Lennart Hardell stellt neuen Forschungsantrag bei Pandora (Forschung)

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 24.12.2014, 10:23 (vor 3623 Tagen)

Das deutsche Krebsforschungszentrum distanziert sich in einem Ethikkodex deutlich gegenüber der Tabakindustrie. Doch was ist zu tun, wenn ein führender Ex-Tabaklobbyist wie der Deutsche Franz Adlkofer einem Forscher mit finanzieller Unterstützung winkt? Für den schwedischen Krebsforscher Lennart Hardell ist Adlkofers Vergangenheit kein Grund, nicht um dessen finanzielle Unterstützung zu bitten. Erstmals geschah dies im Juni 2011, damals ging es um vergleichsweise bescheidene 51'000 Euro.

Im November 2014 soll nun einer Meldung von Adlkofers Stiftung Pandora zufolge Prof. Hardell erneut um finanzielle Unterstützung gebeten haben. Details, z.B. über den Betrag, werden in der Meldung nicht genannt. Angesprochen wird stattdessen unfreiwillig das größte Problem der Forschergruppe Hardell:

Im November 2014 legte Professor Hardell der Stiftung Pandora einen weiteren Forschungsantrag mit der Bitte um Förderung vor, dessen Grundlage im Wesentlichen die Ergebnisse des u. a. von der Stiftung Pandora geförderten Erstantrags sind.

Seit langem wird Hardell vorgeworfen, durch wiederholtes Auswerten einmal unter umstrittenen Umständen erhobener Daten sich quasi am laufenden Band selbst zu bestätigen und in Wahrheit keine wirklich neuen Erkenntnisse beizusteuern. Gegen die alarmierenden Ergebnisse Hardells sprechen die Ergebnisse anderer Forschergruppen (z.B. Little, 2012, Deltour, 2009) und auch die IARC zweifelt seit 2014 öffentlich an ihrer eigenen 2B-Wertung des EMF-Risikos. Es ist also keineswegs so, dass Hirntumoren aufgrund intensiven Handygebrauchs als erwiesen gelten können, ebenso wenig lässt sich verbindlich ausschließen, Handys hätten keinerlei Auswirkungen auf die Hirntumorinzidenz. Da aber bereits heute das (alarmierende) Ergebnis von Hardells beabsichtigter Neuauswertung seines Datenbestands fest steht, kann diese Arbeit des Schweden keinen substanziellen Fortschritt in die Mobilfunkdebatte einbringen. Anders die internationale auf 30 Jahre angelegte Langzeitstudie "Cosmos", die seit einigen Jahren läuft und die mit einem gänzlich anderen Forschungsansatz den Streit über das Risiko Mobilfunk mMn entscheiden wird. Bis dahin werden jedoch noch Jahre der Ungewissheit vergehen, in denen Interessengruppen (z.B. Adlkofer et al.) versuchen werden, die öffentliche Meinung in ihrem Sinne zu beeinflussen. Auffällig bei Adlkofer ist sein Drang, die Öffentlichkeit mit Alarmmeldungen über angebliche Mobilfunkrisiken zu beunruhigen. In seiner Zeit als Tabaklobbyist praktizierte er das Gegenteil: Damals spielte er die Risiken des Rauchens herunter.

Lennart Hardell als bedeutungslose Randfigur abzustempeln würde ihm jedoch nicht gerecht. Er hat mit seinen Studien die 2B-Entscheidung der IARC maßgebend mit bestimmt. Auch hat ein hohes italienisches Gericht einem Vieltelefonierer, der einen Hirntumor bekam, unter Bezug auf Hardell eine BU-Rente zugesprochen.

Umso erstaunlicher ist es, dass der schwedische Wissenschaftler angeblich große Mühe hat, seine Forschungen zu finanzieren. Franz Adlkofer schreibt dazu:

Industrie und Politik verweigern offensichtlich aus Angst vor den Ergebnissen seit mehr als einem Jahrzehnt jede Unterstützung der Arbeitsgruppe.

Diese populistische Einschätzung passt perfekt zu den Verschwörungtheorien, die in der Anti-Mobilfunk-Szene gerne zur Erklärung unerquicklicher Entwicklungen an die eher schlicht gestrickten Teilnehmer der Szene gereicht werden. Doch so plump wie von Adlkofer dargestellt ist es mit Sicherheit nicht. Viel wahrscheinlicher ist aus meiner Sicht die Einschätzung bei potentiellen Geldgebern, dass Hardell mit seinem inzwischen ausgeleierten Forschungsansatz keine neuen Impulse mehr setzen kann und Fördermittel deshalb besser anderweitig verplant werden.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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Forschung, Finanzierung, Spendenaufruf, Hardell, Stiftung-Pandora, Distanzierung, Kodex, Geldgeber, Krebsforschung, Interessenbindungen

Internationale NGOs fordern angeblich Gruppe-1-Einstufung

H. Lamarr @, München, Samstag, 27.12.2014, 16:44 (vor 3620 Tagen) @ H. Lamarr

Im November 2014 soll nun einer Meldung von Adlkofers Stiftung Pandora zufolge Prof. Hardell erneut um finanzielle Unterstützung gebeten haben.

