Verdopplung "aggressiver" Gehirn-Tumoren in Dänemark (Allgemein)
Die beiden Panikseiten des hese-Projekts berichten in leidlich großer Aufmachung über eine Verdopplung "aggressiver" Gehirn-Tumoren in Dänemark:
- Elektrosmognews: Handystrahlung schuld an Verdopplung aggressiver Gehirn-Tumore in Dänemark?
- hese-Forum: Verdopplung "aggressiver" Gehirn-Tumoren in Dänemark
Schon die künstliche Verzweifachung durch hese wirft die Frage nach der Seriosität und den Absichten des hese-projekts auf. Die Absicht, Panik zu verbreiten, wird aus der Titelzeile bei Elektrosmognews unmissverständlich deutlich.
Die Eigenleistung der hese-projekteure beschränkt sich auf die Übersetzung einer Meldung, die auf der seriösen amerikanischen Website microwavenews erschienen ist, dort freilich unter einem ganz anderen Titel:
Spike in “Aggressive” Brain Cancer in Denmark
[Höchststand bei "aggressiven" Hirntumoren in Dänemark]
Bereits an den Titelzeilen ist erkennbar, wer anständig arbeitet und wer nicht. Leider fehlt dem hese-project ein Mann vom Format Louis Slesins.
Auslöser der Meldung in microwavenews wiederum ist eine Mitteilung der Dänischen Krebsgesellschaft vom 2. November 2012:
The increase in new cases of aggressive brain cancer
Darin wird berichtet, die Anzahl der Männer mit Glioblastom habe sich in den vergangenen zehn Jahren beinahe verdoppelt. Woran das liegt, darüber tappe man jedoch völlig im Dunkeln. Mobilfunk wird in der Mitteilung mit keiner Silbe erwähnt, ebenso wenig irgendeine andere spekulative Ursache für die Zunahme. Einzig bei den Keywords am Fuß der Seite ist an den Einträgen "mobile sites" und "mobile phone" erkennbar, der Webmaster der Site möchte durchaus, dass die Seite im Zusammenhang mit dem Suchbegriff Mobilfunk gefunden wird.
Überlegungen zur Meldung der Dänischen Krebsgesellschaft
Nach der Verdopplung ist die absolute Anzahl jährlicher Neuerkrankungen an Glioblastomen in Dänemark mit 250 Fällen noch immer relativ klein, was den Anstieg nicht beschönigen will, sondern die Dimension des Risikos relativiert, denn Hirntumoren zählen zu den eher seltenen Erkrankungen.
Doch es gibt noch mehr Fragen als die, was über verantwortungslose Spekulationen hinaus die tatsächliche Ursache des Anstiegs ist.
So geht aus der Meldung der Dänischen Krebsgesellschaft nicht hervor, ob sich die Verdopplung auf die absoluten Fallzahlen bezieht, wie es den Anschein hat, oder auf die altersstandardisierte Inzidenzrate. Letztere wäre die aussagekräftigere Zahl, denn dass in alternden Gesellschaften die absoluten Krebszahlen schon allein der längeren Lebenszeiten wegen zunehmen, ist hinlänglich bekannt und taugt nicht zum Alarmieren.
Dass unter Glioblastomen mehr Männer als Frauen leiden ist keine neue Erkenntnis, sondern eine statistisch belegte Eigenart dieser Erkrankung. Ob Männer Handys intensiver nutzen als Frauen, darüber spucken Suchmaschinen zwar viele Informationen aus, kommerzielle Websites, die Meldungen ohne Datum bringen (Beispiel), halte ich jedoch grundsätzlich als Quelle für ungeeignet. Eine seriöse Quelle habe ich auf die Schnelle nicht gefunden.
Eigenartig ist aus meiner Sicht, dass keiner der Beteiligten, weder die Dänische Krebsgesellschaft, noch Louis Slesin geschweige denn ein hese-projekteur auf die naheliegende Frage eingeht: Ist der in Dänemark beobachtete Anstieg auch in anderen Ländern in ähnlichem Ausmaß beobachtet worden? Und so es diese Länder gibt, lässt sich irgendein Zusammenhang mit der Handyeinführung und -nutzung in diesen Ländern im Vergleich zu Dänemark erkennen? Ich meine, solche offen Fragen sollten so gut es geht geklärt werden, bevor ohne Sinn und Verstand ein Verdacht ausgesprochen wird. Das hese-project sehnt sich bekanntlich nach wissenschaftlicher Anerkennung, doch es tut nichts dafür, überlässt die Knochenarbeit lieber anderen (z.B. Recherche belastbarer Zahlen zur Gliom-Entwicklung seit 2002).
Slesin erwähnt Lennart Hardell und dessen Studien als Beleg für ein möglicherweise auf Handys zurückzuführendes Hirntumorrisiko. Die bislang blütenweiße Weste von Hardell hat allem Anschein nach jedoch einen Fleck, über dessen Ausmaße noch Unklarheit herrscht. Auf Nachfrage erklärte Prof. Lerchl gegenüber dem IZgMF, Prof. Hardell habe ihm gegenüber bislang nicht das Angebot wahrgenommen, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen.
Hintergrund
Dänemark: Anzahl Hirntumoren seit 2001 um 40 % gestiegen
Dänische Krebsgesellschaft zu Glioblastomen
Relativierender Kommentar (veraltete Daten) in Dagens Medicin vom 9.11.12: European cancer company: Denmark has the highest number of new cancer cases in Europe
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
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