich geltenden Mobilfunk-Vorgerwert:
Wer dies liest muss glauben, der Oberste Sanitätsrat in Österreich empfehle seit 2010 für Mobilfunk (D-Netze) einen Vorsorgewert von 4,2 V/m, statt der üblichen 45 V/m.
Doch das ist falsch!
Alles deutet darauf hin, das Umweltinstitut München hat sich diesen angeblichen Vorsorgewert des Obersten Sanitätsrats aus den Fingern gesaugt.
Gehen wir auf Spurensuche:
In der Broschüre "Gesichtspunkte zur aktuellen gesundheitlichen Bewertung des Mobilfunks", sie enthält die Empfehlung des Obersten Sanitätsrates in der aktuellen Fassung 05/14, findet sich von einem Vorsorgewert 4,2 V/m keine Spur. Auch nicht in der älteren Ausgabe vom Dezember 2010. Ebenso wenig in den Handy-Empfehlungen des Österreichischen Bundesministeriums für Gesundheit. Die gesamte Website des Ministeriums weiß nichts über diesen angeblich von ihm propagierten Vorsorgewert.
Wo zum Teufel hat das Umweltinstitut München diesen Wert nur her? In solchen Fällen hilft es häufig, die Suche gezielt ungenau zu gestalten, um den gesuchten Treffer nicht unabsichtlich auszuschließen:
"4,2 V/m" Sanitätsrat bringt (gegenwärtig) nur 1 Treffer, von jemand, der den Münchenern auf den Leim gegangen ist.
"4,2 V/m" Österreich bringt (gegenwärtig) vier Treffer, die alle nichts mit dem Ziel der Suche zu tun haben.
"4,2 V/m" Vorsorgewert fördert ebenfalls nur 2 Blindgänger zutage.
Und nun?
Darf man der Suchmaschine glauben, behauptet das Umweltinstitut München als einzige Primärquelle weltweit, es gäbe einen österreichischen EMF-Vorsorgewert von 4,2 V/m. Doch weder das zuständige Ministerium weiß etwas davon noch der zuständige Oberste Sanitätsrat. Zwar ist nicht völlig auszuschließen, dass es irgendwo doch noch ein unbekanntes Papierchen gibt, auf das sich das Umweltinstitut berufen kann, die Wahrscheinlichkeit dafür sehe ich jedoch in der Nähe von Null.
Die vergebliche Suche nach der Quelle der 4,2-V/m-Ente zeigte: Allzu viele sind bislang nicht darauf herein gefallen. Dies schützte Stephan Küster, Sachgebietsleiter Stadtplanung in Schwandorf, Bayern, jedoch nicht davor, es kürzlich doch zu tun. Dokumentiert hat dies die Mittelbayerische vom 12. Mai 2016, die u.a. schrieb:
In Anlehnung an den vom Österreichischen Gesundheitsministerium empfohlenen Vorsorgewert schlug Küster als Schwandorfer Limit die besagten 4,2 Volt pro Meter vor. „Dieser Wert ist ausreichend. Er liegt deutlich unter dem gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwert, lässt aber trotzdem Auswahlmöglichkeiten für die Netzbetreiber zu“, so der Sachgebietsleiter.
Vielleicht sollte man zur Ehrenrettung Herrn Küsters noch anmerken, auf die ominösen 4,2 V/m ist er nicht ganz allein gekommen, er hatte zuvor Besuch von Hans Ulrich, der beim Umweltinstitut München das Geschäft mit der Angst vor Elektrosmog sehr erfolgreich managt. Dem Vernehmen nach war Ulrich abermals erfolgreich und hat die Stadt mit seinen "Beratungsleistungen" um rd. 17'000 Euro erleichtert.
Wenn es nun aber gar keinen vom Österreichischen Gesundheitsministerium empfohlenen Vorsorgewert 4,2 V/m gibt, sondern Herr Ulrich diesen Wert einfach frei erfunden hat, was bleibt dann von den edlen Bemühungen des Herrn Küster, seine Schwandorfer vor angeblichem Ungemach aus der Luft zu beschützen?
Hintergrund
Umweltinstitut München im IZgMF-Forum
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –