Magda Havas replizierte Kresse-Schülerstudie (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 10.12.2017, 12:33 (vor 2487 Tagen)

Dr. Magda Havas "replizierte" 2016 die berühmt-berüchtigte "Kressestudie" dänischer Schulmädchen und fand, wie bei Havas zu erwarten war, allerhand Schreckliches. Die angeblich wegen Funkeinwirkung gestörte Keimung, die die Schülerinnen 2013 in Anti-Mobilfunk-Kreisen weltbekannt machte, die konnte Havas allerdings nicht feststellen. Sie fand hingegen eine Reduzierung des Trockengewichts von befeldeten Erbsen und Brokkoli und die Haarwurzeln der Pflänzchen kümmerten etwas, einige hatten auch braune Spitzen. Besonders schrecklich: Brokkoli nahe der Emissionsquelle (W-Lan-Router) wuchs von dieser weg in die andere Richtung, als ob er vor der Strahlung flüchten wollte! Möglicherweise hat Havas jedoch nur übersehen, dass in derselben Richtung auch die Fenster des Labors waren. Weitere packende Details der Havas-Kressestudie sind dem Abstract zu entnehmen:

Background: This is a partial replication study of work conducted by high school students in Denmark as part of their science fair project.
Objective: The purpose of this study is to determine whether radiation from a Wi-Fi router affects germination and growth of garden cress (Lepidium sativum), broccoli (Brassica oleracea), red clover (Trifolium pratense) and pea (Pisum sativum).
Method: One set of seeds was placed in Petri plates in a germination chamber kept under controlled conditions and was exposed to microwave radiation generated by a Wi-Fi router (mean and maximum exposures 20–40 and 96 mW/m² respectively). The other set of seeds was kept under identical conditions with no Wi-Fi router (reference) and with much lower microwave exposure (0.0001 mW/m²). Seedlings were harvested after one month and biomass (dry weight) was recorded.
Results: The radiation from the Wi-Fi router did not affect germination of any of the species tested. However, there was a significant reduction in dry weight of the broccoli (86% of control) and peas (43% of control) exposed to Wi-Fi radiation at the end of the experiment (p<0.01). Wi-Fi exposure inhibited root growth of several species. It also caused root tips to turn brown and reduced root hairs of cress compared with the reference treatment. Broccoli seedlings closest to the Wi-Fi router grew away from the router; cress seedlings had larger leaves and were chlorotic compared with controls. Several small plants began to die and mould developed in those Petri plates.
Conclusions: Radiation from Wi-Fi reduces root and shoot growth, contributes to chlorosis, alters size of leaves, and reduces fine root hairs in several on the species tested. Radiation generated by a Wi-Fi router, at levels well below international guidelines for microwave radiation, adversely affects plant growth and may interfere with a plant’s ability to protect itself from opportunistic mould.

Magda Havas, Trent University, Peterborough, Kanada, ist aus meiner Sicht ein Junk-Science-Generator. Ihre Aufgabe ist es, qualitativ minderwertige Elektrosmog-Alarmstudien wie am Fließband zu produzieren. Havas findet immer etwas, keine ihrer "Studien" geht leer aus. Geschäftsleute, deren Geschäftsmodell auf Angst vor Elektrosmog beruht, bekommen mit den Havas-Studien einen beständigen Strom von Argumentationshilfen geliefert, mit denen sich die Angst vor Elektrosmog in der Bevölkerung wach halten lässt. Für die Verbreitung sorgen Anti-Mobilfunk-Vereine und die diversen Kampfblättchen der Szene. Doch in der seriösen Wissenschaft spielen weder Havas noch ihre Arbeiten eine Rolle, ihre Domäne ist die Pseudowissenschaft, Zielgruppe sind nicht Wissenschaftler, sondern fachliche Laien und selbsternannte Experten der Anti-Mobilfunk-Szene. Havas hat bislang knapp 70 Studien fabriziert, eine davon, mit der sie 2013 abermals "Elektrosensible" gefunden haben wollte, musste sie 2014 auf Druck ihrer Universität zurückziehen.

Für organisierte Mobilfunkgegner ist Havas zudem ein Steigbügelhalter, um Laien aus der Szene einen Hauch von Wissenschaft zu verschaffen. Für auf Anerkennung bedachte Selbstdarsteller ist diese künstliche Aufwertung von großer Bedeutung. Konkret funktioniert dies so, dass Havas Laien aus der Szene als Co-Autor in ihren Publikationen benennt. Auf diese Weise schaffte es z.B. Elizabeth (Libby) Kelley, eine organisierte Mobilfunkgegnerin ohne wissenschaftliche Karriere, mit derzeit vier "Studien" in der Forschungsdatenbank Research Gate aufzutauchen, als wäre sie eine Wissenschaftlerin. Denselben Trick versuchten hierzulande einige Mobilfunkgegner wie H. Breunig und C. Waldmann-Selsam. Das Trittbrett war in diesem Fall der spanische Wissenschaftler "Alfonso Balmori". Research Gate kennt zwar die "Studie" dieses Trios, als Autoren sind die "Trittbrettfahrer" Breunig und Waldmann-Selsam (im Gegensatz zu Kelley) der Forschungsdatenbank jedoch nicht bekannt.

Havas versucht bei Laien mit ihrer Position an der Universität Eindruck zu machen, zugleich muss sie jedoch einräumen, dass sich die Hochschule von ihren verschrobenen Ansichten distanziert. Beispiel:

Dear Ms Schulte,
I am a professor and research scientist at Trent University and this Briefing Note is from me and not my university or my program.

Ähnlich erging es Prof. Klaus Buchner. Auch er musste, nachdem es der TU München zu bunt wurde, bei seinen Auftritten als Mobilfunkgegner kund tun, dass er seine private Meinung zum besten gibt und nicht als Repräsentant der TU gilt. Buchner kokettiere bis dahin gerne mit seiner Professur und ließ seine verstörten Zuhörer in dem Glauben, er spreche im Namen der TU. Dieses Spiel mit Autorität ist ein alter bewährter rhetorischer Kunstgriff, um Laien einzuschüchtern und wissenschaftlich unhaltbare Standpunkte vermeintlich glaubwürdiger zu machen.

Hintergrund
Die Kresse-Schülerstudie aus Dänemark und ihre Hintergründe

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
, Havas, Cargo-Kult, Graswurzelbewegung, Steigbügelhalter


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