Wird weitere Mobilfunk-Forschung für notwendig erachtet? (Allgemein)
WANN SOLL DIE FORSCHUNG ZUR SICHERHEIT DRAHTLOSER KOMMUNIKATION GESTOPPT WERDEN?
Diese Frage wurde fast zum Ende der BioEM im Juni in Davos ausführlich diskutiert.
Joe Morrissey von der Nova Southeastern University, Florida, USA (bis vor kurzem bei Motorola beschäftigt) geht nach seiner Auswertung der vorhandenen Literatur davon aus, dass die Forschung im Bereich nicht-thermischer Effekte zum Ende kommen könnte. Er zieht sich auf die Standpunkte zurück, dass bisher nur Effekte unter dem Einfluss von künstlich (durch Hochfrequenz-Feldeinfluss) erzeugter Wärme eindeutig nachgewiesen wurden, dass die zahlreichen entsprechenden Bewertungen durch internationale Kommissionen sich weitgehend decken und gegen gesundheitliche Einflüsse schwacher Felder im nicht-thermischen Bereich sprechen und dass ein weiteres
„Fischen im Dunkeln“ reine Geldverschwendung wäre.
Dariusz Leszczynski (STUK, Finnland) stellte sich gegen diese Haltung und bemerkte, dass ihm die Bewertungen durch internationale Kommissionen und Gremien oft nur wie ein „Kopieren und Einfügen“ von einem Bericht in den anderen vorkämen. Außerdem stecke in dem „Weight of Evidence“-Ansatz (er meint das „Abwägen von Erkenntnissen für oder gegen ein Gefahrenpotenzial“ anhand der wissenschaftlichen Literatur) nach seiner Ansicht bislang zu wenig „Weight“ („Gewicht“), das heißt Qualität. Er plädierte daher für mehr qualitativ hochwertige Forschung und die Etablierung besserer Qualitätsstandards in der EMF-Forschung.
Christopher Portier* (NIEHS, USA) betrachtete das Problem aus dem Blickwinkel toxikologischer Forschung und dort herrschender Standards. Seiner Ansicht nach wurde das Gefahrenpotenzial elektromagnetischer Felder im Vergleich zu chemischen Stoffen noch nicht adäquat geprüft, und selbst wenn, wäre auch dann weitere Forschung nötig, um den Stand des Wissens ständig überprüfen zu können. Allerdings müsse ein schlüssiges Konzept auf den Tisch, wie die gefundenen, durch Feldeinwirkung ausgelösten biologischen Effekte mit gesundheitlichen Leiden in Verbindung gebracht werden können. Erst dann würde es sich lohnen, weiter in diese Forschung zu investieren.
(* Christopher Portier, ist wie auch Dariusz Leszczynski im Organisationskomitee der "Washington Konferenz")
Die Mehrzahl der Diskussionsredner gab Unterstützung für die Argumente der
letzten beiden Podiumssprecher. In der lebhaft geführten Diskussion wurden unter anderem folgende Positionen vertreten:
- Neben dem Qualitätsargument in der EMF-Forschung gibt es eben auch
ein natürliches Limit für die Nachweisbarkeit von Effekten
- Sinkende Summen für Forschungsförderung in Krisenzeiten machen es nötig,
sich auf die „richtigen“ Bereiche zu konzentrieren.
- Die räumlichen Spitzen-Dosiswerte in Kindern sind nicht wesentlich
verschieden von denen in Erwachsenen, aber neue gemittelte Daten geben
Hinweise darauf, dass für Kinder bei gleicher Ausgangsleistung etwa um den
Faktor 2 erhöhte Dosiswerte gelten.
- EMF sollte in der Risikoforschung nicht wie eine einzelne Chemikalie behandelt werden, sondern wie ein ganzes Arsenal solcher.
- Künftige EMF-Forschung sollte durch eine gemeinsame Belastung aus Geld
der Industrie und der öffentlichen Hand finanziert werden.
Die Teilnehmer der Veranstaltung in Davos, die mit fast 500 Teilnehmern, 74 Vorträgen und 247 Posterbeiträgen ein Zuwachs an Beteiligung gegenüber den letzten Jahren zu verzeichnen hatte, kamen zu folgenden abschließenden Erkenntnissen.
WISSENSCHAFTLICHES FAZIT DES KONGRESSES
- Beide Gesellschaften, vor allem die amerikanisch verankerte BEMS, und die
gesamte Forschung im EMF-Bereich verlagern die Aktivitäten immer mehr in
Richtung medizinischer Anwendungen. Dem entsprechend verlagert sich der
Forschungsschwerpunkt „Mobilfunk“ zunehmend auf andere Bereiche (neben
Medizinanwendungen auch RFID, das heißt elektronische Warenidentifizierung
und –sicherung).
- Der Stellenwert der epidemiologischen Forschung sinkt aufgrund zu großer
methodischer Unsicherheiten, die offenbar nur schwer bewältigt werden
können.
- Der Suche nach möglichen Wirkungsmechanismen für eine Feldwirkung in
den oder an den lebenden Zellen wird wieder mehr Beachtung geschenkt
(hier momentan am meisten diskutiert die Bildung besonders reaktiver
Sauerstoffmoleküle, das heißt „Radikale“, ROS).
- Die EMF-Forschung konzentriert sich immer mehr auf mögliche Wirkungen bei
Kindern, Jugendlichen und dem ungeborenen Leben. Hier liegt der Schwerpunkt
zur Zeit deutlich im Bereich der Dosimetrie, die auch
allgemein ein dominierendes Thema bei der Tagung war (vor allem in
Posterpräsentationen).
- Vom Vorkommen „athermischer“ biologischer Effekte wird immer wieder
berichtet, wenn auch weitaus in der Minderzahl der Untersuchungen und dann
fast immer ohne Bezug zu gesundheitlichen Auswirkungen.
- Der Ruf nach toxikologischen Standards für den Bereich der EMF-Forschung
sowie nach dem meist fehlenden Nachweis einer Verbindung zwischen
biologischen Effekten und gesundheitlichen Auswirkungen (beziehungsweise
mehr Konzentration auf solche Nachweise) wird lauter im Sinne einer
Voraussetzung für weitere sinnvolle Forschungsanstrengungen und das dafür
nötige finanzielle Engagement. Die grundsätzliche Notwendigkeit weiterer
Forschung im EMF-Bereich wird jedoch nicht in Frage gestellt.
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- Wird weitere Mobilfunk-Forschung für notwendig erachtet? -
Doris,
21.08.2009, 23:06
- Wird weitere Mobilfunk-Forschung für notwendig erachtet? - Sektor3, 22.08.2009, 10:53