Baden-Württemberg will sich für Grenzwertsenkung einsetzen (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Samstag, 16.07.2011, 00:30 (vor 4915 Tagen) @ H. Lamarr

Dass die Koalitionäre sich überhaupt mit einem Absatz in ihrem Vertrag dem Mobilfunk widmen, rechnet Diagnose-Funk sich selbst und dem BUND an.

Wenn ich das richtig sehe, dann hat die neue Landesregierung mit den Sendemastengegnern 3-aus-16 gespielt: Von 16 vorgetragenen Forderungen der Gegner wurden nur drei in den Koalitionsvertrag übernommen. Hier die 16 Forderungen im Detail (Quelle), wie zu erwarten, sind da etliche Kopfschüttler mit dabei. Die Koalitionäre hatten es mMn nicht leicht, Verwertbares aus den 16 Forderungen zu destillieren:

1. Strahlungsminimierung

1.1. Wo kabelgebundene Alternativen möglich sind, werden sie angewandt und von der Landesregierung gefördert. Dies betrifft die Vermeidung von WLAN-Verkabelung an öffentlichen Einrichtungen, die Internetversorgung in Städten und auf dem Land. Die Landesregierung fordert alle Kommunen auf, anstelle von LTE (Long Term Evolution, 4. Mobilfunkgeneration) die zukunftsfähige Glasfasertechnologie einzusetzen. Bereits bestehende Förderprogramme werden ausgeweitet.

1.2. Die Landesregierung initiiert und fördert Pilotprojekte, die bei den mobilen Kommunikationsdiensten neue Technologien erproben, die sowohl die Versorgung absichern, aber auch die Strahlenbelastung vermindern.

2. Erst Prüfung - dann Einführung

2.1. Über die Einführung der TETRA–Technologie wird ein Moratorium verhängt, um die technische Tauglichkeit und die Kosten für das Land und die Kommunen sowie insbesondere die Fragen der Gesundheitsverträglichkeit zu überprüfen. Die Ergebnisse der laufenden Studien sind abzuwarten.

2.2. Über die Einführung von LTE wird ein Moratorium verhängt, da diese neue Technologie zu einer massiven Zunahme der Strahlenbelastung führen wird, deren Gesundheitsverträglichkeit ungeklärt ist (1) (hier Hinweis Israel s. u.) Alternativ kommt die Glasfasertechnologie zum Einsatz (s.1.1.).

2.3. Die Datenschutzproblematik neuer Kommunikationsdienstleistungen, wie z.B. die der Verkehrssteuerung und Überwachung über Mobilfunk Anwendungen, ist vor deren Einführung zu überprüfen.

3. Aufklärung von Kindern und Jugendlichen

3.1. Die Handy- und Smartphone-Nutzung hat soziale, kommunikative und gesundheitliche Folgen, die in den Erziehungseinrichtungen behandelt werden. Pädagogische Hochschulen, wie z.B. die PH-Heidelberg, werden beauftragt, hierzu Konzepte zu erarbeiten.

3.2. Die Studienlage zur Spermienschädigung und Embryotoxität durch Handystrahlung ist besorgniserregend. Die Landesregierung plant dazu eine Aufklärungskampagne.

1 In Israel wurde im Februar die Einführung von LTE durch das Gesundheits- und Umweltschutzministerium aufgrund fehlender Forschung vorläufig ausgesetzt. Quelle: Jerusalem Post, 28.02.2011, “Radiation effect must be checked before 4G system is okayed”

4. Rechte der Kommunen

4.1. Die Landesbauordnung wird geändert, um den Kommunen Planungshoheit zu geben. Die Bürgergesellschaft wird in den Prozess eingebunden.
4.2. Die Kommunen werden bei der Durchführung von Mobilfunkvorsorgekonzepten inhaltlich und juristisch beraten. Ein Leitfaden ist zu erarbeiten.

5. Meldestellen für Elektrosensible

5.1. Bei den Gesundheitsämtern werden in Zusammenarbeit mit der Landesärztekammer Meldestellen für elektrosensible Personen eingerichtet. Eine Zentrale Erfassungsstelle führt die Ergebnisse zusammen.

5.2. Die Landesregierung prüft, ob - wie in mehreren US-Bundesstaaten – ein „Monat der Elektrosensibilität“ eingeführt wird, um für diese neue Umweltkrankheit zu sensibilisieren.

5.3. Die Landesregierung erarbeitet ein Konzept zur Einrichtung funkfreier Zonen / Kommunen / Regionen, um Elektrosensiblen Lebensräume sowie Rückzugs- und Erholungsgebiete zu sichern.

6. Öffentlichkeitsarbeit

6.1. Die Landesregierung überprüft die bisherige Öffentlichkeitsarbeit der Ministerien zum Thema EMF (Elektromagnetischen Feldern) im Allgemeinen und Mobilfunk im Speziellen.

6.2. Der Vertrieb der Broschüren des Gesundheits- und Umweltministeriums zu Mobilfunk, Handys und EMF wird eingestellt, neue Informationen unter Beteiligung von Vertretern der Bürgerbewegung werden in Auftrag gegeben.

6.3. Die Landesregierung plant ein Symposium über den Mobilfunk mit dem Schwerpunkt „Gesundheit“.
Bei der Auswahl der Referenten werden die Vertreter der Bürgerbewegung einbezogen.

7. Einwirken auf die Bundesebene

7.1. Die Landesregierung wirkt auf die z.Z. laufende Novellierung der 26.BISchV. dahingehend ein, dass wirkungsvolle Schutzstandards und vorsorgeorientierte Empfehlungen eingeführt werden.

Anlagen:

BUND Position Nr.46 „Zukunftsfähige Funktechnologien“
Beschluss des EU-Parlaments 2008/2211(INI)

Diese Empfehlungen an die Landesregierung wurden ausgearbeitet von:

Jürgen Groschupp, Vorstandsmitglied Diagnose-Funk e.V.
Jörn Gutbier, Stadtrat GRÜNE Herrenberg, Mitglied im AK-Immissionsschutz des BUND
Peter Hensinger, Bürgerinitiative Mobilfunk Stuttgart-West
Gerd Hütter, SPD Ortsverein Plieningen-Birkach
Hans Lambacher, SPD KV-Freudenstadt AG60plus, Sprecher Diagnose-Funk LV Baden-Württemberg
Ruth Messer, Vertretung sieben Mobilfunkkritischer Initiativen Raum Waiblingen
Marcus Mühleisen, Vorstand Mobilfunk Bürgerforum Südwest
Martin Schröter, BUND Ortsverband Kernen
[Links zu den Personen nachträglich angelegt]

Diese Empfehlungen an die Landesregierung wurden beschlossen und unterstützt von der Kreismitgliederversammlung des BUND Stuttgart am 12.04.2011.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
BUND, Stuttgart, Diagnose-Funk, Hensinger, Einflussnahme, Baden-Württemberg, Groschupp, Gutbier, Glasfaser, Moratorium, Scheler, Smartphone, Infektionsgefahr, Landesverband, Heidelberg, Koalitionsvertrag, Lambacher


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