Jörn Gutbier: Diagnose Brummton (Allgemein)
Leinfelden-Echterdingen hat ungefähr 37'000 Einwohner, drei Dutzend davon wollen einen tieffrequenten Brummton hören, der ihnen das Leben zur Hölle macht. Das Problem erinnert an überzeugte Elektrosensible, die sagen, sie würden unter sehr schwacher Funkeinwirkung unangenehme körperliche Symptome erleben. Sind die Funkwellen wenigstens noch messbar, sieht es bei dem Brummton, der sich in den Medien zu einem beliebten Füllthema für die Saure-Gurken-Zeit entwickelt hat, aus Sicht der Aufsichtsbehörden häufig anders aus. Diese unscharfe Gemengenlage, wenn einige Überzeugte sich gesundheitlich durch diffuse Fremdeinwirkung betroffen sehen und gegenüber dem Rest der Welt auf irgendwelche Rechte pochen, lockt sogenannte Baubiologen an wie das Licht die Motten.
Üblicherweise betreut Jörn Gutbier aus Herrenberg zwar Kunden, die sich von hochfrequenten Mobilfunkfeldern betroffen sehen, doch frei nach dem Motto "Welle ist Welle" ist der Baubiologe jetzt auch in Leinfelden-Echterdingen zur Stelle, um als "Fachmann" den Betroffenen anlässlich der dortigen niederfrequenten Heimsuchung beizupflichten. Denn so wie Gutbier den allgegenwärtigen Mobilfunk für eine Ausgeburt der Hölle hält, hat er keine Zweifel, Brummtonhörer nehmen tatsächlich ein Brummen sinnlich wahr. Als mögliche Urheber sieht er Gasleitungen, Gasverdichtungsanlagen, Wärmepumpen oder Kühlaggregate. Psychische Ursachen sieht Gutbier nicht. Er glaubt zu wissen: "Es kommt von außen und hat eine technische Ursache". Dabei sieht es bei Gutbiers zweitem Standbein, dem Mobilfunk, aus wissenschaftlicher Sicht ganz anders aus: Dort gelten bei "Elektrosensiblen" nach aktuellem Stand der Forschung psychische Ursachen als wahrscheinlichster Auslöser für die wahrgenommenen Symptome. Kein "Elektrosensibler" konnte bislang seine behauptete Strahlenfühligkeit unter strenger wissenschaftlicher Aufsicht nachweisen. Pseudowissenschaftler hingegen attestieren, nicht selten gegen Honorar, reihenweise "Elektrosensibilität", was den Betroffenen solange Erleichterung verschafft, bis sie merken, ein nutzloses Stück Papier in Händen zu halten.
Ebenso wie "Elektrosensible" sind auch "Brummtonhörer" von diversen "Experten" umgeben, die den Betroffenen zu Diensten sind und trügerische Hoffnungen verbreiten, um sich selbst länger im Spiel zu halten. So sind die in den oben verlinkten Quellen geschilderten Untersuchungen für die Untersucher bestimmt ertragreich. Möglicherweise verschlingt die Suche nach Eisbären in der Sahara sogar ein Vermögen. Sinnvoller wäre aus meiner Sicht, von den Betroffenen systematisch Audiogramme ihres individuellen Hörvermögens anzufertigen, und die Werte mit Messwerten vor Ort zu vergleichen, ob ein messbarer Brumm überhaupt die Hörschwelle überschreitet. Erstaunlicherweise ist diese simple Objektivierung in den Medienberichten kein Thema, stattdessen wird dort der zweite Schritt vor dem ersten gemacht: Wie "Elektrosensible" träumen auch "Brummtonhörer" davon, die Politik erfolgreich "unter Druck" setzen zu können. Doch dieser Traum wird mMn nicht in Erfüllung gehen, solange die überwiegende Mehrheit der seriösen Wissenschaft keine Notwendigkeit zum Handeln sieht und die selbsternannten Experten aus dem Umfeld der Betroffenen nicht vertreibt.
--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
Jörn Gutbier: Diagnose Brummton
Gutbier ist doch Architekt, dachte ich zumindest.
Hat er jetzt eine Zusatzausbildung absolviert?
Üblicherweise betreut Jörn Gutbier aus Herrenberg zwar Kunden, die sich von hochfrequenten Mobilfunkfeldern betroffen sehen, doch frei nach dem Motto "Welle ist Welle"
So einfach abtun sollte man die Sache mit dem Brummton nicht!
