Strahlungsleistung von Antennen: Ende der Standardlüge Nr.2 (Allgemein)
Das Thema "Sendeleistung und Strahlungsleistung" hat schon im RDW-Forum die Gemüter erhitzt, als Gigaherz im Jahr 2007 das Ende der Standardlüge Nr. 2 verkündete. So richtig überzeugend waren die Argumente damals jedoch nicht, denn unser Hans-U. Jakob glaubt noch heute ganz fest ans Ende der "50-W-Fraktion". Ihm wurde im RDW-Forum seinerzeit entgegen gehalten, die Betrachtung der ERP (Strahlungsleistung) sei Blödsinn, es handle sich hierbei nur um eine Rechengröße, aus 50 W Sendeleistung könnten nun nicht einmal durch Zauberei 900 W Strahlungsleistung entstehen.
Aus meiner Sicht ist die Betrachtung der Strahlungsleistung durchaus legitim - für die Beschreibung einer Funkfeldsituation vor Ort jedoch gänzlich irrelevant. Vielleicht hilft das Beispiel eines "Rasensprengers", den Zusammenhang zu verdeutlichen.
Rasensprenger statt Sendemast
Unser Rasensprenger hat einen kreisrunden Ring mit sagen wir mal 360 Bohrungen, aus denen das Wasser austritt und - weil die Bohrungen unterschiedliche Neigungswinkel haben - eine kreisrunde Fläche bewässert. Der Wasserdruck am Schlauchanschluss des Kreisregners repräsentiert die Sendeleistung. Werden jetzt bei gleichbleibendem Wasserdruck 240 nebeneinanderliegende Bohrungen verschlossen, spritzt das Wasser im verbleibenden Sektor aus den 120 Bohrungen deutlich weiter als zuvor.
Diese Betrachtung der Emission ist jedoch belanglos, denn die Grenzwerte deckeln nicht die Emission einer Sendeantenne, sondern die Immission an den Stellen, wo sich Menschen längere Zeit aufhalten können. Völlig unabhängig von dem Streit, ob eine Antenne nun 50 W Sendeleistung abstrahlt oder infolge des Antennengewinns 900 W Strahlungsleistung, die Grenzwerte von 4,5 W/m² bis 10 W/m² (je nach Trägerfrequenz) dürfen sowieso nicht überschritten werden.
Die von Hans-U. Jakob entdeckte vermeintliche Standardlüge Nr. 2 ist daher an Belanglosigkeit eigentlich kaum noch zu übertreffen. Jakob feiert die Entdeckung einer Lüge, die keine ist. Da sich der Gigaherz-Präsident in Rechenangelegenheiten bekanntlich schwer tut, hier der Versuch, ihm den Zusammenhang mit einer Metapher begreiflich zu machen: Früher, als es noch DM und italienische Lira gab, mussten zum Kauf von 1 DM schon mal 1000 Lira hingelegt werden. Denn entscheidend ist nicht die Zahl auf einem Geldschein, sondern die Kaufkraft der Währung. Korrigiert über den Wechselkurs waren dann 1 DM soviel wert wie 1000 Lira, es war den Händlern deshalb (fast) egal, ob sie 1 DM bekamen (= Sendeleistung) oder 1000 Lira (= Strahlungsleistung). Analog dazu sehe ich das Affentheater um 50 W Sendeleistung, 18-mal soviel Strahlungsleistung (900 W) oder gar die mit der Anzahl der Antennen multiplizierte Summenleistung von 3800 W als reine Augenwischerei mit Zahlen: Was in den Wohnungen der Menschen gemessen wird kümmert sich in keiner Weise um diese Zahlenspiele aus der Schweiz, sondern muss sich einzig und allein auf die allseits bekannte Art und Weise an den Grenzwerten messen.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –