Elektrosmog setzt aus Amalgamfüllungen Quecksilber frei (Forschung)
Man nehme einen handelsüblichen W-Lan-Router und lasse diesen eine Verbindung zu einem Notebook aufbauen. Alsdann zieht man Patienten insgesamt 20 kerngesunde Backenzähne und sagt den Zahnlosen, dies sei nötig gewesen, damit die übrigen Zähne im Kiefer ungestörter wurzeln könnten. Die erbeuteten 20 Backenzähne werden anschließend alle nach dem gleichen Schema mit einer Amalgamfüllung versehen, in zwei Gruppen zu je zehn Zähnen aufgeteilt und jeder Zahn in einen kleinen Behälter gegeben, der mit künstlichem Speichel gefüllt ist.
Soviel zu den Vorbereitungen. Und nun das Experiment:
Rund um den W-Lan-Router werden in 30 cm Abstand zehn der Zahnbehälter aufgestellt und 20 Minuten befeldet, während der Router Daten mit dem Laptop austauschte. Die anderen zehn Zahnbehälter werden weitab vom Router in einem Nebenraum aufgestellt, sie bilden die Kontrollen.
Nach der Befeldung wird untersucht, wie viel Quecksilber bei den exponierten Zähnen und bei den Kontrollen von der Füllung in den künstlichen Speichel diffundiert ist.
Und dann wird das Ergebnis verkündet: Unter W-Lan-Befeldung diffundiert doppelt so viel Quecksilber aus den Plomben im Vergleich zu den Kontrollen. Wutbürger sind entsetzt, Geschäftemacher sind begeistert:
ALARM!
Details zu dieser Studie, an der die jüngste Ausgabe des Elektrosmog-Reports nicht vorbei konnte, lassen sich <hier> nachlesen. Wie so oft bei Alarmstudien kommen diese nicht aus Ramersdorf, Buxtehude oder Wanne-Eickel, sondern von so weit weg, dass die Autoren vor direkten Nachfragen erst einmal sicher sind. Im konkreten Fall erforschten die Hg-Diffusion Wissenschaftler in Iran, die bereits mit anderen Elektrosmog-Quellen zu ähnlichen Ergebnissen gekommen sind und seither bei Naturheilkundlern hoch im Kurs stehen. Die Perspektive ist ja auch zu schön: Das alte und schon reichlich marode Feindbild Amalgam lässt sich auf diese Weise wunderbar erneuern und um die unheilige Allianz mit einem weiteren ergiebigen Feinbild, dem Elektrosmog, dem schrecklichen, erweitern: Schon unter schwachen Funkwellen vergiften sich Amalgam-Verplombte doppelt so schnell! Der Markt für "Ausleitungen" und "Entgiftungen" wird eine neue Blüte erleben, denn jeden Morgen, so schrieb es einst eine "schwäbische Hausfrau", steht ein Dummer auf (der auf den Quatsch herein fällt).
Doch was sagen Experten zu dieser Studie von Mortazavi et al., Stuss oder Nichtstuss, das war meine Frage. Die Antwort war eindeutig: Mit Sicherheit Stuss.
Bemängelt wird die dilettantische Dosimetrie (siehe Fig. 1), die keinerlei Ansprüche an Seriosität erfüllt und Tabelle 2, der offensichtlich die Erwartung zugrunde liegt, dass Effekte, die bei Magnetresonanz passieren, auch bei Handy und W-Lan zu erwarten sind. Bemängelt wird die fehlende Verblindung, die geringe Anzahl der Testkandidaten und die Unklarheit darüber, ob sich die beiden Gruppen (Exponiert, Kontrollen) möglicherweise schon vor dem Experiment unterschieden haben. Alles in allem ist die Arbeit von Mortazavi et al. für Jugend forscht durchaus zu gebrauchen, für mehr jedoch nicht. Der Elektrosmog-Report wird mit Sicherheit zu einer gegensätzlichen Wertung kommen, was aber zu erwarten ist: Das dünne Blättchen wird in erster Linie von Nutznießern der Angst vor Elektrosmog gelesen und es muss die Leserschaft bei Laune halten, damit nicht noch mehr kündigen.
Hintergrund
www-Fundstellen zu Elektromagnetische Felder+Quecksilber
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
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