Dort wird auf ziemlich dreiste Art und Weise die Angst der Leute vor Funkwellen geschürt:

Aus der Liste der Arbeiten, die u. a. von der Stiftung Pandora gefördert und von Professor Hardell und Kollegen 2014 publiziert wurden, ergibt sich als Schlussfolgerung, dass die kanzerogene Wirkung der Mobilfunkstrahlung beim Menschen als nahezu gesichert angesehen werden muss.

Die unanständige Absicht des Verfassers dieser Zeilen wird wieder einmal an dem kaschierenden Begriff "Mobilfunkstrahlung" deutlich. Franz Adlkofer benutzt diesen im Zusammenhang mit Krebsverdacht unpassenden Begriff trotz mehrfacher Kritik weiter und weckt damit bei Laien unbegründete Ängste gegenüber Mobilfunk-Sendemasten.

Über die fachlich Qualität der frechen Behauptungen auf der Pandora-Seite ist mit Blick auf die Stellungnahmen erheblich glaubwürdigerer Expertenkommissionen bereits alles gesagt was zu sagen ist.

Weiter heißt es bei Pandora bedeutungsschwer und inklusive orthografischen Fehler:

Im Gegensatz dazu sind diese für nicht-staatliche internationale Organisationen sind Anlass, von der Internationalen WHO-Agentur für Krebsforschung zu fordern, dass die Hochfrequenzstrahlung in ihrer Warnliste als ‚erwiesenes menschliches Karzinogen’ in Gruppe 1 ausgewiesen wird.

Sich in Begleitung vermeintlich wichtiger Mitstreiter zu positionieren, ist ein bekannter Trick, sich wichtiger zu machen als man bei Licht besehen tatsächlich ist. Auch die Anti-Mobilfunk-Szene bedient sich dieses Tricks gerne und häufig. Wer also sind die "nicht-staatlichen internationalen Organisationen", denen das 2B-Votum der IARC-Arbeitgruppe nicht genügt? Google gibt Auskunft und die nennenswerte Ausbeute aus den ersten 30 Treffern ist deprimierend bescheiden:

  • International EMF Alliance - ein Beispiel für die Bedeutung dieses Papiertigers mit Laienbesetzung gibt es hier.
  • Lennart Hardell's blog - dazu bedarf es keines Kommentars, bis darauf, dass Lennart Hardell selbst 2011 in Lyon weder für die Einstufung in Gruppe 1 noch in Gruppe 2A, sondern für 2B gestimmt hat.
  • EM Radiatin Research Trust - Website der überzeugten britischen "Elektrosensiblen" Eileen O'Connor.
  • BioInitiative - Die BioInitiative ist eine Autorengruppe von derzeit 27 mobilfunkkritischen Wissenschaftlern, die unter der Herausgeberin Cindy Sage (eine US-Baubiologin) ihre Einschätzung des EMF-Risikos in Form von "Reports" nicht gezielt in die wissenschaftliche Diskussion einspeisen (wo sie mMn wegen fachlicher Voraussetzungen hin gehören), sondern (gratis) in die Öffentlichkeit tragen.

Fazit: Von bekannten NGOs wie Greenpeace, Ärzte ohne Grenzen, WWF (World Wide Fund for Nature), Nabu oder Human Rights Watch keine Spur. Pandoras Zeugen für eine Hochstufung des EMF-Krebsrisikos von 2B auf 1 sind mehrheitlich unqualifizierte Mikrovereine, die mit hübschen Websites bestenfalls Laien beeindrucken können. Lennart Hardell scheidet wegen Voreingenommenheit grundsätzlich aus, so dass allein die sogenannte BioInitiative übrig bleibt. Doch auch diese hat keinen guten Ruf, z.B. ist die Zusammensetzung dieser Initiative so einseitig, dass der Tenor ihre Stellungnahmen bereits fest steht steht, noch bevor die Initiative den Mund aufgemacht hat. Die (oben verlinkten) nationalen Expertenkommissionen stehen der "BioInitiative" auch fachlich kritisch gegenüber.

Bleibt mMn nichts übrig von den "nicht-staatlichen internationalen Organisationen", mit denen Pandora bemüht ist, der Forderung nach Gruppe-1-Einstufung des EMF-Krebsrisikos etwas mehr Gewicht zu verleihen.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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Filz, Sage, Druck, Petition, Stiftung-Pandora, IEMFA, Bio-Initiative-Report, 2B

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