Leserbrief an Spiegel (Medien)

Gast, Samstag, 05.05.2007, 11:01 (vor 6436 Tagen) @ H. Lamarr

Sehr geehrter Herr Dworschak,

mit Ihrer unausgewogenen Interpretation haben Sie leider die komplexe Thematik verfehlt. Schade, dass man als langjähriger Spiegelleser den Eindruck gewinnen muss, dass Ihre Recherchen von einer Instrumentalisierung der Mobilfunklobby geprägt sein könnten. Jedenfalls sind Ihre Ausführungen von einem investigativen Journalismus weit entfernt und leider auch der Sachlage entsprechend nicht dienlich.

Tausende von Bürgerinitiativen, nahezu über 2000 Ärzte in Ärzte-Appellen, stützend auf zahlreiche wissenschaftliche Studien mit warnenden konsistenten Hinweisen und vorliegende ernst zunehmende Kasuistiken fordern zu Präventionsmaßnahmen auf.

Ihre Recherche gegenüber Betroffenen und Engagierten ist tendenziös zynisch angelegt.

Während immer mehr Elektrosensible von dem Krankheitsbild Mikrowellensyndrom durch den Einfluss von elektromagnetischen Feldern gesundheitliche Belastungen erfahren, wird das betroffene Klientel Ihrerseits mit sarkastischen Äußerungen gewürdigt.

Dass industrieabhängige Forschung in vielen Fällen von einer wissenschaftlichen Evidenz weit entfernt ist, belegt die Vergangenheit. (Radar, Contergan, Asbest, Rauchen usw).

Siehe Studie einer Schweizer Forschungsgruppe der Institute für Sozial- und Präventivmedizin an den Universitäten Basel und Bern (Huss et al.2006), welche im September 2007 veröffentlicht wurde.

Wenn Wissenschaftler und Journalisten sich von der Industrie manipulieren lassen muss man sich über eine unausgewogene Berichterstattung und der Ignoranz realer wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht wundern.

Ihre Aussage, dass Mobilfunkgegner zur endzeitlosen Kulturkritik neigen würden ist völlig absurd und belegt Ihre oberflächlich Recherche.

Ihre Bewertung gegenüber den vereinzelten Fachwissenschaftlern, welche lt. Ihrer Aussage auf der Seite der Mobilfunkkritiker stehen, wobei für diese sozusagen als Lohn ein dankbares Publikum gewährleistet ist strotzt von Häme und Diffamierung.

Statt Betroffene in die Schublade der Hypochonder zu schieben, hätten Sie Ihren Bericht einmal unter den Aspekt der Prävention stellen sollen. Vorsorge ist zu treffen, wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte eine Schadensmöglichkeit zu vermuten ist, ein Kausalitätsnachweis aber gerade (noch) nicht geführt werden kann, also bei zumindest potentiellen, nicht voll nachweisbaren Risiken, die einen Anfangs- oder Gefahren verdacht begründen. (EG Leitlinie 2.02.2000 Ziff 5)

Die amtlich betriebene Verharmlosung der Risiken (die organisierte Unverantwortlichkeit, wie es der Soziologe Beck treffend ausdrückte) verstößt gegen den Vorsorgeauftrag in den Artikeln 2 Abs. 2 und 20a des Grundgesetzes sowie Artikel 174 des EG-Vertrages.

Allein die auffallende Häufung von Krankheitsfällen im Umfeld von Sendeanlagen sind zur Vorsorge Anlass genug!

Es ist betrüblich feststellen zu müssen, dass einerseits Ihr Bericht inkompetent ist, andererseits sich der Spiegel damit m. E. bei der Mobilfunkthematik der Großwetterlage gebeugt hat und dass die kritische Kompetenz, die ich bisher so sehr an Ihrem Magazin schätzte, aufgegeben wurde.

Mit freundlichen Grüßen
Alfred Tittmann
63486 Bruchköbel

Tags:
Fundi, Tittmann, Bruchköbel, Brief, Sozialverhalten, Sumpf


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