Focke et al. 2010 - hartes Brot (Forschung)
Meines Erachtens sprechen die erheblichen Streungen der Tail's allein schon bei den SHAM-Expositionen nicht gerade für einen geeignetes Studiendesign, um schwache Effekte durch Exposition zu finden.
Die "Meßgenauigkeit" ist einfach nicht ausreichend.
Ist fast so, als ob man beim Vergleich 2er Schrot-Gewehre herausfinden möchte, welches "genauer" die Mitte einer Zielscheibe trifft.
Oder als wenn man beim Hausbau nur mit Augenmaß und nicht mit einem Zollstock arbeitet.
Die Streuungen der Werte erscheinen mir wesentlich plausibler ("biologischer") als die seinerzeit von der Wiener Arbeitsgruppe berichteten (in der Größenordnung von unter 1% bis 3% vom Mittelwert). Die von Focke et al. berichteten Abweichungen sind dagegen um ein Vielfaches höher, nämlich zwischen 29% und 53%. Allein dies zeigt eindeutig (zusammen mit den anderen Replikationsversuchen von Scarfi und Speit), dass die von den Wienern publizierten Ergebnisse völlig aus dem Rahmen fallen.
Das Problem liegt aber woanders. Die Kernaussage der Publikation von Focke et al. ist doch, dass gepulste Exposition Schäden verursacht, kontinuierliche hingegen nicht (Zitat aus dem Abstract: ("Our data confirm that intermittent (but not continuous) exposure of human primary fibroblasts to a 50 Hz EMF at a flux density of 1 mT induces a slight but significant increase of DNA fragmentation in the Comet assay, .."). Nur wurde dies, mMn völlig unverständlich, mit höchst unterschiedlichen Anzahlen von Einzelexperimenten belegt. Beispiele: ES-1 Zellen wurden 11-mal auf Effekte durch gepulste Exposition untersucht, hingegen nur 4-mal auf kontinuierliche Exposition; HR-1d Zellen wurden sogar 13-mal auf Effekte von gepulster, hingegen nur 3-mal auf die von kontinuierlicher Exposition getestet. Vollkommen ohne Wertung kann also festgestellt werden, dass die Autoren wesentlich mehr Mühe auf die Erforschung der Effekte gepulster Exposition als auf die der kontinuierlichen Exposition gelegt haben. Warum das so ist, wird in der Publikation allerdings nicht erwähnt.
Damit im Zusammenhang steht ein weiteres, leider für Laien etwas kompliziertes Problem. Die Unterschiede zwischen exponierten und scheinexponierten Zellen wurden jeweils mit dem "gepaarten" t-Test durchgeführt. Dieser Test reagiert auf Unterschiede wesentlich empfindlicher als der "ungepaarte" t-Test, da Streuungen keine so große Rolle spielen.
Ich will mal versuchen, das an einem Beispiel zu verdeutlichen (das allerdings durchaus real ist). Es soll die Wirksamkeit eines neuen Medikamentes zur Senkung von Cholesterin im Blut getestet werden, als Vergleich ist ein herkömmliches Medikament zu testen. Die Probanden werden in zwei Gruppen eingeteilt und erhalten entweder das neue oder das alte Präparat. Ihre Cholesterinwerte werden vor und nach Ende der Therapie bestimmt. Natürlich sind die Cholesterinwerte der Probanden unterschiedlich. Aus diesem Grund wird der Effekt der Behandlung mit einem "gepaarten" t-Test untersucht, d.h. jeder Cholesterinwert "vor" und "nach" Behandlung entstammt ein und derselben Person. Man spricht daher von "abhängigen" Proben.
Wenn hingegen die Cholesterinwerte von zwei Gruppen Menschen verglichen werden sollen, die aus unterschiedlichen Regionen stammen (z.B. Münster und Osnabrück), scheidet ein gepaarter Test natürlich aus, da es sich um unterschiedliche Personen handelt.
Der Witz ist nun, dass die Unterschiede in den Comet-Assays (Tailfactors, siehe Ursprungsposting) mit dem gepaarten t-Test durchgeführt wurde, obwohl es sich eindeutig um unterschiedliche Zellen in den beiden Gruppen (exponiert bzw. scheinexponiert) handelte.
Spielt es denn nun eine Rolle, welcher Test durchgeführt wird, oder ist das nur eine akademische Frage? Es spielt eine große Rolle: Wenn man den (mMn korrekten,) ungepaarten t-Test durchführt, verschwinden die hochsignifikanten Unterschiede komplett! Lediglich bei den HR-1d Zellen bleibt ein schwach signifikanter Unterschied (p<0.05). Aber: Der Wert der scheinexponierten HR-1d Zellen beträgt bei der gepulsten Exposition 7.1, der Wert der scheinexponierten Zellen bei der ungepulsten Exposition hingegen beträgt 11.5 und ist vom ersten Wert (7.1) signifikant verschieden. Auch wiederum ohne Wertung kann festgestellt werden, dass der verbleibende "signifikante" Effekt vermutlich (mit)bedingt wird durch den ungewöhnlich geringen Wert bei der Scheinexposition, die mit Abstand die geringsten Werte unter allen Bedingungen bei diesen Zellen sind.
Hartes Brot, zugegeben. Aber nahrhaft.
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