Das Syndrom ist jede negative Erfahrung wert (Elektrosensibilität)
Dünner als die Texanerin Lizzie Velásquez kann ein Mensch kaum sein. Die 21-Jährige ist knapp 1,60 Meter groß und wiegt nur rund 28 kg. Die Mediziner stehen vor einem Rätsel, denn die extrem untergewichtige Frau schaufelt jeden Tag Pizza, Burger, Chips und Kuchen in sich hinein - insgesamt mehr als das Dreifache des Normalbedarfs - doch keiner weiß, wo diese Unmengen an Energie bei Velásquez hinfließen.
Sie sieht aus wie ein Skelett, über das Haut gespannt wurde, und ihr Leben lang wurde sie wegen ihres Aussehens verspottet oder bemitleidet. Aus dieser Notlage heraus entwickelte sie einen trotzigen und wohl auch nicht ungefährlichen Stolz. An ihrem Zustand würde sie auch dann nichts ändern wollen, wenn es eine Aussicht auf Heilung gäbe, beteuert sie: "Das Syndrom ist jede negative Erfahrung wert. Ich will nicht aussehen wie jede x-beliebige Person. [...] Das ist ein Geschenk, ein riesiges Geschenk, eine Ehre", sagt sie über ihre Krankheit.
Wegen dieser bemerkenswerten Worte der jungen Frau habe ich den Text hier eingestellt. Denn auch einige überzeugte EHS sehen sich als etwas "Besonderes" und scheinen - gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz - die Aufmerksamkeit zu genießen, die ihnen wegen der vermeintlichen Fähigkeit entgegengebracht wird, schwache elektromagnetische Felder zu spüren. Velásquez steht offen zu ihrem Krankheitsgewinn, bei EHS ist mir kein Fall bekannt, wo dies ebenso ist. Vielmehr bestreiten EHS in aller Regel entrüstet, dass ihnen überhaupt ein Krankheitsgewinn zugesprochen werden könne. Überzeugte EHS geben sich durchwegs unter Feldeinfluss leidend, fernab jeden Gewinns. Wer sich davon nicht beirren lässt und die öffentlich dokumentierten Handlungen der Personen eine zeitlang skeptisch verfolgt, wird schnell eines besseren belehrt.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –