"Thank you for Calling": Scheidstegers Cannae (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Freitag, 22.12.2023, 20:53 (vor 359 Tagen) @ H. Lamarr

Der Höhepunkt von "Thank you for Calling" findet kurz vor dem Ende statt. Untermalt von dramatischen Klängen lässt Filmemacher Scheidsteger die Katze aus dem Sack und verkündet mit tonloser Stimme den Kinogängern:

Im Spätsommer 2014 weilte ich wieder in Washington. Meine Informanten hatten mir dazu geraten. Und in der Tat, am Freitag den 8. August 2014 hatte Richter Weisberg seine Order erteilt. Jeder einzelne Gehirntumorfall muss vor einer Jury verhandelt werden in diesen Punkten:
- Vorsätzlicher Betrug
- Fahrlässige Falschdarstellung
- Sorgfaltspflichtverletzung
- Verbraucherschutzverletzung

Ein Durchbruch nach 20 Jahren! So lange hatte es für George Carlo und seine Kollegen gedauert von der ersten Warnung der Wissenschaft bis zu deren Anerkennung vor Gericht.

Dem von Scheidsteger gefeierten "Durchbruch" nach 20 Jahren folgte am 1. August 2023 die Diarrhö, denn der zu diesem Zeitpunkt verfahrensleitende Richter Alfred S. Irving (Jr.) stellte das Gerichtsverfahren zugunsten der Beklagten ein, nachdem er zuvor alle von Scheidsteger dramatisch in Szene gesetzten Gerichtsgutachter vor die Tür gesetzt hatte. Nichts von dem, was Scheidsteger in seinem Märchenfilm behauptet, wurde Wirklichkeit. Dennoch wird die sogenannte Doku von skrupellosen Geschäftemachern weiter verscherbelt, als wäre nichts gewesen.

Wer mit dem besonders wertlosen Film Leuten weiterhin Geld aus der Tasche zieht, wird wahrscheinlich versuchen sich damit herauszureden, dass das Verfahren in erster Instanz zwar eingestellt wurde, alle Kläger jedoch am 22. August 2023 Berufung einlegten und in zweiter Instanz noch einmal die Chance haben, obsiegen zu können.

Klingt plausibel, ist jedoch Augenwischerei.

Die Erklärung ist für Klaus Scheidsteger äußerst peinlich. Denn in diesem Dokument (PDF, 83 Seiten, englisch) ist nachzulesen, welche richterlichen Verfügungen (Orders) aus erster Instanz die Kläger in der Berufungsverhandlung angreifen möchten, um mögliche Verfahrensfehler aufzudecken. Wie sich unschwer nachprüfen lässt ist auch die Verfügung Richter Weisbergs vom 8. August 2014 mit dabei, also ausgerechnet die Order, auf die Scheinsteger seinen gesamten Film aufgebaut hat. Erst dadurch wird die ohnehin schon schwere Niederlage des Filmemachers eine vernichtende, ergo sein Cannae.

Der Filmemacher könnte einem fast schon leid tun, wäre seine "Doku" seriös recherchiert. Ist sie bekanntlich jedoch nicht. Eine mir jetzt erst aufgefallene vergleichsweise kleine Falschinformation steckt in Scheidstegers Schlachtruf aus dem Jahr 2014: "Ein Durchbruch nach 20 Jahren!" Von wegen 20 Jahre! Das Verfahren in erster Instanz startete am 15. November 2001 und man muss wahrhaftig nur die Grundrechenarten beherrschen, um auszurechnen, dass es 2014 nicht 20 Jahre auf dem Buckel hatte, sondern 13.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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