Heute habe ich einen verblüffenden "Dachbodenfund" gemacht. Ein 16-seitiges Heftchen für die Öffentlichkeit mit dem Titel "Passivrauchen - Eine Dokumentation", herausgegeben vom Verband der Cigarettenindustrie. Das allein ist noch nicht verblüffend, sondern das Erscheinungsdatum: 1975. Bislang dachte ich immer, das Thema Passivrauchen sei erst Ende der 90er Jahre in die breite Öffentlichkeit gelangt.

Im Vorwort heißt es: "Die Kampagne gegen jegliche Form und jegliches Maß des Rauchens hat längst den Boden einer objektiven wissenschaftlichen Diskussion und einer unvoreingenommenen Argumentation verlassen. Es drängt sich der Verdacht auf, daß gewissen Kreisen gar nicht an einer objektiven wissenschaftlichen Klärung gelegen ist. Dies gilt insbesondere für die immer wieder behauptete Gesundheitsgefährdung des Nichtrauchers durch Passivrauchen.

Die Aktivitäten der Gegner des Rauchens in Zusammenhang mit diesem Problem haben inzwischen zu einer weitgehenden Verunsicherung der Öffentlichkeit geführt. Nicht ausreichend informierte Behörden haben bereits erste Maßnahmen gegen das Rauchen ergriffen. [...]

Dieser Tatbestand gibt Veranlassung, mit der vorliegenden Dokumentation den Stand der politischen Diskussion, der Rechtsprechung wie der wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Thema 'Passivrauchen' darzulegen."

Ab Seite 9 geht es dann um den wissenschaftlichen Kenntnisstand, der mit allerlei Studienergebnissen belegt wird. Einleitend steht dort: "Alle hier dargelegten Aussagen, Maßnahmen und Entscheidungen liegt die Behauptung zugrunde, daß das Passivrauchen gesundheitsschädigende Auswirkungen auf die Nichtraucher habe. In Wahrheit spricht das wissenschaftliche Erfahrungsgut jedoch eindeutig gegen eine derartige Unterstellung: In den zahlreichen Untersuchungen, die seit Beginn der Aktivitäten der Gegner des Rauchens im Jahre 1969 [...] durchgeführt wurden, ließ sich die behauptete gesundheitliche Gefährdung selbst unter extremen Versuchsbedingungen nicht nachweisen."

Die Formulierung "Eine Dokumentation" auf der Titelseite erinnerte mich zunächst nur vage an die sogenannte Kompetenzinitiative. Eine Suche machte es dann schnell die Vorliebe der KOI für Dokumentationen klar. Ob die enge Verbindung zwischen Franz Adlkofer und Karl Richter diese Wortwahl begünstigt hat weiß ich jedoch ebenso wenig wie, ob Adlkofer 1975 bereits wissenschaftlicher Leiter im Verband der Cigarettenindustrie war.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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Lobbyarbeit, Tabak, Kompetenzinitiative, Passivrauchen, VdC