Handystrahlung beeinträchtigt Spermienproduktion (Forschung)
Derzeit geistert eine Studie durch die internationalen Medien, die herausgefunden haben will, dass Handystrahlung die Spermienproduktion beeinträchtigt. Die Studie selbst wurde bereits im September 2015 veröffentlicht: Ariel Zilberlicht et al. (2015). Habits of cell phone usage and sperm quality–does it warrant attention?. Reproductive BioMedicine Online, 31(3): 421-426.
Daniel Kürner ist Skeptiker, studiert Medizinische Informatik an der TU Wien und arbeitet derzeit an seiner Diplomarbeit am Computational Imaging Research Lab der MedUni Wien. Hier ist sein Gastbeitrag:
Die Männer waren Patienten mit bekannten Fruchtbarkeitsproblemen
Die fehlende Unterscheidung zwischen Korrelation und Kausalität ist bei weitem nicht das einzige Manko der israelischen Studie. Der hohe Anteil an Männern mit verminderter Spermienqualität mag zwar auf den ersten Blick beängstigend wirken, doch er erscheint in einem völlig anderen Licht, wenn man berücksichtigt, wie die Studienteilnehmer rekrutiert wurden. Die 106 Männer waren allesamt Patienten an einer Fruchtbarkeitsklinik, in die sie zur Erstellung eines Spermiogramms überwiesen wurden. Wie sich später herausstellen sollte, hatten ganze 43 % der Studienpopulation eine verminderte Spermienkonzentration.
Vor der Anfertigung ihres Spermiogramms mussten die Teilnehmer einen Fragebogen ausfüllen, in dem demographische Merkmale, der Gesundheitszustand und das Handynutzungsverhalten abgefragt wurden. Von den 106 Männern wurden 26 als starke Raucher, wegen ihres Alkoholkonsums oder aufgrund von gewissen Vorerkrankungen ausgeschlossen, sodass schließlich nur die Angaben von 80 Männern in die Auswertung einflossen. Diese geringe Teilnehmerzahl ist dabei gar nicht das größte Problem der Studie. ...
Signifikante Ergebnisse bei unplausiblen Merkmalen
Statistisch signifikante Einzelergebnisse erhielten die Forscher beim moderaten Rauchen (p = 0,021), bei einer täglichen Gesprächszeit von über 1 Stunde (p = 0,04) sowie beim Telefonieren während des Ladevorgangs (p = 0,02), jeweils nur in Bezug auf die Spermienkonzentration. Rauchen ist ein bekannter Risikofaktor, bei den anderen beiden signifikanten Ergebnissen hingegen deutet vieles darauf hin, dass es sich um statistische Artefakte handelt. Diese beiden Parameter sind nicht gerade die plausibelsten, wenn es um die Schädigung von Samenzellen geht. Wie soll sich eine geringfügige Erwärmung des Ohrs auf die Spermienproduktion auswirken? Nachvollziehbarer wäre etwa Telefonieren mit Freisprecheinrichtung bei eingestecktem Handy, wenn es sich also in der „Gefahrenzone“ befindet und sendet. Warum es – abgesehen von einem defekten Ladekabel – schädlich sein soll zu telefonieren, während das Handy lädt, bleibt fraglich. (Die Autoren vermuten „emittierte Energie der externen Stromquelle“ sowie eine höhere Sendeleistung, weil das Gerät nicht Energie sparen braucht.) Wenn man viel telefoniert, sein Handy öfters lädt und selbst dann noch telefonieren muss, ist das vielleicht eher ein Hinweis auf einen stressigen Alltag als auf einen Einfluss des Mobilfunks. Den Probanden wurden zwar Fragen zum Lebensstil gestellt, ein Stresslevel wurde jedoch nicht ermittelt.
Warum die Forscher genau 1 Stunde tägliche Gesprächszeit als Grenze der Schädlichkeit wählten, ist nicht beschrieben. Im Fragebogen konnten die Teilnehmer noch zwischen den vier Kategorien <30 Minuten, 30-60 Minuten, 60-120 Minuten und >120 Minuten wählen. War hier möglicherweise „p-hacking“ am Werk? Das heißt: Wurde diese Grenze im Nachhinein so gewählt, dass ein signifikanter p-Wert erzielt werden konnte? ...
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