Explodierende Pager: So könnte es technisch funktioniert haben (Technik)
Im Libanon sollen heute durch zeitgleich explodierende Pager mehr als 2700 Menschen verletzt und neun getötet worden sein. Da hauptsächlich Mitglieder der Hisbollah betroffen sind, scheidet technisches Versagen aus und es ist von einem gezielten Fernangriff auf die Milizionäre mit einem bislang unbekannten furchterregendem Mittel auszugehen. Die Tragödie des Angriffs können wir nicht mehr ändern, deshalb hier nur die Spurensuche, wie der Angriff funktioniert haben könnte.
Pager sind kleine Funkmeldeempfänger, die ihrem Besitzer kurze Meldungen per Signalton, numerisch oder alphanumerisch übermitteln. Pager sind vom Mobilfunk unabhängig, sie werden über eigene Funknetze betrieben. Anwender sind z.B. Feuerwehren, das THW oder Krankenhäuser, die mit den Pagern Personal zum Einsatz rufen. Da die Geräte nur empfangen und nicht senden, können sie nicht geortet werden.
Kurzschluss lässt Akku bersten
Wie kann so ein Gerät explodieren? Aller Voraussicht nach sind in Nahost genau genommen nicht die Pager explodiert, sondern der in den Geräten eingebaute Akku. Mit einem per Sammelruf übertragenen "Killerkommando" könnte es möglich gewesen sein, viele Pager gleichzeitig zur Explosion zu bringen, indem der Akku per Kommando gezielt kurzgeschlossen wurde. Der dann fließende Kurzschlussstrom erhitzt den Akku, bis dieser explodiert. Das Killerkommando könnte z.B. ein im Service von geschulten Fachkräften verwendetes Testkommando gewesen sein, das bei kurzer autorisierter Anwendung gefahrlos die Belastbarkeit des Akkus ermittelt. Die unautorisierte Ausstrahlung so eines Testkommandos könnte zum Bersten der Akkus geführt haben. Üblicherweise werden deshalb Testkommandos nicht öffentlich mitgeteilt, sondern geheim gehalten und nur im Service unter kontrollierten Bedingungen eingesetzt.
Frühes Killerkommando in Frankreich
Von einem anderen Killerkommando erzählte mir vor vielen Jahren einmal ein Kollege aus der Entwicklungabteilung. Er berichtete, das frühere französische Mobilfunksystem Radiocom 2000 sei imstande gewesen, ein Endgerät mit einem gezielt ausgestrahlten Funkkommando unbrauchbar zu machen, es nur funktionell, nicht physisch zu zerstören. Sinn und Zweck waren hier keine Attentate auf die rechtmäßigen Eigentümer, sondern die Zerstörung von Geräten, die als verloren oder gestohlen gemeldet wurden. Wer unter welchen Voraussetzungen das Killerkommando ausstrahlen durfte, wusste mein Kollege nicht.
Zeitbombe Mobiltelefon?
Beunruhigend finde ich die Vorstellung, dass das, was heute mit Pagern passiert ist, im Prinzip auch mit Mobiltelefonen passieren kann. Der Schaden wäre wegen der größeren Akkus noch verheerender. Ob es dann auch möglich sein könnte, tausende oder mehr Mobiltelefone (evtl. nur des gleichen Modells) mit einem Killerkommando zeitgleich zur Explosion zu bringen, weiß ich nicht. Servicemitarbeiter danach zu befragen dürfte sinnlos sein, denn die würden dies aus naheliegenden Gründen energisch bestreiten. Diese Umstände sprechen dafür, dass der vage Verdacht sich umgehend als neue Verschwörungstheorie krebsartig ausbreitet.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –