Neue EU-Richtlinie 2013/35/EU: EMF am Arbeitsplatz (Allgemein)
In Frankreich hat die neue EU-Arbeitsschutzrichtlinie 2013/35/EU (PDF, 21 Seiten, deutsch) vom Juni 2013 im Dezember 2013 zu einer größeren Veranstaltung des französischen Strahlenschutzes geführt, um die Richtlinie dem Fachpublikum dort bekannt zu machen.
Doch wieso überhaupt 2013/35/EU? War nicht 2004 unter gleich lautendem Titel eine andere Richtlinie herausgebracht worden, nämlich 2004/40/EG (PDF, 9 Seiten, deutsch)?
Stimmt!
Doch die alte Richtlinie litt unter Geburtsfehlern, Langzeiteinwirkung von EMF auf Arbeitnehmer schloss sie z.B. explizit von der Betrachtung aus (EMF wird hier gebraucht für elektrische, magnetische und elektromagnetische Einwirkung). Und diese Mängel haben dazu geführt, dass an der 2004/40/EG mehrfach herum operiert wurde. Einmal 2007, zweimal 2008 und zuletzt 2012. Spätestens Ende Oktober 2013 hätte die Richtlinie von den EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden sollen. Und wenn man sich diese Seite der EU-Gesetzgebung betrachtet, dann sieht die 2004/40/EG dort noch ziemlich lebendig aus. Gleiches gilt für diese Seite des Bundesarbeitsministeriums, die ein Inkrafttreten der Richtlinie Ende Oktober 2013 in Aussicht stellt, und ansonsten noch einige gute Links auf Lager hat.
Noch im November 2012 berichtete ein Mitarbeiter des Arbeitsministeriums auf der BAuA-Veranstaltung "Elektromagnetische Felder an Arbeitsplätzen" über den Stand der Überarbeitung der Arbeitsschutzrichtlinie 2004/40/EG (PDF, 15 Seiten, deutsch). Interessanterweise wird dort für gepulste Felder von einer Bewertungsmethode "Weighted Peak" gesprochen, die mir bislang fremd war. Für Mobilfunkgegner dennoch kein Grund zur Freude, denn diese Methode soll z.B. bei Inverterschweißgeräten, die mit 10'000 A gefahren werden, die Sicherheitsabstände von derzeit rund 20 cm auf mehr als 1 m ausdehnen.
Doch die Richtlinie 2004/40/EG sollte die letzte Operation im April 2012 nur um 1 Jahr, 2 Monate und 2 Tage überleben. Denn dann gab die EU die neue Richtlinie 2013/35/EU heraus, und darin formuliert Artikel 17 das Todesurteil "Richtlinie 2004/40/EG wird mit Wirkung vom 29. Juni 2013 aufgehoben."
Soviel zum Verbleib der unglücklichen EU-Arbeitsschutzrichtlinie 2004/40/EG.
Wenn man sich nun die für Arbeitnehmer zulässigen Immissionen in der neuen Richtlinie betrachtet, so wird man feststellen, dass diese weitaus höher sind als für Privatpersonen, und auch weitaus detaillierter/komplizierter beschrieben sind (sensorische und gesundheitliche Wirkungen). Beispiel: Wer privat ein Handy nutzt, darf mit Kopf und Rumpf maximal 2 W/kg absorbieren, wer es beruflich nutzt, darf bis zu 5-mal mehr Leistung absorbieren (10 W/kg). Mit handelsüblichen Handys ist dies nicht möglich, mit Tetra-Funkgeräten dagegen schon. Um eine Gefährdung von Arbeitnehmern auszuschließen, dürfen die Grenzwerte für gesundheitliche Wirkungen nicht überschritten werden.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –