Athem 3 jetzt wissenschaftlich veröffentlicht (Forschung)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 04.06.2024, 22:04 (vor 166 Tagen) @ H. Lamarr

Am 30. Mai 2024 ist die lange erwartete Athem-3-Studie in dem Journal Ecotoxicology and Environmental Safety online erschienen (Open Access). Das Paper, in dem von "Athem 3" keine Rede mehr ist, hat elf Autoren und einen Umfang von zehn Seiten.

Die Studie erschien mit dem Titel Evaluation of oxidative stress and genetic instability among residents near mobile phone base stations in Germany (Volltext). Finanziert wurde sie von dem Verein "Kompetenzinitiative". Die Ergebnisse sind unerwartet unspektakulär und passen mMn nicht zu den Erwartungen, die im Vorfeld von einem Vereinsvorstand geweckt wurden, der von "bahnbrechenden Erkenntnissen" sprach. Die Autoren fanden weder statistisch signifikante DNA-Schäden noch oxidativen Stress, welche(r) auf den Aufenthalt exponierter Personen in der Nähe von Mobilfunk-Basisstationen zurückzuführen wäre(n). Sie fanden auch keine statistisch signifikanten Effekte in Bezug auf spezifische Genparameter. Signifikant erhöht waren hingegen zytogenetische Schäden (Chromosomenaberrationen) bei den Bewohnern mit höherer HF-EMF-Exposition. Diese Anomalien korrelierten negativ mit der Entfernung von der Basisstation und positiv mit deren LTE- und GSM-Signalen.

Ob die beobachteten Chromosomenaberrationen ein Artefakt sind oder sich bestätigen lassen, muss sich erst noch zeigen. So oder so machen sie mir jedoch keinen Kummer, denn Igor Belyaev, Korrespondenzautor der Studie, bekundete bei deren öffentlicher Vorstellung 2022 in Düsseldorf franck und frei vor Laienpublikum, die Ergebnisse der Probandenstudie ließen sich nicht auf die Bevölkerung übertragen.


Schlaglichter der Studie

► Anwohner, die HF-EMF von Basisstationen ausgesetzt waren, wurden auf genetische Instabilität getestet.
► Die jahrelange Exposition hatte keine messbaren Auswirkungen auf bestimmte krebsrelevante Gene.
► Wir fanden ein hohes Maß an Lipidperoxidation und DNA-Läsionen, aber nicht signifikant.
► Chromosomenaberrationen waren in der hoch exponierten Gruppe signifikant stärker ausgeprägt.

Abstract

Die Exposition des Menschen gegenüber hochfrequenten elektromagnetischen Feldern (HF-EMF) ist begrenzt, um thermische Wirkungen im Gewebe zu verhindern. Bei einer Exposition mit sehr geringer Intensität können jedoch "nicht-thermische" biologische Wirkungen wie oxidativer Stress, DNA- oder Chromosomenaberrationen usw., die zusammenfassend als genomische Instabilität bezeichnet werden, bereits nach wenigen Stunden auftreten.

Über chronische (jahrelange) Exposition mit nicht-thermischen HF-EMF ist wenig bekannt. Wir untersuchten zwei benachbarte Wohnsiedlungen in einer ländlichen Region, deren Bewohner entweder relativ niedriger (Kontrollgruppe) oder relativ hoher (Expositionsgruppe) HF-EMF ausgesetzt waren, die von nahe gelegenen Mobilfunk-Basisstationen (MPBS) ausgestrahlt wurde. 24 gesunde Erwachsene, die seit mindestens fünf Jahren in ihren Wohnungen leben, meldeten sich freiwillig. Die Wohnungen wurden auf gängige Arten von EMF untersucht, Blutproben wurden auf den oxidativen Status, vorübergehende DNA-Veränderungen, dauerhafte Chromosomenschäden und spezifische krebsbezogene genetische Marker wie MLL-Gen-Rearrangements getestet. Wir dokumentierten mögliche Störfaktoren wie Alter, Geschlecht, Ernährung, lebenslange Exposition gegenüber ionisierender Strahlung (Röntgenstrahlen), berufliche Exposition usw.

Die Gruppen passten gut zusammen, Alter, Geschlecht, Lebensstil und berufliche Risikofaktoren waren ähnlich. Die jahrelange Exposition hatte keine messbare Auswirkung auf die MLL-Gen-Rearrangements und die Transkriptionsänderung des c-Abl-Gens. In Verbindung mit einer höheren Exposition fanden wir höhere Werte für Lipidoxidation und oxidative DNA-Läsionen, die jedoch statistisch nicht signifikant waren. DNA-Doppelstrangbrüche, Mikronuklei, Ringchromosomen und azentrische Chromosomen waren zwischen den Gruppen nicht signifikant unterschiedlich. Chromosomenaberrationen wie dizentrische Chromosomen (p=0,007), Chromatidenlücken (p=0,019), Chromosomenfragmente (p<0,001) und die Summe der Chromosomenaberrationen (p<0,001) waren in der exponierten Gruppe signifikant höher. Kein potenzieller Störfaktor beeinflusste diese Ergebnisse.

Erhöhte Raten von Chromosomenaberrationen, die mit einer übermäßigen Exposition durch ionisierende Strahlung verbunden sind, können auch bei nicht-ionisierender Strahlenexposition auftreten. Biologische Endpunkte können für die Entwicklung von Strategien zur Expositionsbegrenzung aufschlussreich sein. Weitere Forschungsarbeiten sind erforderlich, um die Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen der Expositionsintensität und der Expositionsdauer zu untersuchen, damit die Anhäufung von Endpunkten nach Jahren der Exposition berücksichtigt werden kann. Wie bereits für ionisierende Strahlung festgestellt, könnten Chromosomenaberrationen zur Festlegung von Schutzschwellen beitragen, da ihre Rate die Expositionsintensität und die Expositionsdauer widerspiegelt.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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