Steinhöring ist inzwischen ob dieser Sache ziemlich bekannt geworden!
Hier war es ursprünglich der Brummton um inzwischen den Namen zu wechseln und zum Infraschall zu mutieren!
Die Süddeutsche nimmt ebenfalls desöfteren dieses Thema zum Anlass, nach dem Rechten zu sehen!
--
Leben und Leben lassen
Vom Skeptiker zum Rutengeher,
mit Herz, Leib und Seele!
Ich höre was was du nicht hörst
Gutbier ist doch Architekt, dachte ich zumindest.
Hat er jetzt eine Zusatzausbildung absolviert?
Hans, du weißt doch, gegen Zahlung einer Vergütung kannst du dich von diversen Vereinen und "Instituten" privat zum Baubiologen fortbilden lassen. Da diesem Beruf aber die staatliche Anerkennung fehlt, darfst du dich auch ohne jede Fortbildung Baubiologe nennen und den Beruf ausüben.
Ungewöhnlich ist: Jörn Gutbier bringt den Medienberichten zufolge das Brummen mit allerlei technischer Gerätschaft in Verbindung, nicht aber mit seinem Lieblingsfeind Mobilfunk. Üblicherweise haben Herr Gutbier und der Verein Diagnose-Funk keine Hemmungen, Mobilfunk auch mit absurder Argumentation zu bekämpfen.
So einfach abtun sollte man die Sache mit dem Brummton nicht!
Das tut ja niemand, der Fall Steinhöring belegt eindrücklich, wie viel Mühe alle Beteiligten sich bereits gegeben haben - ohne dass etwas Greifbares herausgekommen ist. Bei Nessie wurde noch viel mehr zur Objektivierung unternommen, das Ergebnis sollte bekannt sein.
Es können aber auch leicht Elemente einer Massenpsychose mit im Spiel sein, so wie 2006 in Oberammergau plötzlich gut 100 Bewohner glaubten, unter "Mobilfunkbeschwerden" zu leiden. Mit dem Schlachtruf "Oberammergau ist überall" versuchten damals einige Mobilfunkgegner aus einem Strohfeuer einen Flächenbrand zu machen - erfolglos. Und nachdem die Medien das Thema ausgeschlachtet hatten und abzogen, zog sich die Psychose im Festspielort rasch wieder zurück in ihre Wunderlampe. Initiiert wurde das alles von einer Handvoll Mobilfunkgegner aus Oberammergau und Umgebung.
Die Medienberichte über Brummtonhörer sind mMn nicht schlüssig. Auch bei der Süddeutschen konnte ich keinen Hinweis darauf finden, ob bei Brummtonhörern ein Ohrenarzt untersucht hat, wo bei den Betroffenen die Hörschwelle für Infraschall liegt. Merkwürdig: Stattdessen wird unisono über teure Messungen geschrieben, um die Quelle der angeblichen Tieftöne zu finden. Das kenne ich zur Genüge von "Elektrosensiblen": Auch die reden gerne über alles, nur nicht darüber, ob jemals versucht wurde, ihre gefühlte Strahlenwahrnehmung messtechnisch zu objektivieren. Bei Brummtonhörern sollte so eine Objektivierung schnell und günstig möglich sein, und wenn einer leise Tieftöne reproduzierbar hören kann, dann dürfen Politik und Wissenschaft mMn tatsächlich nicht einfach wegschauen. Andererseits erwarte ich, dass keine Steuern verschwendet werden, wenn eine Objektivierung misslingt, wie dies bei selbstdiagnostizierten Elektrosensiblen regelmäßig der Fall ist.
Auch was die Anzahl der Betroffenen angeht, sind "Elektrosensible" und Brummtonhörer Waffenbrüder, ohne Übertreibung geht da nichts, etwa beim Fall Steinhöring:
"Maier ist einer von etwa 100 Steinhöringern, die das Brummgeräusch wahrnehmen und darunter leiden." (Süddeutsche vom 12. Mai 2016, Autorin Carolin Fries).
"Etwa 40 bis 50 Personen sind es derzeit, die sich über das Brummen beschweren." (Süddeutsche vom 12. Mai 2016, Autor Wieland Bögel).
Oberammergau ist nicht überall, ebenso wenig Steinhöring.
--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –