Neuer Experte rät: Schirmung ist out, zurück zur Natur ist in (Esoterik)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 15.09.2024, 19:04 (vor 73 Tagen)

Der österreichische TV-Desinformationskanal Auf1 hat sich bei dem Schweizerischen Desinformationskanal QS24 bedient und verbreitet unter dem Titel Die Strahlenfalle: Deshalb bedroht Elektrosmog unsere Gesundheit die Quintessenz eines Interviews mit Dr. rer. nat. Burkhard Poeggeler. Dürfen wir dem Neuzugang in der Elektrosmogdebatte Glauben schenken? Ein Faktencheck.

Alldieweil Poeggeler in der Mobilfunkdebatte ein unbeschriebenes Blatt ist, startet der Beitrag bei Auf1 mit einer Aufzählung der Meriten des Naturwissenschaftlers, bevor dessen skurrile, jedoch gesundheitlich gar nicht einmal so abwegige Kernbotschaft verkündet wird, die da lautet:

[...] Dr. Poeggeler betont die Wichtigkeit, die natürliche Schwingungsfrequenz zu verstehen, in die wir Menschen eingebunden sind. Diese Frequenz ist entscheidend für unseren Schlaf, unseren Wachrhythmus und unsere allgemeine Stärke und entspricht einer göttlichen Ordnung.

Allerdings können starke EMF-Felder diese natürliche Ordnung stören, indem sie den Körper an das falsche Feld binden und ihn aus dem Gleichgewicht bringen. Dr. Poeggeler warnt davor, dass die herkömmliche Lösung, nämlich die Abschirmung von EMF, nicht immer die beste Option ist, da dies auch die Verbindung mit der natürlichen Schwingungsfrequenz beeinträchtigen kann.

Stattdessen empfiehlt er, den natürlichen Fluss zu stärken und die Belastung durch Strahlungsquellen zu reduzieren. Ein Ansatz besteht beispielsweise darin, sich vermehrt in der Natur aufzuhalten, wo die natürliche Einbindung optimiert werden kann. [...]

Also wenn Herr Poeggeler das hier meint, dann ist er damit mMn nicht per se auf dem Holzweg.

Schnee aus den 1960er Jahren

In der heutigen Zeit wirkt die naturverbundene Empfehlung des Naturwissenschaftlers neu, obwohl sie es gar nicht ist. Denn ab Mitte des vergangenen Jahrhunderts, als Betonbauten in Deutschland wie Pilze aus dem Boden schossen, erkannte die frühe Baubiologie um einen gewissen Dr. Palm darin Schreckliches. Weil die Stahlarmierung in Beton die natürliche Strahlung daran hinderte, in Wohnungen und Büros einzudringen, erklärten Baubiologen das "Nullfeld" im Innern von Betonbauten zu einem bedrohlichen Gesundheitsrisiko für Menschen. Eine damals gern propagierte unerquickliche Folge des "Nullfelds" war neben allerlei unspezifischen Gesundheitsbeschwerden die Kinderlosigkeit infolge Unfruchtbarkeit. Die Befürworter der Nullfeld-Hypothese gerieten zwar genauso in Erklärungsnot wie heutige Baubiologen in der Mobilfunkdebatte, dennoch zog sich die Nullfelddebatte hin bis in die 90er Jahre. Dann wurde sie von der Mobilfunkdebatte abgelöst und Schirmung, bis dahin Prügelknabe, wurde für die Baubiologie plötzlich zum ertragreichen Geschäft.

Die dunkle Seite des Herrn Poeggeler

Wer sich freiwillig dafür hergibt, bei mMn verrufenen Kanälen wie Auf1 oder QS24 aufzutreten, löst bei verständigen Menschen Misstrauen aus, das sich bei mir mit der kaum nachprüfbaren Aufzählung eindrücklicher akademischer Karrierestationen eher noch verstärkt.

Psiram ist eine gute Adresse, weniger eindrückliche Karrierestationen vermeintlicher Koryphäen ohne mühsame Eigenrecherche ausfindig zu machen. Also habe ich das Wissen von Psiram angezapft und diesen Beitrag gefunden, der Poeggeler in den Dunstkreis der Firma Gabriel Tech rückt. Die im Beitrag genannten Diana Henz und Wolfgang Schöllhorn haben hier im Forum einen ordentlichen Fußabdruck hinterlassen. Die Verbindung mit Gabriel greift Psiram in einem weiteren Beitrag detaillierter auf und Poeggelers Interesse an wundersamen Nahrungsergänzungsmitteln lässt sich hier bestaunen. Aus alledem ziehe ich den Schluss, dass Herr Poeggeler sich für meinen Geschmack zu viel mit pseudowissenschaftlicher Esoterik beschäftigt und er deshalb für mich als nicht ernst zu nehmender neuer Teilnehmer aus der Elektrosmogdebatte ausscheidet.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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