2025-02-21: Strahlung öffnet Blut-Hirn-Schranke (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 27.02.2025, 17:50 (vor 17 Stunden, 35 Minuten) @ H. Lamarr

Publikationsdatum: 21. Februar 2025
Titel: Strahlung öffnet lebenswichtige Blut-Hirn-Schranke, Giftstoffe gelangen ins Gehirn
Inhalt: In der neuen Ausgabe des Anti-Mobilfunk-Kampfblättchens "Elektrosmog-Report" zeigt eine angeblich sorgfältig durchgeführte Studie, dass Mobilfunkstrahlung die Blut-Hirn-Schranke (BHS) öffnen kann – und das schon bei geringer Strahlungsstärke. Eine Folge ist, dass schädliche Stoffe ins Gehirn gelangen, obwohl sie dort nicht hingehören.
Kommentar: Bei dieser Pressemitteilung weiß man der vielen Schwachstellen wegen gar nicht, wo man mit der Kritik anfangen soll. Deshalb hier von mir nur das, was sich ohne große Mühe einwenden lässt:
► Die Blütezeit der BHS in der Mobilfunkdebatte war 2003, als der Schwede Leif Salford eine alarmierende Studie veröffentlichte. Mobilfunkgegner waren begeistert. Internationale wie nationale Expertengremien gehen jedoch in der Gesamtschau des wissenschaftlichen Kenntnisstands nach Darstellung des EMF-Portals von keiner negativen Wirkung Mobilfunk-relevanter hochfrequenter elektromagnetischer Felder auf die Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke aus. Diagnose-Funk thematisiert damit einen wissenschaftlichen Außenseiterbefund, ohne darauf hinzuweisen, dass es sich um einen solchen handelt. Dies ist mit dem Pressekodex zu medizinischen Themen nicht vereinbar.
► Die neue Studie, die es hier im Volltext gibt, nennt für die Expositionsstärke nicht wie üblich einen SAR-Wert, sondern die mMn ziemlich nichtssagende Ausgangsleistung der Befeldungsapparatur.
► Befeldet wurde nicht mit "echten" Mobilfunksignalen, sondern mit unmodulierten HF-Trägersignalen (1800 MHz, 2100 MHz).
► Die Anzahl der Versuchstiere (Kaninchen) war mit sieben Tieren je Gruppe gering, was das Risiko von Zufallsergebnissen erhöht.
► Den Studienautoren sind die Begriffe "reaktives Nahfeld", "Nahfeld" und "Fernfeld" bekannt. Feldstärkemessungen dürfen üblicherweise nur im Fernfeld einer Sendeantenne vorgenommen werden, was einen Mindestabstand zur Sendeantenne von 1 Wellenlänge (besser zwei oder mehr Wellenlängen) erfordert (Wellenlänge 1800 MHz: 16,6 cm; 2100 MHz: 14,2 cm). So gesehen ist es unverständlich, dass bei 1800 MHz die Versuchstiere in nur 14,5 cm Abstand platziert wurden (weniger als 1 Wellenlänge) bei 2100 MHz hingegen in 17 cm Abstand. Die Abstandswahl wird in der Studie nicht weiter erklärt, obwohl der Beschreibung der Antennen dort ungewöhnlich viel Raum gegeben wird.
► Die vier türkischen Universitäten, an denen die vier Studienautoren beschäftigt sind, zählen nicht zur Weltspitze. Zwei tauchen im "World University Rankings 2025" (bewertet rd. 2100 Universitäten in 115 Ländern) überhaupt nicht auf, die anderen zwei haben den Pauschalrang 1501 oder schlechter. Die drei besten Universitäten der Türkei finden sich im Bewertungsrangfenster 351–400. Dieser Einwand muss nicht zutreffen, die Wahrscheinlichkeit für eine qualitativ hochwertige Studie ist an einer hochrangigen Universität (z.B. MIT, ETH, TUM) jedoch zweifellos höher.
Google-News: Abfrage am 27.02.2025 mit Suchbegriff "Strahlung öffnet Blut-Hirn-Schranke" ergab null relevanten Treffer bei einem Medienhaus. Auch die sonst zu beobachteten Treffer in den Echokammern von Mobilfunkgegnern sind diesmal bis zum Recherchezeitpunkt komplett entfallen.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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