Spurensuche: Mobilfunk-Standortkonzept Langquaid (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 30.03.2014, 00:41 (vor 3914 Tagen) @ Radioburst

Nachfolgend ein kommentierter Textauszug aus dem Artikel im Donaukurier. In dem Auszug schildert der nach Riedenburg eingeladene Bürgermeister des Ortes Langquaid seine Erfahrung mit einem Mobilfunk-Standortkonzept:

Das mit der Vorsorgeplanung beauftragte Institut habe in Langquaid zwei sogenannte „Positivstandorte“ für Mobilfunkmasten ausgewiesen.

Das Institut war nicht etwa das Umweltinstitut München, sondern die Gesellschaft Enorm mit beschränkter Haftung, Sitz ebenfalls in München.

Diese stünden an Plätzen, wo Gesundheitsbelastungen auszuschließen seien.

Unsinn, "Gesundheitsbelastungen" sind bei allen Plätzen auszuschließen, dazu gibt es Grenzwerte, die im Fall von Mobilfunk bei weitem nicht ausgeschöpft sind.

Die Senderkarte der BNetzA zeigt die beiden Standorte außerhalb des Ortes. Doch da ist noch ein dritter Standort im Ort, der wurde anscheinend diskret "vergessen".

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Bild: EMF-Datenbank BNetzA

Da es für die Mobilfunk-Unternehmen teurer sei, an den vorhandenen Masten eines Wettbewerbers anzudocken, als selbst einen aufzustellen, würden immer neue Sendeanlagen gefordert.

Plausibel klingt das nicht, mWn ist es noch immer so, dass Netzbetreiber die Masten eines Konkurrenten nicht mitbenutzen dürfen. Diese Regelung war Bestandteil der Lizenzvergaben durch die damalige RegTP, um den Wettbewerb durch unabhängige Netze zu gewährleisten. Ich werde versuchen, von der BNetzA Auskunft über die aktuelle Situation zu bekommen.

„Die Mobilfunkbetreiber ärgern sich über unsere Vorsorgeplanung“, stellte Blascheck fest.

Blaschek ist der Bürgermeister von Langquaid. Warum sich die Betreiber ärgern sollen, und woher der Bürgermeister überhaupt weiß, dass sie das tun, ist mir ein Rätsel.

Doch bislang habe es keine Firma gewagt, sich mit dem Ort rechtlich anzulegen.

Wozu auch, der Ort hat nur 8600 Einwohner. Die Sender außerhalb des Ortes aufstellen verursacht vermutlich unnötige Erschließungskosten. Den möglichen gesundheitlichen Nachteil haben jedoch die Handynutzer im Ort, das sollte sich inzwischen herumgesprochen haben.

Ein Bestandteil des Konzeptes bestehe darin, Bauplätze und Gewerbeflächen nur unter der Vorgabe zu verkaufen, dass dort keine Sendemasten errichtet werden.

Mit Verlaub: Das ist ganz schön dumm.

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Ich habe mich gewundert, wieso ausgerechnet ein kleiner unbekannter Ort wie Langquaid auf ein Standortkonzept für Mobilfunk-Sendemasten hereingefallen ist und dies jetzt auch noch als Musterlösung preist. Also ging ich auf Spurensuche, in der Hoffnung auf der Website von Langquaid mehr über dieses Konzept zu finden, das mMn ein Beleg für die Gutgläubigkeit der dortigen Politiker ist.

Und tatsächlich, es gibt dort eine Mobilfunkecke. Doch was dort steht, lässt einem der Inkompetenz wegen die Haare zu Berge stehen. Ein Beispiel:

Wie von unabhängigen Fachleuten seit ca. 15 Jahren dargelegt und in den letzten 3 Jahren mittlerweile auch durch höchstrichterliche Rechtsprechung ausdrücklich bestätigt, ist der Umstand, dass die Grenzwerte der seit 01.01.1997 geltenden 26. Bundesimmissionsschutzverordnung (26 BImSchV) nur Schutz vor Akutschäden durch Strahlung bieten, jedoch keine Langzeitvorsorgekomponente beinhalten.

Unabhängige Fachleute? Wie komisch! Und dass die 26. BImSchV keine Langzeitvorsorgekomponente bietet ist dreiste Bauernfängerei. Von fehlender "Langzeitvorsorge" ist im BGH-Urteil vom 13.02.2004 keine Rede. Es wird lediglich festgestellt, die Verordnung enthalte keine Vorsorgekomponente. Ist das nun schlimm? Nein, denn der BGH verweist auf das Bundesverfassungsgericht, das bereits 2002 gegen die Elektrosmog-Beschwerde eines Hobby-Geflügelzüchters entschied: Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers besteht keine Pflicht des Staates zur Vorsorge gegen rein hypothetische Gefährdungen. Der Beschwerdeführer zog damals übrigens weiter vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte - und unterlag auch dort.

So richtig dreist macht die zitierte Textpassage auf der Website von Langquaid jedoch etwas ganz anderes: Eine "Vorsorgekomponente" der 26. BImSchV spielt erst dann eine Rolle, wenn die Grenzwerte nahe 100 Prozent ausgeschöpft werden. Schließlich interessiert einen Sonntagsfahrer, der mit 80 Sachen über die Autobahn schleicht, ein Tempolimit 120 km/h herzlich wenig, denn er weiß, er ist weit drunter.
Und was hat das mit Langquaid zu tun? Dort wurde 2005 am Kindergarten St. Jakob (auch das noch!) die Mobilfunk-Immission gemessen, mit dem Ergebnis, der Grenzwert werde zu 0,00178 Prozent ausgeschöpft! Auf meinen Sonntagsfahrer umgerechnet bedeutet diese Grenzwertausschöpfung: Der Mann dürfte 120 km/h fahren, tatsächlich bewegt er sich jedoch mit nur 0,0021 km/h (2,1 Meter pro Stunde).

Ich hoffe, das Beispiel verdeutlicht, wie weit die Kinder im Kindergarten von Langquaid von einer nennenswerten Grenzwertausschöpfung entfernt sind, das Gejammere "jedoch keine Langzeitvorsorgekomponente" ist in Anbetracht dieser Umstände grotesk. Entweder hat der, der für diese Textpassage verantwortlich ist, keine Ahnung von der Praxis der Sache, oder er will die Leute dort irreführen.

Meine Frage - und noch ein paar andere Fragezeichen mehr, kann sich jeder selbst beantworten, wenn klar wird, wer für die unsägliche Textpassage verantwortlich zeichnet. Es ist niemand anders als der Wasserschutzpolizist und ödp-Politiker Peter-Michael Schmalz, der im Marktrat von Langquaid dem Ausschuss Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutz vorsteht.

Damit schließt sich der Kreis wieder einmal und es ist a) klar, warum ausgerechnet die Metropole Langquaid ein Mobilfunk-Standortkonzept vorweisen kann und b) wieso der kommende Bürgemeister von Riedenburg ausgerechnet den Bürgermeister von Langquaid eingeladen hat, um sich von ihm über Mobilfunk-Standortkonzepte informieren zu lassen.

Ergänzung: Mobilfunkversorgung der Stadt Mainburg vom Wasserschutzmann Schmalz

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Klage, Enorm, Aktenzeichen, Senderkarte, Bauernfängerei, Richtwert, Kindergarten, Standortplaner, DonauKurier, Langquaid, Selbstüberschätung, Vorsorgeplanung, Vorsorgekomponente


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