Baden-Württemberg: LBO erfindet Rad neu (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 26.10.2014, 14:41 (vor 3692 Tagen) @ H. Lamarr

Im gestern veröffentlichten Koalitionsvetrag der neuen rot-grünen Landesregierung in Baden-Württemberg findet sich folgende Passage:

Wir werden das Vorsorgeprinzip und die Technikfolgenabschätzung stärken. Für Mobilfunksender auch unterhalb 10 Metern Höhe werden wir wieder eine baurechtliche Genehmigungspflicht einführen.

3 ½ Jahre später:

Langsam wird deutlich, was von dem Versprechen der einen in Stuttgart zum Leidwesen der anderen in Stuttgart übrig geblieben ist:

Seit gut einem Jahr brüten die Koalitionäre in Baden-Württemberg über einen im Juli 2013 vorgelegten Gesetzesentwurf, der die Landesbauordnung im Ländle novellieren soll. Wer meint, jetzt noch schnell seinen Senf dazu beibringen zu können, kann das Senfglas zu lassen, die Einspruchsfrist gegen den Entwurf endete am 11. Oktober 2013.

Von dem Koalitionsversprechen ist im Gesetzesentwurf nicht mehr allzu viel übrig geblieben:

Unter Nummer 5 Buchstabe c) wird die baurechtliche Verfahrensfreiheit kleinerer Mobilfunkantennen bis 10 m Höhe [sik!] nur noch mit der Maßgabe gewährt, dass die Errichtung mindestens acht Wochen vorher vom Bauherrn bei der Gemeinde angezeigt wird. Damit soll die Gemeinde in die Lage versetzt werden, die Einwohner/-innen rechtzeitig von der Errichtung zu unterrichten und damit ihrer Informationspflicht nach der Gemeindeordnung zu genügen.

Meine Meinung: Ob es bei dieser Regelung bleibt ist derzeit offen. Und warum es sie überhaupt gibt ist mir in keiner Weise klar, denn was da geregelt wird ist bereits seit 2001 mit der freiwilligen Selbstverpflichtung der Mobilfunkbetreiber geregelt, die u.a. besagt: Kommunikation und Partizipation der Kommunen bei der Standortfindung. Seit 2001 wird damit etwas praktiziert, was im Ländle vielleicht in ein oder zwei Jahren so neu geregelt wird, wie die Neuerfindung des Rades.

Für die kommerziell interessierten Angstschürer unter den Mobilfunkgegnern ist der Gesetzesentwurf ein Erfolg. Denn diese Leute sind nicht wirklich an einer Genehmigungspflicht für Masten unter 10 Meter Baulänge interessiert, sondern am öffentlichem Rumoren, das i.a. nach Bekanntwerden von Bauanträgen in der Bevölkerung entsteht. Denn irgendeinen packt in aller Regel immer die Angst und dieser eine trommelt eine Bürgerinitiative zusammen die dann den Weg geht, wie ihn Anti-Mobilfunk-BIs seit 15 Jahren vorhersehbar gehen. Für Geschäftemacher ist diese LBO-Novelle (Nummer 5 Buchstabe c) daher eine willkommene Gelegenheit zum Geschäfte machen, indem verunsicherten Gemeinderäten wertlose Standortkonzepte angedreht und verängstigten Bürgern überflüssige Beratungen, Messungen und Abschirmungen verkauft werden.

Einen objektiv erkennbaren Nutzen, "Einwohner/-innen rechtzeitig von der Errichtung zu unterrichten" kann ich nicht erkennen, denn was nach der Unterrichtung passiert ist bekannt und berechenbar. Aus meiner Sicht ist der vermeintliche Fortschritt in der LBO keiner, denn unterm Strich ändert diese Regelung Nichts, sie kostet nur jede Menge Adrenalin, ruft unqualifizierte Wichtigtuer auf den Plan und kostet dem Steuerzahler einen Haufen Geld ohne erkennbaren Gegenwert für die Allgemeinheit.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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