Dr. Bergmann: Spitzenwert hui, Mittelwert pfui (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 28.01.2010, 16:49 (vor 5437 Tagen)

Der Grenzwert ist als quadratischer Mittelwert (Effektivwert) definiert, Baubiologen messen davon unberührt den stets höheren Spitzenwert von HF-Immissionen. Im Gigherz-Forum wurde dafür folgende Begründung mit dem Prädikat "sehr gut" gelobt:

Zusätzlich wird aber von der tatsächlichen Strahlenbelastung immer nur der sog. Mittelwert gemessen und nicht die tatsächliche Spitzenbelastung. Das ist dasselbe Vorgehen, wie wenn Sie Ihre Hand 5 mal in der Minute für 2 Sekunden in kochendes Wasser halten und sonst in 20 Grad warmes Wasser. Dann kommen die Experten und rechnen Ihnen aus, dass sie im Mittel Ihre Hand in 33,3 Grad warmes Wasser gehalten haben und deshalb Ihre Hand gar nicht verbrannt sein kann.

Diese dem Freiburger Arzt Dr. Bergmann zugeschriebene Begründung klingt plausibel und dürfte sich deshalb unter Laien großer Akzeptanz erfreuen. Und dennoch ist es nur eine Milchmädchenrechnung. Denn Dr. Bergmann verschweigt bei seinem plakativen Beispiel diskret die Bedeutung der Zeitspanne, die verstreichen muss, ehe es zur biologischen Wahrnehmung eines Reizes kommt. Eine Hand für 2 Sekunden in kochendes Wasser halten ist natürlich schmerzhaft. Ebenso schmerzhaft ist es, eine Hand 2 Sekunden in die Flamme einer brennenden Kerze zu halten. Völlig schmerzfrei ist es dagegen, die Hand in einer zügigen Wischbewegung durch die Kerzenflamme zu bewegen. Warum? Nun, weil die Schmerzrezeptoren in der Haut zu träge sind, um auf die nur Sekundenbruchteile spürbare Flamme zu reagieren. Der Reiz ist zwar ungeschmälert da, wegen der (zu) kurzen Einwirkungszeit passiert jedoch nichts.

Der Trick bei Bergmanns Beispiel ist also die lange Einwirkungszeit für kochendes Wasser von 2 Sekunden. Gelänge es, die Hand nur, sagen wir mal, 0,1 Sekunde lang ins kochende Wasser zu halten, dann würde ebenso wie bei der Flamme überhaupt nichts passieren.

Und was heißt dies nun bezogen auf EMF? Dort findet die pulsartige Reizeinwirkung bei Mobilfunkfeldern über derart kurze Zeitspannen statt (Mikrosekunden), dass bekannte biologische Reizantworten infolge Trägheit ausbleiben. Beispiel: Das Auge des Menschen nimmt eine Abfolge von 25 Bildern pro Sekunde nicht mehr als Abfolge, sondern als fließende Bewegung wahr, dies ist die Grundlage für Film und Fernsehen. Und wer sich darauf konzentriert, der kann auch noch das 100-Hz-Flimmern bei Leuchtstofflampen bemerken. Dann aber ist Schluss, ob das Bild am Monitor eines PCs 100-mal pro Sekunde neu aufgebaut wird oder 200-mal, das Auge kann es nicht mehr unterscheiden, es reagiert dafür zu träge. Ähnlich ist es bei geplusten HF-Signalen: Die Pulspakete dauern zu kurz und kommen zu selten, als dass der Körper auf die einzelnen Pakete reagieren könnte, vielmehr "integriert" er die Pakete, "bügelt" sie also zu Mittelwerten glatt.

So, das wäre auf die Schnelle meine Erklärung dafür, warum Dr. Bergmanns Rechenbeispiel alles andere als "sehr gut", sondern eben nur Augenwischerei ist. Gibt es noch andere Erklärungen?

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Milchmädchen, Bergmann, Strahlenbelastung, Amateur, Trick


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