Ja, wenn Stoiber elektrosensibel wäre ... (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Montag, 16.05.2005, 14:59 (vor 7136 Tagen)

In einem Leserbrief beanstandet ein elektrosensibler aber gemeiner Bürger, dass staatlicherseits alles getan wird, den Bayerischen Ministerpräsidenten vor jedweder Belästigung seiner kostbaren Person zu bewahren, Elektrosensible dagegen die Elektrosmogsuppe, eingebrockt von anderen, ganz alleine selber auslöffeln müssen.

Leserbrief

An die Lokalredaktion der Süddeutschen Zeitung

Ganz Wolfratshausen war im Belagerungszustand am letzten Freitag: Hundertschaften von Polizisten und Bundesgrenzschutzbeamten schützten das Anwesen des Bayerischen Ministerpräsidenten vor 50 bis 70 Demonstranten. Wie die SZ ausführte, wurde die Bannmeile um Stoibers Haus im Jahr 2000 juristisch so begründet: "Die vorzunehmende Güterabwägung zwischen der Bedeutung der Versammlungsfreiheit und dem nach Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz gebotenen Schutz des unantastbaren Bereichs der privaten Lebensgestaltung fällt hier zu Gunsten der zu schützenden Privatsphäre aus." Die Familie des Ministerpräsidenten habe ein Recht auf "Freihaltung ihrer Wohnung und Wohnumgebung von Einwirkungen von Demonstrationen".

Welch Privilegien für eine Person des Öffentlichen Lebens, die ich ihm gar nicht verwehren möchte - ich verlange nur Gleichstellung für andere Menschen, die wesentlich stärker in ihrer "privaten Lebensgestaltung", ja in ihrem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) eingeschränkt sind. Es geht um elektrosensible Menschen, die stärker als Normalbürger auf die Hochfrequenzstrahlung von Mobilfunksendern und Schnurlostelefonen reagieren. Hier in Wolfratshausen haben vor mehreren Jahren 14 von ihnen Strafanzeige wegen Körperverletzung gegen Unbekannt gestellt und auf die zunehmende Gesundheitsgefährdung durch diese Belastung hingewiesen. Diese Strafanzeige wurde von der Staatsanwaltschaft München niedergeschlagen mit dem Argument, die Grenzwerte würden eingehalten, ohne überhaupt in die Beweisaufnahme zu treten, ohne ihre ärztlichen Atteste anzuschauen. Auch die Revision beim Oberstaatsanwalt wurde mit der gleichen Begründung verworfen. Ihnen wird zugemutet, dass sie nur noch im Keller schlafen, ihren "unantastbarer Bereich der privaten Lebensgestaltung" mit Tausenden von Euro abschirmen und ihren Garten und bestimmte Zimmer ihrer Wohnung meiden, weil sie sonst krank werden. Ihnen wird zugemutet, dass ihre Freizeitgestaltung sich immer mehr einschränkt, weil die Verseuchung des öffentlichen Lebens mit Elektrosmog immer stärker wird - Lebensqualität pur.

Ich wehre mich gegen die Einteilung der Bürger in Klassen: in privilegierte Menschen wie den Ministerpräsidenten, und in rechtlose Menschen wie die Elektrosensible, was übrigens auch gegen das Grundgesetz verstößt - Art. 3 Abs. 1: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Der gemeine Bürger hat im Gegensatz zum Ministerpräsidenten kein "Recht auf Freihaltung seiner Wohnung und Wohnumgebung" von Einwirkung krankmachender Strahlung, obwohl dies für den Personenkreis der Elektrosensiblen wesentlich drastischer ist als die "Einwirkung von Demonstrationen" für den Ministerpräsidenten.

Dr.-Ing. Hans Schmidt
Sprecher der Bürgerinitiative Wolfratshausen-Stadtgebiet gegen Elektrosmog
Gebhardtstr. 2d
82515 Wolfratshausen

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Schmidt, Körperverletzung, Querulant, Strafanzeige


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